Barack Obama:"Muster von Schießereien, das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt"

Er tröstet, weint, wütet: Immer wieder muss Obama über Waffengewalt sprechen - zuletzt nach den 14 Toten von San Bernardino. Seine Reden zeigen, wie das den US-Präsidenten verändert hat.

Von Sebastian Gierke

Immer wieder musste sich US-Präsident Barack Obama nach einer tödlichen Schießerei in seinem Land an die Nation wenden und erklären, was nicht zu erklären ist. Es waren bemerkenswerte Reden darunter, sie alle haben ein trauriges Thema: die Ohnmacht, die einer der mächtigsten Politiker der Welt angesichts der vielen Toten verspürt.

Wir dokumentieren nachfolgend einige der schrecklichen Massentötungen und Obamas Reaktion darauf:

November 2009, Fort Hood, Texas

Der 39-jähriger Army-Major Nidal Malik Hasan stürmt mit zwei Pistolen bewaffnet in eine medizinische Aufnahmestation des Militärstützpunktes Fort Hood. 43 Menschen streckt er nieder, 13 von ihnen sterben.

Obama: "Es ist schwierig genug, wenn wir diese tapferen Amerikaner in Kämpfen im Ausland verlieren. Es ist schrecklich, wenn sie auf einem Militärstützpunkt auf amerikanischem Boden unter Feuer geraten." (Text, Video)

Januar 2011, Tucson, Arizona

Der 22-jährige Jared Lee Loughner eröffnet am 8. Januar 2011 auf dem Parkplatz vor einem Supermarkt das Feuer. Das Ziel ist die demokratische Abgeordnete Gabrielle Giffords. Der Attentäter benutzt eine halbautomatische Pistole. Sechs Menschen tötet er, 14 weitere werden von seinen Kugeln verwundet, darunter auch Giffords. Sie überlebt.

Obama: Das ist mehr als eine Tragödie, für die, die direkt betroffen sind. Es ist eine Tragödie für Arizona und für unser gesamtes Land. Was Amerikaner in Zeiten von Tragödien machen, ist zusammenkommen und sich unterstützten." (Video)

Juli 2012, Aurora, Colorado

Während der Premiere eines "Batman"-Films in Aurora, Colorado, feuert der Student James Holmes in die Reihen eines vollbesetzten Kinosaals. Zwölf Menschen sterben, Dutzende werden verletzt. Die Polizei findet in seiner Wohnung Sprengfallen.

Obama: "Solche Art von Gewalt, solche Art von Bösartigkeit ist sinnlos. Und wenn es etwas gibt, das wir von dieser Tragödie lernen können, dann die Erinnerung daran, dass das Leben zerbrechlich ist. Unsere Zeit hier ist begrenzt und wertvoll." (Text, Video)

August 2012, Oak Creek, Wisconsin

Der 40-jährige Michael Page eröffnet ohne Vorwarnung in einem Sikh-Tempel das Feuer. Der Neonazi tötet sechs Menschen, bevor er von einem Polizisten erschossen wird.

Obama: "Wir betrauern die, die sinnlos getötet wurden. Und auch wenn wir nie ganz verstehen werden, was es ist, das zu solchem Hass und solcher Gewalt führt, sollen die Täter solch verabscheuungswürdiger Taten wissen: Euer verqueres Denken wird keine Chance haben gegen die Güte und die Stärke unsere vereinten amerikanischen Familie."

Dezember 2012, Newtown, Connecticut

20 Grundschüler, sechs und sieben Jahre alt, fallen dem Amoklauf des 20-jährigen Adam Lanza zum Opfer. Außerdem sechs Erwachsene, bei dem Versuch die Kinder zu schützen. Der Täter benutzte eine halbautomatische Waffe vom Typ Bushmaster. Jedes Opfer wurde von mehr als einer Kugel getroffen.

Obama: "Wir haben zu viele dieser Tragödien in den letzten Jahren aushalten müssen. Und jedes Mal, wenn ich das in den Nachrichten sehe, reagiere ich nicht als Präsident, sondern so, wie jeder andere das auch tun würde: als Vater. Ich weiß, dass es nicht ein Elternteil in Amerika gibt, das nicht die gleiche überwältigende Trauer fühlt, die ich fühle. Die Mehrheit derer, die heute starben, waren Kinder, wunderbare Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren." (Obama weint leise) (Text; Video)

September 2013, Washington, D.C.

Der ehemalige Marinesoldat Aaron Alexis erschießt am 17. September 2013 in einer Kommandozentrale der US-Marine in Washington D.C zwölf Menschen, bevor er selbst getötet wird. Er verfügte bei seiner Bluttat über keinen genauen Plan, schoss wahllos auf seine Opfer im Navy Yard.

Obama: "Wir sind konfrontiert mit einer weiteren Massenschießerei. Und heute passierte es sogar auf einem Militärstützpunkt in der Hauptstadt unserer Nation. Es ist eine Schießerei, die unser militärisches und ziviles Personal zum Ziel hatte. Das sind Männer und Frauen, die arbeiten, um uns alle zu beschützen. Sie sind Patrioten." (Text)

April 2014, Fort Hood, Texas

Der 34-jährige Ivan Lopez schießt auf der Militärbasis um sich, tötet drei Menschen, 16 weitere werden verletzt. Anschließend erschießt Lopez sich selbst.

Obama: "Jede Schießerei bedeutet Leid. Diese öffnet wieder die Wunde, die das hinterlassen hat, was fünf Jahre zuvor in Fort Hood geschehen ist. Wir sind untröstlich, dass so etwas wie das wieder passieren konnte." (Text)

Juni 2015, Charleston, South Carolina

Bei einem Anschlag in einer Kirche werden neun schwarze Gläubige getötet. Der Todesschütze, der 21-jährige Weiße Dylann Roof, handelt aus rassistischen Motiven. Er benutzt für seine Bluttat eine 45er-Kaliber-Handfeuerwaffe, die er nicht hätte besitzen dürfen.

Obama: "Ich musste Statements wie dieses zu oft abgeben. Gemeinden wie diese mussten Tragödien wie diese zu oft ertragen. An einem bestimmten Punkt müssen wir als eine Nation mit der Tatsache umgehen, dass es diese Art von Massengewalt in anderen fortschrittlichen Ländern nicht gibt. Es passiert nicht in anderen Ländern in dieser Häufigkeit." (Text, Video)

Oktober 2015, Roseburg, Oregon

Ein Amokläufer tötet an einem College mindestens neun Menschen und verletzt sieben weitere.

Obama: "Es hat eine weitere Massenschießerei in Amerika gegeben. Diesmal in einem College in Oregon. Das bedeutet, dass die Leben von amerikanischen Familien, Müttern, Vätern, Kindern für immer verändert wurden. Wie ich es bereits ein paar Monate zuvor gesagt habe und auch nur ein paar Monate davor. Wie ich es jedes Mal nach solchen Amokläufen gesagt habe: Unsere Gedanken und Gebete sind nicht genug. Irgendwie ist das zur Routine geworden. Die Berichterstattung ist Routine, meine Antwort ist Routine. Wir sind das einzige fortschrittliche Land auf der Erde, das diese Art von Massenschießerei alle paar Monate erlebt. Wir stumpfen ab. Wir müssen unsere Gesetze ändern. Ich hoffe und bete, dass ich während meiner Amtszeit nicht noch einmal Familien unter diesen Umständen mein Beileid aussprechen muss. Aber basierend auf meinen Erfahrungen als Präsident kann ich das nicht garantieren. Und das zu sagen, ist furchtbar." (Text)

Dezember 2015, San Bernardino, Kalifornien

In einer Sozialeinrichtung in Kalifornien sollen ein Mann und eine Frau 14 Menschen getötet und 17 weitere verletzt haben. Die beiden Verdächtigen starben später im Kugelhagel der Polizei.

Obama: "Es gibt bei uns ein Muster von Massenschießereien, das gibt es nirgendwo sonst in der Welt. Das muss aufhören. Wir sollten niemals denken, dass das etwas Normales ist, weil es in anderen Ländern eben nicht mit der gleichen Häufigkeit vorkommt. Es gibt einige Dinge, die wir tun könnten. Damit kann nicht jede dieser Massenschießereien verhindert werden, aber wir könnten die Wahrscheinlichkeit verringern, dass es so häufig dazu kommt." Obama fordert auch jetzt wieder strengere Waffengesetze. Außerdem will er die sogenannte "No-fly Liste", die Liste der Personen, die in den USA kein Flugzeug besteigen dürfen, auch dazu verwenden können, den darauf verzeichneten Personen den Kauf von Waffen zu untersagen. (Text, Video)

Und was ist passiert in Obamas Amtszeit? Nichts.

Lange hat Obama nicht gehandelt - sondern nur Worte gefunden. Nach dem Amoklauf von Newtown ließ er dann Empfehlungen für ein schärferes Waffenrecht erarbeiten. Doch bei der Abstimmung im Senat im April 2013 fand selbst ein Kompromiss für eine strengere Überprüfung von Waffenkäufen keine Mehrheit. Obama sprach danach von einem "Tag der Schande für Washington".

Dass bislang keine Veränderung bei den Waffengesetzen zustande kam, bezeichnet Obama selbst als die "größte Frustration" seiner Präsidentschaft.

Linktipp:

Vox.com vergleicht in einer Grafik wie viele Menschen Opfer von Terrorismus und wie viele Opfer von Schusswaffen wurden. Das Ergebnis ist eindrücklich.

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