Ausnahmen beim Mindestlohn:Wenig Geld für Gurkenpflücker

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Die bundesweite Lohnuntergrenze von 8,50 Euro wird zum 1. Januar 2015 eingeführt. Doch schon jetzt ist klar, dass dieser Mindestlohn nicht für alle gelten wird. Die wichtigen Fragen und Antworten im Überblick.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Die große Mehrheit der Deutschen will ihn unbedingt - jetzt kommt er, und schon gibt es wieder Streit: CSU-Chef Horst Seehofer hat Ausnahmen beim Mindestlohn von 8,50 Euro gefordert, Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) lehnt solche Sonderregelungen dagegen strikt ab. Laut Koalitionsvertrag sind jedoch Ausnahmen möglich. Die SZ klärt die wichtigsten Fragen.

Wo sind schon jetzt im Koalitionsvertrag Ausnahmen vorgesehen?

Die bundesweite Lohnuntergrenze von 8,50 Euro brutto wird zum 1. Januar 2015 eingeführt. Bis Ende 2016 können jedoch Tarifverträge weitergelten, in denen die Tarifparteien für die untersten Einkommensbezieher weniger als 8,50 Euro vereinbart haben. Das betrifft viele Arbeitnehmer: Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hat unter mehr als 4500 tariflichen Vergütungsgruppen 500 Entgeltgruppen gefunden, bei denen die Löhne Ende 2012 unter 8,50 Euro lagen. Weniger wird vor allem in Ostdeutschland gezahlt. Dort liegt mehr als ein Viertel der Tariflöhne unter 8,50 Euro. Von 2017 an soll der neue bundesweite Mindestlohn dann uneingeschränkt gültig sein.

Sind weitere Sonderregeln vereinbart?

Ja, im Koalitionsvertrag steht klipp und klar: Der Mindestlohn solle nicht gelten für "ehrenamtliche Tätigkeiten, die im Rahmen der Minijobregelung vergütet werden". Diese hätten nicht "den Charakter abhängiger und weisungsgebundener Beschäftigung". Als sicher gilt auch, dass Auszubildende vom Mindestlohn ausgenommen werden, obwohl dies nicht im Koalitionsvertrag steht. Die Ausbildungsvergütungen bleiben somit von den 8,50 Euro unberührt.

Ist das alles?

Nein, im Vertrag von Union und SPD heißt es: Bei dem Gesetz zur Einführung des Mindestlohns werde die Bundesregierung "mögliche Probleme, zum Beispiel bei der Saisonarbeit" berücksichtigen. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass Erntehelfer in der Landwirtschaft fürs Spargelstechen oder Gurkenpflücken weiter weniger als 8,50 Euro bekommen. Die zuständige Arbeitsgruppe von Union und SPD hatte außerdem geplant, Praktikanten, "die ihr Praktikum im Rahmen einer Schul- oder Studienordnung absolvieren, sowie Schüler bis zum Ende der Schulpflicht" ebenfalls vom Mindestlohn auszuschließen. Für "freiwillige Praktika außerhalb von Schul- und Studienordnung" wollten die Koalitionäre dagegen die Lohnuntergrenze angewendet wissen. Das steht jetzt nicht mehr im Vertrag. Da sich Union und SPD hier einig sind, spricht aber viel für eine Extra-Regelung für Praktikanten.

Für welche Beschäftigte könnte es noch Ausnahmen geben?

CSU-Chef Seehofer verlangt dies auch für Rentner. Betroffen wären etliche: Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren im März 2013 mehr als 178.000 Menschen mit 65 Jahren und älter sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Hinzu kommen 775.000 Minijobber in dieser Altersgruppe, von denen die allermeisten mit dem 450-Euro-Job ihre Rente aufbessern dürften. Ob sich Seehofer hier durchsetzt, ist fraglich. Die SPD lehnt dies ab.

Welche Problemgruppen gibt es noch?

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer fordert Ausnahmen für Langzeitarbeitslose, um ihnen den Einstieg in den Arbeitsmarkt nicht zu erschweren. Die Union hatte dies ebenfalls in den Koalitionsgesprächen mit der SPD vorgeschlagen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) verlangt Sonderregeln für junge Erwachsene. DIHK-Präsident Eric Schweitzer befürchtet, dass andernfalls viele Schulabgänger versuchen würden, kurzfristig einen Mindestlohnjob für 1400 Euro pro Monat anzunehmen, statt eine richtige Ausbildung zu absolvieren. Auch würden die Anreize für die etwa 1,5 Millionen jungen Leute ohne Ausbildung sinken, eine Lehre zu beginnen.

© SZ vom 24.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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