Obama in Asien:Amerika und Vietnam - vereint durch die Furcht vor China

U.S. President Barack Obama attends a press conference with Vietnam's President Tran Dai Quang at the Presidential Palace Compound in Hanoi, Vietnam

US-Präsident Barack Obama und Tran Dai Quang, Präsident Vietnams, in Hanoi.

(Foto: REUTERS)

Die Last der Geschichte wiegt noch schwer - da wirkt die Freundschaft der beiden Länder bizarr. Doch Vietnam ist den USA heute ähnlicher, als manchem lieb sein dürfte.

Kommentar von Arne Perras

In der Geschichte der Nationen ist es immer wieder vorgekommen, dass sich frühere Erzfeinde versöhnten und schließlich sogar enge Partner wurden. Fronten verschieben sich, was sich nun besonders deutlich in Vietnam abzeichnet. Dort empfängt ein immer noch kommunistisches Regime seinen früheren Kriegsgegner, das kapitalistische Amerika. Manchmal klangen die Worte am Montag in Hanoi schon so warm, als begegneten sich zwei gute alte Freunde.

Auf den ersten Blick wirkt das bizarr, wo das Erbe dieses an Brutalität kaum zu überbietenden Krieges ja noch gar nicht aufgearbeitet ist. Doch beide Seiten scheinen fest entschlossen zu sein, ihren Blick nun lieber nach vorne zu richten als zurück. So hat US-Präsident Barack Obama viele überrascht, als er ankündigte, das jahrzehntealte Waffenembargo gegen Vietnam komplett zu streichen.

Darüber gab es zwar im Vorfeld schon einige Debatten, doch rechnete kaum einer damit, dass Washington so schnell handeln würde. Es gab kein Zögern und kein Taktieren. Obama hat zumindest dieses eine Ziel fest vor Augen: Er will den US-Einfluss im asiatisch-pazifischen Raum halten und wenn möglich ausbauen. Dafür brauchen die Amerikaner möglichst viele Partner. Und einer der wichtigsten ist in diesen Zeiten Hanoi.

Ein Partner für Obamas pazifisches Zeitalter

Die Verwunderung über die ungewöhnliche Partnerschaft wird noch eine Weile anhalten. Schon allein deshalb, weil beide Seiten doch noch so vieles trennt. Da ist erstens die Last der Geschichte. Washington hat nur zögerlich damit begonnen, bei der Bewältigung von Umwelt- und Gesundheitsschäden zu helfen, die durch das versprühte Entlaubungsmittel Agent Orange entstanden sind. Zu einer Kriegsschuld, die Kompensationen nach sich ziehen könnte, wollte sich die US-Regierung bisher nie bekennen. Stattdessen betont Washington jetzt den Willen zur Kooperation. Für eine breite Versöhnung dürfte dies kaum reichen. Und so sind die Vietnamesen doch gespannt, was Obama bei seinem dreitägigen Besuch zu den Wunden des Krieges vielleicht noch sagt.

Zweitens fällt auf, dass sich die US-Regierung, vielleicht gerade wegen der historischen Last des Vietnamkriegs, mit Kritik an der Menschenrechtslage im Land stark zurückhält. Das wird Dissidenten frustrieren, die darauf gehofft hatten, dass die Amerikaner das Waffenembargo erst lockern, wenn das Regime tatsächlich mehr Freiheiten für seine Bürger zulässt. Womöglich hat Hanoi aber im Stillen bereits weitere Reformen zugesagt. In diesem Falle würde Obamas Besuch eine weitere politische Öffnung Vietnams befördern. Doch sicher ist das nicht.

Sorge über Chinas Machtansprüche

Noch ist die Kluft zwischen den politischen Systemen gewaltig. Überbrückt wird sie dadurch, dass die Vietnamesen heute beinahe so kapitalistisch wirtschaften wie die USA, oder es zumindest wollen. Dennoch glaubt die Führung in Hanoi daran, ihre Ein-Parteien-Herrschaft mit einer Marktwirtschaft verbinden und weiterhin sichern zu können, was den Vorstellungen im Westen deutlich widerspricht.

Alle Differenzen haben aber nicht verhindert, dass Hanoi und Washington immer weiter aufeinander zugehen. Was sie am stärksten aneinander bindet, will keiner offen aussprechen. Aber alle wissen es: Es ist die Sorge über China, das mit seiner wachsenden Macht an den Verhältnissen in Südostasien rüttelt. Neben den Philippinen streitet vor allem Vietnam mit Peking über Inselgruppen. Die Angst der Vietnamesen wächst, dass das Land dem großen Nachbarn irgendwann nicht mehr die Stirn bieten kann. Also setzt die Führung in Hanoi auf schlagkräftige Rückendeckung. Selbst wenn sie von einem früheren Feind kommt, den sie einst unter hohen Verlusten aus dem Land gejagt hat.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: