Anschlag auf BVB-Bus:Auch ohne religiöses Motiv ist der Täter von Dortmund ein Terrorist

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Das Trauma wird den Spielern wohl bleiben, auch wenn der Täter nicht zur Terrormiliz des sogenannten Islamischen Staats gehört. (Foto: AP)

Aktienkurse als Motiv, dazu handwerkliche Professionalität, kriminelle Energie und Blödheit - der Anschlag auf den BVB-Bus wäre selbst als Plot für einen Fernseh-Krimi zu absurd. Aber er ist wahr, und er sät Angst.

Kommentar von Kurt Kister

In einer Zeit, in der Donald Trump im Weißen Haus sitzt und Facebook daran arbeitet, Gedanken zu lesen, sollte einen eigentlich nichts mehr wundern. Und dennoch ist der wahrscheinliche Hintergrund des Anschlags auf den Bus von Borussia Dortmund dermaßen absurd, dass die Tat selbst heute, da das Absurde normal zu werden scheint, besonders hervorsticht.

Ein junger Mann, Russlanddeutscher, ausgebildet als Elektroniker und belobigt in der Berufsschule, bastelt drei Bomben. Mit denen will er einen Bus voller Fußballer in die Luft sprengen, um so den Kurs ihres an der Börse notierten Vereins auf Talfahrt zu bringen und über vorher georderte Verlust-Optionen Geld zu verdienen. Selbst wenn man Tatort-Redakteur wäre, würde man so einen Plot als zu konstruiert ablehnen - und das heißt etwas angesichts der Tatsache, dass bei vielen dieser Fernsehkrimis ohnehin der fröhliche Gagaismus regiert.

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Interessant bei diesem Szenario, das die Ermittler für sehr wahrscheinlich halten, ist das Zusammenspiel von handwerklicher Professionalität, krimineller Energie, Skrupellosigkeit und weit in die Blödheit changierendem Dilettantismus. Einerseits baut der Kerl funktionierende, hoch gefährliche Bomben, die er offenbar per Fernzündung zur Explosion gebracht hat. Das unterscheidet ihn von etlichen der hierzulande aktiven Teilzeit-Terroristen, deren handwerkliches Geschick glücklicherweise deutlich weniger ausgeprägt ist als ihre mörderische Gesinnung. Andererseits kauft er online am Tag des Anschlags aus dem Hotel, von dem der Bus abfährt, noch Optionsscheine. Das ist ungefähr so, wie wenn er sich ein Schild umhängt, auf dem steht: "HALLO, ich bin der BVB-Bomber!"

Das Trauma der plötzlichen Todesgefahr bleibt

Nun mag man sich darüber streiten, was hirnrissiger ist: Wenn einer andere Leute in die Luft sprengt, weil er glaubt, das wolle Gott, oder wenn einer Bomben legt, um Aktienkurse zu beeinflussen. Jener vorgeblich religiös motivierte Terrorismus, der sich auf Gott, zumeist in dessen Erscheinungsform als Allah, beruft, ist in dieser Welt weit verbreitet. Sogar der mutmaßliche Dortmund-Bomber hat sich dies in seiner ganz und gar unheiligen Einfalt zunutze machen wollen. Er verfasste offenbar ein vermeintliches Selbstbezichtigungsschreiben, das er am Tatort zurückließ, und in dem er den Eindruck erwecken wollte, Islamisten seien die Bombenleger gewesen. Pro Bombe hinterließ er einen solchen Brief, was darauf hindeutet - wenn es erlaubt ist, in diesem Zusammenhang einen bitteren Scherz zu machen - , dass er ein ordentlicher junger Mann aus dem Schwarzwald ist: drei Bomben, drei Briefe.

Die Insassen des Busses - Spieler, Funktionäre, Trainer, Fahrer - werden wohl ein Trauma zurückbehalten. Die Explosionen haben ihre Lebenssicherheit erschüttert, in dem geschützten Raum Mannschaftsbus entstand urplötzlich Todesgefahr. Keiner von ihnen wird mehr einen Bus einfach so betreten.

Ja, auch dieser Täter ist ein Terrorist. Er hat Angst gesät, auch wenn er es offenbar "nur" getan hat, um Geld zu verdienen. Sollte es so gewesen sein, wie es sich für die Ermittler jetzt darstellt, hat der junge Mann Massenmord geplant, um Optionsscheine gewinnbringend einlösen zu können. Das klingt so absurd, dass es in diesen Zeiten wohl wahr sein muss.

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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