AfD-Parteitag in Köln:Schrill in den Wahlkampf

Der Parteitag in Köln hätte zu einer Mäßigung der AfD führen können. Die Wahl von Alice Weidel und Alexander Gauland zum Spitzenduo verheißt das Gegenteil.

Von Benedikt Peters, Köln

Kurz vor 14 Uhr zeigt die Neue an der AfD-Spitze, wozu sie imstande ist. Alice Weidel steht auf dem Podium des AfD-Parteitags im Maritim-Hotel in Köln, sie hat schon viel Applaus eingesammelt, viele Dinge gesagt, die den Delegierten im Saal gefallen.

Jetzt aber bringt sie die Stimmung so richtig zum Kochen. Weidel, die vor ein paar Minuten zusammen mit dem rechtskonservativen Alexander Gauland zum Spitzenpersonal für die Bundestagswahl gewählt wurde, spricht über die türkischstämmigen Menschen in Deutschland. Mit Blick auf das kürzlich abgehaltenen Verfassungsreferendum in der Türkei sagt sie: "Ich empfehle allen Erdoğan-Ja-Sagern, in die Türkei zurückzukehren."

Im Saal bricht stürmischer Applaus los, und ein junger Mann, der oben auf der Tribüne sitzt, löst einen Sprechchor aus. In seiner linken Hand hält er eine Dose Becks. "Abschieben! Abschieben! Abschieben!", schreit er. Der Sprechchor erfasst den halben Saal.

Weidel lebt mit ihrer Lebensgefährtin und zwei Söhnen am Bodensee

Der Bundesparteitag der AfD in Köln hätte als die Veranstaltung in die Geschichte eingehen können, auf dem sich die rechtspopulistische Partei etwas zurücknimmt, zumindest im Ton. Einen entsprechenden Antrag hatte die Parteichefin Frauke Petry gestellt. Man solle sich auf einen realpolitischen Kurs festlegen, hieß es darin, und so schnell wie möglich die Regierungsfähigkeit anstreben.

Doch die 600 Delegierten haben schnell gezeigt, dass sie das nicht wollen. Sie haben Petrys Antrag am Samstag vom Tisch gefegt. Danach hat der Co-Vorsitzende Jörg Meuthen Frauke Petry an die Wand geredet und dafür tosenden Applaus bekommen. Die Parteichefin ist seitdem schwer beschädigt.

Die Demontage der Parteichefin ist das große Thema des ersten Tages in Köln. An diesem Sonntag, Tag zwei, ist es die Wahl des Spitzenteams für die Bundestagswahl - auch wenn die Delegierten an diesem Tag auch ein Wahlprogramm beschließen. Schon mehrere Tage zuvor wurde geraunt, es gäbe bezüglich der Kandidatur Absprachen. Den Job sollten Gauland und Weidel gemeinsam übernehmen. Genauso kommt es dann auch, die Delegierten geben den beiden knapp 60 Prozent der Stimmen.

In der Vergangenheit wurde über Alice Weidel geschrieben, sie stehe Frauke Petry nahe. Weidel ist Ökonomin, sie gehört zum wirtschaftsliberalen Flügel der AfD. Sie amtiert auch als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl in Baden-Württemberg. Was über Weidels bisheriges Leben bekannt ist, lässt eher auf eine fortschrittliche Weltsicht schließen. Sie lebte in China und spricht fließend Mandarin. Mit ihrer Lebensgefährtin und zwei Söhnen wohnt sie am Bodensee.

Die "Abschieben!"-Sprechchöre fängt sie trotzdem nicht ein. Später in ihrer Rede sagt sie: "Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte."

Gauland macht Petry ein fragwürdiges Versöhnungsangebot

Der Mann, der mit Weidel in den Wahlkampf zieht, bekommt dann auch noch Gelegenheit für eine kurze Einlassung. Alexander Gauland lobt das Redetalent seiner Mitstreiterin. "So gut kann ich das nicht", sagt er.

Gauland nutzt seine Rede für ein offizielles Versöhnungsangebot an die demontierte Parteichefin: "Liebe Frauke Petry, ich weiß, dass Sie gestern einen schweren Tag hatten", sagt er. "Aber wir brauchen Sie in der Partei." Die Delegierten klatschen, Petry senkt den Kopf. Als sie ihn wieder hebt, sieht man, dass sie mit den Tränen kämpft. Gauland insistiert: "Wir brauchen Dich für den Wahlkampf."

Man könnte Gaulands Ansprache als Versuch verstehen, die Partei zu einen. Eine Stunde später aber fragt man sich, wie lange die Versöhnung wohl halten kann. In einem Nebensaal geben die Spitzenkandidaten Gauland und Weidel eine improvisierte Pressekonferenz. Gauland spricht über Frauke Petry. Er sagt, er hätte sich auch gut vorstellen können, gemeinsam mit der Parteichefin die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl zu übernehmen. Die aber habe seine "ausgestreckte Hand" nicht annehmen wollen.

Zum Abschluss des Parteitages singen die AfDler die Nationalhymne. Die Delegierten im Saal erheben sich, und so auch der versammelte Parteivorstand auf der Bühne. Alice Weidel hält ihre Arme straff an den Seiten, den Rücken aufgerichtet. Nur ein Platz auf dem Podium bleibt zunächst frei. Es ist der von Frauke Petry. Dann stürmt sie doch noch von rechts auf die Bühne und singt die letzten Verse mit. Wo nach diesem Wochenende ihr Platz ist in der AfD, das scheint Petry jetzt auch nicht mehr zu wissen.

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