Ruandas Präsident Kagame:UN beklagen "Völkermord" im Kongo

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Ein Bericht der Vereinten Nationen kritisiert Ruandas Präsidenten Paul Kagame wegen Verbrechen im Nachbarland. "Blödsinn!" rufen die Beschuldigten.

Arne Perras

Der Entwurf eines UN-Berichtes zu Verbrechen im Kongo bringt das Nachbarland Ruanda und dessen Machthaber Paul Kagame unter Druck. Das 545 Seiten umfassende Dokument listet Menschenrechtsverletzungen in Zentralafrika in den Jahren 1993 bis 2003 auf. Dabei bündelt es auch brisante Vorwürfe gegen Ruanda und deren verbündete Kräfte während des Kongo-Krieges. Wenn die Verbrechen vor Gericht bestätigt würden, könnten sie als "Völkermord" eingestuft werden, heißt es in dem Entwurf, den Menschrechtsexperten der UN erstellt haben.

Pflegt das Selbstbildnis eines asketischen Kommandanten, jetzt sieht er sich Vorwürfen von Kriegsverbrechen ausgesetzt: Ruandas Präsident Paul Kagame. (Foto: AFP)

Der Streit um den Bericht, der in den kommenden Tagen veröffentlicht werden sollte, dürfte eine neue Krise zwischen den Vereinten Nationen und dem ruandischen Präsidenten entfachen. Dessen Justizminister hat das Dokument bereits im Rundfunksender BBC als "Blödsinn" bezeichnet. Ruanda soll nach einem Bericht von Le Monde damit gedroht haben, seine Friedenssoldaten aus der Darfur-Mission im Sudan zurückzuziehen, falls die Genozid-Vorwürfe nicht gestrichen würden.

Der ruandische Präsident, der sich erst vor drei Wochen in einer fragwürdigen Wahl im Amt bestätigen ließ, reagiert stets mit äußerster Empfindlichkeit, wenn er auf mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen seiner Kräfte im Kongo angesprochen wird.

Er pflegt das Selbstbildnis eines asketischen Tutsi-Kommandanten, der keine Verbrechen zu verantworten habe. Seine Kämpfer hätten im Jahr 1994 den Völkermord radikaler Hutus an den ruandischen Tutsis und moderaten Hutus gestoppt, während die Welt zuschaute, deshalb betrachtet er sich als unantastbar. Bei dem Genozid wurden in Ruanda innerhalb weniger Wochen 800.000 Menschen getötet, die Völkergemeinschaft griff militärisch nicht ein. Kagames Offensive vertrieb die Hutu-Mörder.

Nach dem Sieg seiner Armee ließ Oberbefehlshaber Kagame Zehntausende flüchtende Hutus - feindliche Soldaten und viele Zivilisten - im benachbarten Kongo verfolgen. Ruanda brachte dort schließlich die Rebellenarmee von Laurent Kabila in Stellung, die Hutus jagte und Diktator Mobutu stürzte.

Kagame wollte die Vorstöße stets als Akt der Selbstverteidigung interpretiert wissen, doch im neuen UN-Bericht ist von "systematischen und weit verbreiteten Angriffen" die Rede, die als "Völkermordverbrechen" klassifiziert werden könnten. Aus dem Verhalten mancher mit Kagame verbündeter Rebellen sei die Existenz eines "genozidalen Plans" ableitbar, heißt es. Alte, Kranke und Kinder sind als Opfer dokumentiert. Da Kagame als Oberbefehlshaber die ruandische Armee kontrollierte und die Rebellen mobilisierte, fallen die Vorwürfe auf ihn zurück.

Noch nie wurden diese Vorwürfe in einem UN-Dokument so deutlich formuliert wie jetzt. Die Hochkommissarin für Menschenrechte, Navanethem Pillay, schreibt, der Bericht solle den Kongolesen helfen, sich eine Zukunft aufzubauen, in der "Straffreiheit keinen Platz mehr hat". Allerdings ist zu vernehmen, dass die Vereinten Nationen die Wortwahl des Berichts womöglich abmildern und vielleicht auf das Wort Genozid verzichten werden, um dem Konflikt mit Ruanda aus dem Wege zu gehen.

Das kleine Land an der Ostgrenze des Kongos hat westliche Regierungen mit seinem Aufbauplan und gezielter ökonomischer Entwicklung beeindruckt, wobei den autoritären Herrschaftsmethoden des Präsidenten meist wenig Aufmerksamkeit geschenkt werden. Großbritannien und die USA pflegen enge Beziehungen zu Kagame, dessen Land, ähnlich wie Uganda, dem Westen als strategischer Brückenkopf in einer unruhigen, aber rohstoffreichen Region dient.

© SZ vom 28.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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