First Lady Melania Trump:Die Frau, die nicht spricht, aber jedem etwas sagt

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Protokollarisches Minimalziel erreicht: eine lächelnde Melania Trump beim Staatsbesuch in Belgien. (Foto: AFP)

Melania Trump spaltet die beobachtende Weltöffentlichkeit. Ist die First Lady so leer wie ihr Blick? Oder ist sie die subversive Heldin an der Seite von Schurken-Präsident Trump?

Von Johanna Bruckner , New York

"I need a hero", sang Bonnie Tyler 1984 und hatte dabei ziemlich konkrete Vorstellungen: einen Mann, hoch zu Ross, in leidenschaftlicher Wallung vom letzten Kampf. In seinen Satteltaschen transportiert er Anerkennung und die Ahnung von einem besseren Leben. Bonnie Tylers Schmachtzeile ist trotzdem zum geflügelten Wort geworden - wer braucht nicht manchmal einen Helden? Im politischen Amerika, so scheint es, ist die Sehnsucht größer denn je: Während die einen mit Donald Trump ihren Retter aus der gefühlten gesellschaftlichen Geringschätzung bereits ins Weiße Haus gewählt haben, klammern sich die anderen verzweifelt an eine Heldin. Nein, nicht Hillary Clinton. Ausgerechnet First Lady Melania Trump soll die Gute sein im bösen Polit-Spiel.

Um dem Ganzen eine romantische Note zu geben, kann sie diese Rolle natürlich nur im Geheimen einnehmen. Weil sie in der Ehe mit dem mächtigen Oberschurken gefangen ist. Diese Lesart hält sich hartnäckig, sogar pseudo-feministische Meme gab es schon: So spekulierten Twitter-Nutzer unter dem Hashtag #FreeMelania, dass die neue First Lady ihrer Vorgängerin Michelle Obama beim Antrittsbesuch im Weißen Haus keinen Schmuck geschenkt habe. Sie soll einen Hilferuf abgesetzt haben - standesgemäß verpackt in einer türkisfarbenen Tiffany's-Schachtel. Die Hoffnung ist groß, dass die First Lady mehr sein möge als das Klischee einer Trophy Wife. Kann sie bitte, bitte die subversive Kraft im Bett des mächtigsten Mannes Amerikas sein?

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Diese Hoffnung ist so groß, dass sie bisher auch durch Interviewaussagen von Melania Trump nicht erstickt werden konnte: "Die Leute, sie kennen mich nicht wirklich. (...) Habt kein Mitleid mit mir", sagte die einmal.

Das Narrativ von der First Lady, die im Gegensatz zu ihrem plump auftretenden Gatten mit dezenten Zeichen kommuniziert, fand sich auch in der Berichterstattung über die erste Auslandsreise des neuen Präsidentenpaares. Während Donald Trump andere Staatsoberhäupter wegschubste - im übertragenen und wörtlichen Sinne - beeindruckte Melania Trump die Beobachter mit dem diplomatischen Geschick ihrer Garderobe. Das Besondere: Nicht nur Modemagazine fanden anerkennende Worte, sondern auch jene Medien, die in den vergangenen Wochen täglich neue Details der Russland-Affäre enthüllt und Donald Trump damit in Bedrängnis gebracht hatten.

Die New York Times beispielsweise sah in dem schwarzen Designer-Jumpsuit, den Melania Trump bei der Ankunft in Saudi-Arabien trug, eine moderne Interpretation der Abaya, des traditionellen Gewands muslimischer Frauen. Sie hätte auch auf die kraftmeierische Botschaft ihres breiten, goldenen Taillengürtels abzielen können. Tatsächlich sind solche überkritischen bis hämischen Interpretationen noch so kleiner Details en vogue, wenn es um die Trump-Gefolgschaft geht. (Als Regierungssprecher Sean Spicer kürzlich seine Anstecknadel mit der amerikanischen Flagge verkehrtherum trug, wurde ihm das als äußeres Zeichen einer inneren Derangiertheit gedeutet.) Aber in diesem Fall schien es darum zu gehen, die First Lady zur Heldin der Geschichte zu machen.

Melania Trump sei es gewesen, notierte die Times, die Papst Franziskus in Rom ein Lächeln entlockt habe - während der Pontifex ihrem Ehemann selbst höfliche, mimische Indifferenz verweigerte. Die Beweisfotos des sauertöpfischen Papstes gingen um die Welt. Harper's Bazaar resümierte: "Präsident Trump ist auf seine erste Auslandsreise gegangen (...), aber es ist Melania, die mit einem neuen Ruf zurückkommt."

Die First Lady hat das protokollarische Minimalziel erreicht. Mehr nicht

Doch stimmt das wirklich? Wie viel mehr weiß die Welt nach neun Tagen und fünf Ländern über Melania Trump, geborene Krauss, 47 Jahre alt, ein slowenisches Ex-Model (all diese Dinge sind lange bekannt)? Wie sieht es aus, das neue Bild der First Lady? Gibt es nach dieser Reise nicht einfach nur mehr Bilder von Melania Trump - die tatsächlich nur eines zeigen: Modebewusstsein?

Ja, Melania Trump war beim Besuch des saudischen Königs in Riad genauso angemessen gekleidet wie zur Papst-Audienz in Rom. Aber nur weil der Präsident über politische Gepflogenheiten genauso hinweggeht wie über Fakten, muss es noch kein Grund für Lobeshymnen sein, wenn die First Lady das protokollarische Minimalziel erreicht. Sollte eine Heldin nicht Mut beweisen?

Zum Beispiel, indem sie in einem Land, in dem Frauenrechte praktisch nicht existent sind, nicht ausgerechnet an ein Kleidungsstück erinnert, das symbolisch für die mangelnde Entscheidungsfreiheit von Frauen solchen patriarchalen Gesellschaften steht. Stattdessen setzte Melania Trump in Saudi-Arabien einen Tweet ab, in dem sie die "riesigen Schritte" lobte, die das Land beim Thema Frauenrechte mache. Dabei dürfen die dort noch nicht mal Auto fahren. Und seit wann ist es andersrum eine feministische Geste, ja gar ein Zeichen des Widerstands gegen Machismo und Sexismus, wenn eine Frau ihrem Ehemann das Händchenhalten verweigert, indem sie seine Hand wegschlägt? So geschehen am Flughafen von Tel Aviv zu Beginn des Israel-Besuchs der Trumps. Dahinter könnte nicht mehr stecken als ein banaler Ehe-Zwist über das Fernsehprogramm in der Air Force One.

Gut, wahrscheinlich gibt es dort im Präsidenten-Flieger mehr als ein TV-Gerät - aber ernsthaft: Diese Frau ist keine Gefangene. Sie hätte jederzeit die Möglichkeit ihre Ehe aufzulösen, ohne Repressalien befürchten zu müssen (im Gegensatz zum Beispiel zu Frauen in Saudi-Arabien). Sie sieht dazu offenbar keinen Grund.

Außerdem hat Melania Trump durchaus schon gesagt, was sie vom Umgang ihres Mannes mit Frauen hält. Sie hat die Prahlerei ihres Mannes, dass er Frauen jederzeit zwischen die Beine greifen könne, als Boy Talk abgetan. Als das sogenannte Locker-Room-Tape publik wurde, stellte sich hinter ihren Mann. Sie hat an anderer Stelle mit Stolz davon gesprochen, eine Ehefrau zu sein, die nicht ständig herumnörgele. Zumindest ihre jüngsten öffentlichen Äußerungen werden von PR-Profis geschrieben worden sein, aber Melania Trump lässt sich auf diese Inszenierung ein. Sie lässt sich Dinge in den Mund legen. Sie will ein bestimmtes Image transportieren - oder sie willigt zumindest ein. Alles andere ist Fan Fiction.

Ein Lächeln kann geheimnisvoll sein - nicht lächeln auch

Man muss also keine küchenpsychologische Bildinterpretation betreiben, um etwas über Melania Trump zu erfahren. Aber es ist verführerisch, weil es deutlich weniger Worte als Fotos von ihr gibt. Dieses inhaltliche Vakuum ist der Nährboden für sämtliche Psychogramme über die First Lady. Entweder wird ihr oft leerer Blick mit einer intellektuellen Leere gleichgesetzt. Oder sie wird zur stillen Widerstandskämpferin stilisiert.

Eine Autorin der Washington Post deutet die Tatsache, dass die First Lady auf den meisten Fotos nicht lächelt, als bewusste Entscheidung gegen eine gesellschaftliche Rollenerwartung. Wer von Frauen verlange, dass sie lächelten, spreche ihnen die Hoheit über ihre eigenen Emotionen ab. "Für eine Frau, die mal als Model gearbeitet hat, die vorgeblich geübt ist in nonverbaler Kommunikation, scheint die Bereitschaft, auf ein Lächeln zu verzichten, weniger ein Zufall zu sein, als vielmehr ein minimaler Akt persönlicher Unabhängigkeit und Rebellion. Sie ist hier für euch, aber sie wird nicht für euch den Hampelmann machen."

Das klingt überzeugend. Es könnte genau so sein - ja, man wünscht sich, dass es so ist. Im Zweifel für die Angeklagte. Aber es könnte eben auch ganz anders sein. Vielleicht hat Melania Trump jenen distanziert-herablassenden Gesichtsausdruck in ihrer Zeit als Model so oft abrufen müssen, dass er ihr zu Eigen geworden ist. Siehe auch Kate Moss oder Victoria Beckham. Am Ende steht eine einzige unbefriedigende Wahrheit: Wer Melania Trump ist, weiß nur sie selbst. Wie sang einst Mariah Carey?

Look inside you and be strong / And you'll finally see the truth / That a hero lies in you

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