Christen:Besuch in der geschundenen Zufluchtsstätte der Heiligen Familie

Christen: Die schwer beschädigte Kirche in der Nildeltastadt Tanta werde das Militär renovieren, erzählt ein Gemeinderatsmitglied.

Die schwer beschädigte Kirche in der Nildeltastadt Tanta werde das Militär renovieren, erzählt ein Gemeinderatsmitglied.

(Foto: AP)
  • Christen in Ägypten müssen zunehmend Angst vor Anschlägen und Übergriffen haben.
  • Papst Franziskus will ihnen mit seinem Besuch Mut machen.

Von Paul-Anton Krüger, Tanta

Der Weg zum Gottesdienst führt die Kopten von Tanta auf einem schmalen Weg vorbei an ihrer Kathedrale. Die Gemeinde in der Stadt im Nildelta, 130 Kilometer nördlich von Kairo, muss sich am Freitag nach Ostern unter Zeltbahnen im Garten versammeln und in einer kleineren Kirche auf dem Gelände. Im Kirchenschiff bauen Arbeiter Gerüste auf, die Ikonen sind abgehängt, die Kirchenbänke nach draußen geräumt. Die Säule, neben der einst der Bischofsstuhl stand, ist dunkelrot gefärbt von Blut und schwarz vom Sprengstoff. Bis hinauf ins weiße Deckengewölbe hat die Bombe des Selbstmordattentäters Schrapnelle geschleudert und Überreste von Menschen. Ein Schwerverletzter des Anschlags vom Palmsonntag ist am Montag gestorben; die Opferzahl stieg damit auf 29.

Sie sind bestattet in einem Gebäude neben der Kathedrale, in dem einst Büros untergebracht waren. Ein Schild aus Holz listet in schwarzer Schrift die Namen der Märtyrer auf. Die Gläubigen halten inne, streuen Weihrauch in die Glut. Die Fenster sind unten zugemauert und oben mit einem Kreuz aus weißen Blumen geschmückt. Am gleichen Tag starben 17 weitere Menschen, Christen und Muslime, als sich ein zweiter Angreifer an einem Metalldetektor vor der Kathedrale in Alexandria in die Luft sprengte; der koptische Papst Tawadros II. hatte die Kirche nur Minuten zuvor verlassen. Beide Attacken hat die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für sich reklamiert.

Es waren die schwersten Anschläge auf Christen im modernen Ägypten, die etwa ein Zehntel der Bevölkerung stellen. Aber es war nur der traurige Höhepunkt einer Serie von Gewalt, Wochen vor dem Besuch von Papst Franziskus an diesem Freitag. Schon vor Weihnachten hatte es eine Anschlag auf einen Kirche neben der Kathedrale in Kairo mit 30 Toten gegeben, im Nordsinai trieb eine Mordserie der Dschihadisten Hunderte christliche Familien in die Flucht. Sie mussten biblischen Boden verlassen. Auf dem Sinai liegt der Berg Mose, der Überlieferung nach offenbarte Gott dort die zehn Gebote.

Eine dieser Familien floh von al-Arsich nach Tanta, sie hatten Panik bekommen, als die Dschihadisten am helllichten Tag Häuser von Christen stürmten und die Männer vor den Augen ihrer Frauen umbrachten. Sie glaubten sich sicher in Tanta, doch dann traf sie der Anschlag in der Kirche. Der Vater trägt einen Verband am Arm und ein großes Pflaster auf dem Bauch. Die Ärzte haben ihm Schrapnelle herausoperieren müssen, und doch wolle der Staat ihm die Entschädigung nicht zahlen, die Verletzten versprochen wurde, klagt er, umgerechnet 2000 Euro. An der Wand im Wohnzimmer hängen Porträts der Söhne, einer in Militäruniform, der andere in jener der Polizei.

Die Kathedrale in Tanta wird vom Militär renoviert, wie ein Mitglied des Gemeinderates sagt; die Straßen um das Gotteshaus sind abgesperrt, vor dem Eingang stehen ein Metalldetektor und Polizisten mit automatischen Waffen. Wäre das am Palmsonntag auch schon so gewesen, vielleicht würden manche der Toten heute noch leben. Ausrüstung und Personal sei vorhanden gewesen, sagen Gemeindemitglieder, wirkliche Kontrollen aber habe es nicht gegeben. Ein Video von den Überwachungskameras zeigt, wie der Attentäter ungehindert auf das Gelände gelangte und in die Kathedrale bis neben den Altrarraum.

An seinem Glauben hat Pater Maher trotz dem Tod seines Sohnes nie gezweifelt

Dort stand Bischoi Maher, 22, Medizinstudent, Schulter an Schulter mit seinem älteren Bruder Kyrillos, beide Messdiener. Ihr Vater, Pater Daniel Maher, ging mit dem Weihrauchfass durch die Kirche. Bischoi starb auf dem Weg ins Krankenhaus, sein Bruder überlebte leicht verletzt, ebenso der Vater. "Es war göttliche Auswahl", sagt er gefasst, aber mit leiser Stimme. An seinem Glauben habe ihn der Tod seines Sohnes nie zweifeln lassen, aber "die menschlichen Gefühle sind unbeschreiblich". Er hatte Bischoi am Boden gefunden und versucht, ihm zu helfen. Vergebens. "Nie hätte ich gedacht, dass so etwas passieren könnte", sagt er. Um dann aber hinzuzufügen, Verfolgung von Christen habe es immer gegeben in der Geschichte seiner Kirche. Und Märtyrer, seit dem 1. Jahrhundert. "Das festigt unseren Glauben nur mehr", sagt er.

Die Kirche ist voll, die Frauen bedecken den Kopf mit Tücher oder Schals, stehen von den Männern getrennt. Die Menschen beten mit Inbrunst das Vaterunser mit geschlossenen Augen, und doch fragen sich viele, ob der Staat genug tut, um sie zu schützen und extremistisches Gedankengut zu bekämpfen. Kaum einer wagt das offen zu sagen oder gar Präsident Abdel Fattah al-Sisi zu kritisieren. Der hat die Christmette in Kairo besucht und den Kopten Schutz versprochen. Es solle in Ägypten nur Ägypter geben, der Glaube keinen Unterschied machen, sagte er.

Als Zeichen der Ermutigung für alle Christen im Nahen Osten will der Papst seinen Besuch in Ägypten verstanden wissen, das "einst der Heiligen Familie Zuflucht gewährte vor der Tyrannei des König Herodes", wie er sagte. Es ist eine unsichere Heimat für Christen, nicht nur wegen des Terrors des IS. Immer wieder gibt es Übergriffe, oft auf dem Land, weil Gerüchte gestreut werden, Christen wollten Kirchen errichten. Ein neues Gesetz regelt den Bau doch ist es wesentlich restriktiver, als jenes über den Bau von Moscheen. Es ist nur ein Aspekt der alltäglichen Diskriminierung.

Präsident Sisi will nun in der neuen Verwaltungshauptstadt 70 Kilometer von Kairo die größte Moschee des Landes errichten und die größte Kirche. Finanziert werden sollen sie aus einem gemeinsamen Spendenfonds. Niemand soll wissen, ob sein Geld für die Kirche verwendet wird oder für die Moschee.

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