Bürgermeister entsetzt:Sportvereine fordern: Keine Flüchtlinge in Turnhallen

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Zum Beispiel in der Mehrzweckhalle in Farchet sollen Flüchtlinge einquartiert werden. Die Sportvereine wehren sich dagegen. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Vorsitzenden der drei großen Wolfratshauser Sportvereine verlangen von der Stadt, eine Belegung mit Asylbewerbern zu verweigern.

Von Matthias Köpf, Wolfratshausen

Die Vorsitzenden der drei großen Wolfratshauser Sportvereine verlangen von Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) und von den Stadträten, mit allen politischen und juristischen Mitteln das Unterbringen von Flüchtlingen in den örtlichen Turnhallen zu verhindern.

Die Stadt dürfe von sich aus keine Turnhallen als Asylbewerber-Unterkünfte zur Verfügung stellen und müsse allen staatlichen Zugriffsversuchen entgegentreten, heißt es in einem Schreiben, das Manfred Fleischer (BCF Wolfratshausen), Alfred Barth (TSV Wolfratshausen) und Werner Henschelchen (DJK Waldram) unterzeichnet haben. Heilinglechner nannte das Schreiben in einer ersten Reaktion am Dienstag "eine bodenlose Frechheit". Sozialreferentin Sibylle Ulbrich (Grüne) reagierte mit scharfen Angriffen auf BCF-Chef Fleischer, der für die CSU im Stadtrat sitzt.

Ihrer dreifachen Aufforderung, dem Kreis und dem Freistaat keine Turnhallen für Flüchtlinge zu Verfügung zu stellen, alle zwangsweisen Einquartierungsversuche politisch und rechtlich zu bekämpfen und eventuelle Umbauten an den Hallen weder auszuführen noch zu gestatten, haben die drei Vereinsvorsitzenden die Form eines Antrags an den Stadtrat gegeben. Dieser möge "zeitnah einen Grundsatzbeschluss" fällen. Die Sportvereine seien mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit "seit vielen Jahren ein wichtiger Pfeiler und Partner bei der Integration von Ausländern und Migranten" und bräuchten dafür nun ihrerseits die "Unterstützung und Solidarität" der Stadträte, heißt es in dem Schreiben. Eine "monatelange oder gar jahrelange Zweckentfremdung" der Hallen werde an diesen Schäden zurücklassen und das gewachsene Sport- und Vereinsleben zerstören.

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"Positive Stimmung nicht gefährden"

Die Stadt dürfe viele Hunderte Sportler und ihre Familien nicht im Stich lassen und die "positive Grundstimmung bei den Bürgerinnen und Bürgern" beim Thema Integration nicht durch eine Belegung der Turnhallen gefährden. Stattdessen solle sie ihre Hausausgaben bei der Unterbringung so vorbildlich wie bisher weitermachen und andere Lösungen für die Asylbewerber finden. Das Schreiben entstand nach Angaben des TSV-Vorsitzenden Alfred Barth nach mehreren Gesprächen unter den drei Vereinsvorständen. Es stamme in der Rohfassung vom BCF-Chef und ehemaligen CSU-Ortsvorsitzenden Fleischer und sei von den drei Unterzeichnern gemeinsam ausgefeilt worden.

Die Sozialreferentin des Stadtrats, Sibylle Ulbrich, hat den Brief am Dienstag durch ihre Reaktion öffentlich gemacht. Sie sieht darin ein zynisches Kalkül: Zuerst höben die Sportvereine ihre Integrationsleistung hervor, um so ihre "unmenschlichen Forderungen" abzuschwächen, schreibt Ulbrich in einer scharfen und emotionalen Stellungnahme. Darin bezweifelt sie, dass die drei Vorsitzenden wirklich im Namen der meisten Mitglieder sprechen, verbittet sich ein Urteil über die Hausaufgaben der Stadt, wirft den Unterzeichnern Mangel an Einfühlung und Erfahrung vor und prangert deutsche Waffenexporte an.

Das sagt der Bürgermeister

Fleischer stehe das christliche "C" in CSU nicht zu. Er wolle in der Flüchtlingsfrage Stimmung machen, sagt Ulbrich. Sollte er die Spaltung der Bürgerschaft weiter betreiben, droht sie ihm in ihrer Stellungnahme "persönlich ein Krippenspiel (mit Herbergssuche) vor Ihrer Haustüre" an. Bürgermeister Heilinglechner beließ es am Dienstag in einer knappen ersten Reaktion auf den Brief bei den Worten "bodenlose Frechheit". Ob er das unter anderem vom BCF-Vorsitzende Fleischer unterzeichnete Schreiben auch als förmlichen Antrag des Stadtrats Fleischer behandeln wird, sagte er nicht.

Der TSV-Vorsitzende Alfred Barth hat nach eigenen Angaben geahnt, dass das Schreiben der Vereinsvorsitzenden politische Wellen schlagen wird. Gleichwohl bekennt sich Barth zu dem Brief. Gegen den Eindruck, Stimmung machen zu wollen, verwahrt er sich allerdings entschieden und bekundet vielmehr "hohe Sympathie", "riesige Hochachtung" und große Hilfsbereitschaft für die ankommenden Flüchtlinge. Gerade beim Sport und im Verein könne es gelingen, Asylbewerber auf Augenhöhe zu integrieren - nur müsse man den Vereinen dazu eben auch die Möglichkeit lassen.

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Durch ein Requirieren der Turnhallen, die auch außerhalb der Vereine schließlich niemand als angemessene Unterkünfte ansehe, geschehe aber genau das Gegenteil: Die Vereine und ihre Mitglieder würden nicht nur ihrer Möglichkeiten zu sportlicher Erholung beraubt, sondern auch der Möglichkeit zur Integration von Asylbewerbern, die man auch durch Gratis-Mitgliedschaften fördere. Wie davon es in seinem 1800-Mitglieder-Verein derzeit gibt, konnte Barth spontan nicht beziffern. Fleischer war am Dienstag nicht zu erreichen.

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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