Kaum Schneesicherheit im Oberland:Das weiße Band

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Eine traurige Momentaufnahme aus dem vergangenen Dezember. (Foto: Manfred Neubauer)

Rodelstreifen statt Skipisten: Der Klimawandel treibt die Temperaturen in den Bergen doppelt so schnell nach oben wie im Tal. Die Alpenschutzkommission tagt in Benediktbeuern - denn die Gemeinden müssen handeln.

Von Pia Ratzesberger, Bad Tölz-Wolfratshausen

Der Nebel hängt über dem Blomberg wie ein schwerer Vorhang. Die Bäume sind nur schemenhaft zu erkennen, graue Farben überall, die Wiesen feucht vom Tau. Nur noch wenige Wochen aber, dann sollen die Hänge hier leuchten, der Schnee den Grund bedecken, am liebsten zentimeterdick. Bloß keine grünen Wiesen mehr. Das zumindest hoffen die Hoteliers, die Gaststätten- und Skiliftbetreiber, die Gemeinden und Tourismusverbände - und wenn der Schnee nicht vom Himmel fallen will, werden die Kanonen ihn eben auf die Rodelbahnen schleudern.

Der Schnee nämlich bringt Geld, doch schon längst ist nicht mehr selbstverständlich, dass er auch zur Genüge fällt, gerade im bayerischen Alpenraum. Die internationale Alpenschutzkommission CIPRA hat am Donnerstag und Freitag mit Partnern zu einer Klimatagung nach Benediktbeuern geladen, ins Zentrum für Umwelt und Kultur. Von überall aus dem Alpenraum waren Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft angereist, um über Klimaschutz auf lokaler Ebene zu debattieren. Denn auf der ganzen Welt ist die durchschnittliche Temperatur in den vergangenen 100 Jahren um rund ein Grad Celsius angestiegen - in den Alpen aber ist es der CIPRA zufolge im gleichen Zeitraum sogar um fast zwei Grad wärmer geworden.

Nicht einmal die Schneekanone lohnt sich noch

Auch wenn künstliche Beschneiung den fehlenden Naturschnee teils ersetzen kann, wird auch das mit steigenden Temperaturen schwieriger und vor allem teurer. Am Blomberg etwa beschneit Hannes Zintel von der Blombergbahn die Skipisten überhaupt nicht mehr, weil die Investitionen für die Anlagen immer höher wucherten. Vor fünfzehn Jahren hat er die Kanonen zuletzt für damals mehr als eine Million D-Mark erneuert. "Die Winter waren die letzten Jahre immer schlechter und wir brauchten immer noch mehr Schnee, wieder neuere Anlagen", sagt der 38-Jährige. Für die etwa 100 Meter breite Skiabfahrt lohnte sich das nicht mehr. Die alten Kanonen besprühen nun die Rodelbahnen mit einer weißen Schicht - denn diese Bahnen sind nur drei bis vier Meter breit, und darum schneller und billiger in einen hell strahlenden Hang zu verwandeln.

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Einer Studie der Universität Innsbruck und dem Deutschen Alpenverein (DAV) zufolge ist es am Blomberg schon bei einem Temperaturanstieg von 0,5 Grad ohne künstliche Beschneiung überhaupt nicht mehr möglich, dass hier 100 Tage im Jahr Schnee liegt. Das Gleiche gilt für den Herzogstand. Am Brauneck sind der Untersuchung nach immerhin 21 Prozent der Pistenfläche bei plus 0,5 Grad "schneesicher", also ausreichend mit Naturschnee bedeckt. Doch wird es wärmer, schrumpfen die Flächen: Bei einem Grad plus sind es nur noch vier Prozent. Und es wird wärmer.

Der Klimawandel bedroht damit nicht nur den Skibetrieb und die Einnahmen der Gemeinden, er bedroht auch das Leben in den Alpen: Die Gletscher schmelzen, die Zungen, die sich früher über hunderte Höhenmeter erstreckten, ziehen sich zurück. Manchen Hütten haben deshalb Probleme mit der Wasserversorgung, die sonst der Gletscher sicherstellte. Auch der Permafrost schwindet; die Eiskristalle, die das Gestein sonst zusammengehalten haben, werden zu Wasser. Das kann selbst einen Gipfel auseinanderbrechen lassen, es gibt mehr Murenabgänge und mehr Felsstürze. "Das Problem kennen alle Sektionen der Alpenvereine", sagt Annika Höllerl aus dem Bundesjugendverband des DAV, früher selbst in Tölz aktiv.

Durch die Erwärmung verändern sich zudem die Lebensräume für die Pflanzen entlang der Hänge und Gipfel, die Vegetationszonen verschieben sich immer weiter nach oben. "Wenn der Gipfel erreicht ist, gibt es irgendwann keinen Platz und keine passende Temperatur mehr für bestimmte Pflanzen", sagt Jörg Ruckriegel vom DAV. Zwar sei nicht immer klar, welche Phänomene der gängigen, kurzfristigen Witterung und welche dem langfristigen Klimawandel geschuldet seien.

Das Umweltministerium verschickt Hinweise an alle Gemeinden

Sicher aber ist: Die Veränderungen durch den Klimawandel werden alle Regionen betreffen, ob Murenabgänge und Steinschläge im Gebirge, ob Hochwasser, Trockenperioden und Hitze auf dem flachen Land. "Der Klimawandel geht nicht nur die Gemeinden an, die jetzt schon die Folgen spüren, sondern auch die restlichen", sagte Michael Loch aus dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt. Erst vor wenigen Wochen hat sein Ministerium einen "Klimacheck" an alle Rathäuser in Bayern versandt, um dafür zu werben, sich mit dem Klimawandel und seinen Folgen auseinanderzusetzen.

Selbstverständlich nämlich ist das nicht. Der Kreistag in Bad Tölz-Wolfratshausen zum Beispiel hatte sich im Juni dieses Jahres gegen die feste Anstellung eines Klimaschutzmanagers entschieden und für einen Fachbeirat. Wohl auch, weil die Kommunen um ihre Eigenständigkeit bangten: "Die wollten sich nicht reinreden lassen und fürchteten hohe Investitionen für die Projekte, die dieser Manager dann vorschlagen würde", sagt Rainer Pinell von der Energiewende Oberland. Es könne in Zukunft ohnehin nur noch teurer werden.

Gemeinden sollten sich Loch zufolge so früh wie möglich überlegen, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die eigene Region hat. Dafür braucht es allerdings genaue Daten, das will er nicht abstreiten. Zur Weltklimakonferenz in Paris will das Bayerische Umweltministerium in diesem Jahr nun zum ersten Mal einen Klimareport mit detaillierten Statistiken für Bayern vorlegen. Ähnlich wie der Report des UNO-Klimarates - nur ein bisschen kleiner.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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