Heimbewohner erleidet Anfall:Apothekerin muss 1000 Euro zahlen

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Das Amtsgericht Wolfratshausen stellt das Verfahren wegen verwechselter Medikamente ein.

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Mit dem unerwartet heftigen Krampfanfall eines Heimbewohners hat sich das Amtsgericht Wolfratshausen jetzt zum dritten Mal beschäftigt. Der schwer behinderte Epileptiker hatte im Dezember 2013 statt des krampflösenden Wirkstoffs Clonazepam fälschlicherweise Clozapin bekommen, was Anfälle als Nebenwirkung auslösen kann. Für den Gutachter war die Medikamentenverwechslung eindeutig. Dafür verantwortlich soll eine Apothekerin aus dem Landkreis sein. In ihrem Betrieb waren Medikamente für die Heimbewohner mittels eines Automaten in Blister-Verpackungen zusammengestellt worden. Doch das Amtsgericht stellte das Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung ein.

Der Grund: Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Angeklagte selbst für die Verblisterung des falschen Medikaments verantwortlich war. Eine falsche Medikamentenverpackung ließ sich zwar nicht ganz ausschließen, aber auch nicht sicher feststellen. Einem Arzt war die Verwechslung in der Kreisklinik Wolfratshausen aufgefallen, wohin der Heimbewohner eingeliefert worden war. Der Neurologe sagte am Montag aus, dass das richtige Medikament auf dem Überleitungsbogen des Patienten gestanden habe. Doch auf der Blister-Packung sei der falsche Wirkstoff Clozapin aufgeführt gewesen. Mit großer Wahrscheinlichkeit sei der unüblich lange Krampfanfall die Folge einer Verwechslung des Medikaments. Fehle der Schutz durch Clonazepam und bekomme der Patient stattdessen Clozapin, dann sei das ungefähr so, wie Bremse und Gas beim Autofahren zu verwechseln.

Die Apothekerin soll den Hausarzt des Heimbewohners nach dessen Darstellung über die Verwechslung informiert haben. Die betroffene Blister-Verpackung ist verschwunden. Auch die beiden Apotheken-Mitarbeiterinnen, die am Montag aussagten, wollen diese nie gesehen haben. Die zwei Frauen hielten es für nahezu ausgeschlossen, dass das Team ein Medikament in der Apotheke falsch verpackt habe. Wie eine 49-jährige Apothekerin aus dem Betrieb sagte, könne sie eine falsche Medikation durch den Blister nicht nachvollziehen. Der Automat mache keine Fehler. Ein Mitarbeiter könne zwar ein Medikament falsch eingeben. Doch das müsste bei ihren Kontrollen auffallen - und die seien äußerst genau. Sie glichen den fertigen Blister-Schlauch mit dem für jeden Patienten vorliegenden Medikationsplan ab. Sie prüften jedes Detail auf Plausibilität, hakten wegen Unklarheiten bei den Ärzten und Heimen der Patienten akribisch nach. Denn vielfach stimme etwas nicht. So verschrieben Ärzte ein neues Medikament und vergäßen, das alte zu streichen.

Eine 51 Jahre alte pharmazeutisch-technische Assistentin bestätigte die genauen Kontrollen. Sie sei für den Verkauf zuständig und kontrolliere die fertig verpackten Medikamentenschläuche, erklärte sie. Beide Mitarbeiterinnen sagten, dass die Angeklagte den Blister-Automaten nur ausnahmsweise bediene. Das Gericht legte fest, dass die Apothekerin nun 1000 Euro an den Heimbewohner zahlen muss.

© SZ vom 05.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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