Wohnungsbau:Im Münchner Osten soll ein neues Stadtviertel entstehen

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SZ-Karte (Foto: SZ-Karte)

"Größer als Freiham": Bei den Pferderennbahnen sollen Wohnungen für 30 000 Menschen gebaut werden. Das brächte auch einen spektakulären Ausbau des Nahverkehrs mit sich.

Von Heiner Effern

Das Planungsreferat will in einem neuen Stadtviertel im Osten von Bogenhausen Wohnungen für etwa 30 000 Menschen errichten lassen. Das sind drei Mal mehr als bisher bekannt. Die Experten der Stadt haben für die Bebauung drei Varianten erarbeitet, mit denen sie nun in die politische Diskussion und in die Beteiligung der Öffentlichkeit gehen.

Zwei davon brächten auch einen spektakulären Ausbau des Nahverkehrsnetzes mit sich. Sie sehen eine Verlängerung der U 4 vom Arabellapark bis in die Messestadt West vor. Damit würde die U-Bahnlinie als Tangente auch die S-Bahnstrecken zum Flughafen (S 8) und nach Erding (S 2) verbinden. Die neue U 4 könnte also auch die Fahrtzeit von internationalen Gästen zur Messe deutlich verkürzen.

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Das 595 Hektar große Areal im Nordosten gilt als das letzte große, zusammenhängende Siedlungsgebiet in München. "Eine ganze Portion größer als Freiham", sagte Stadtbaurätin Elisabeth Merk, um die Dimension des Projekts zu verdeutlichen. In Freiham im Münchner Westen standen insgesamt 350 Hektar zur Verfügung. Das Gelände der Prinz-Eugen-Kaserne, ein weiteres prominentes Neubaugebiet der Stadt, würde 20 Mal in das neue Siedlungsgebiet passen. Im Nordosten sind allerdings nur ein Viertel der Flächen im Eigentum öffentlichen Hand. Der Rest gehört etwa 500 privaten Eigentümern, die eingebunden werden müssen.

Seit 2014 läuft im Planungsreferat eine Bestandsaufnahme des Gebiets. Zusammen mit Bürgern wurden bereits Leitbilder für das neue Viertel erarbeitet. Den eigentlichen Startschuss für das Projekt gab jedoch Anfang Juni der Stadtrat: Er beschloss einen viergleisigen Bahntunnel zwischen Daglfing und Johanneskirchen, der insgesamt 970 Millionen Euro kosten wird.

800 Millionen werden an der Stadt hängen bleiben. Diese Investition soll nicht nur den Anliegern ein ruhigeres Leben ermöglichen: Die Verlegung von S-Bahn und Güterverkehr in den Untergrund sieht die Politik als zwingende Voraussetzung für das neue Quartier.

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Am 3. August werden die Planer die drei Varianten den betroffenen Bezirksausschüssen, den Nachbargemeinden und auch dem Landkreis vorstellen. Die Infoveranstaltung wird nicht öffentlich sein. Anschließend gehen die Unterlagen in den Stadtrat. Stimmt der am Jahresende zu, will Stadtbaurätin Merk mit diesen Ideen in die ausführliche Beteiligung der Öffentlichkeit gehen. Bis 2019 soll ein sogenanntes Strukturkonzept als Grundlage für künftige Bebauungspläne stehen. Wenn alles glatt läuft, könnten frühestens 2024 die ersten Bauarbeiten beginnen.

Zu den 30 000 Bewohnern könnten noch 6000 kommen, wenn der Pferdesport umzieht

Das Planungsreferat beabsichtigt nach jetzigem Stand, die 595 Hektar von Bogenhausen bis zum Stadtrand nicht mit Wohnungen zuzuklotzen. Alle drei Varianten enthalten einen hohen Anteil an Grünzügen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass dicht gebaut werden soll. Als Vorbild gilt ein beliebtes Wohnviertel wie Schwabing. Dort wohnen etwa 15 000 Menschen auf 100 Hektar. "Reihenhäuser wird es nicht geben können", sagte Merk.

Irgendwo hinter den Tribünenhäusern der riesigen Galopprennbahn in Riem liegt eine nicht minder riesige Trainingsbahn. Die will - und muss - der Münchener Rennverein irgendwann zu Geld machen. Womöglich entstehen dort mehrere tausend Wohnungen. (Foto: Claus Schunk)

Vielmehr Wohnhäuser- oder Blöcke wie in den urbanen Vierteln in der Innenstadt. Sollte der Stadtrat aufgrund der großen Wohnungsnot die Reitanlagen in Riem und Daglfing auflösen, könnten nochmals Wohnungen für 6000 Menschen entstehen. Derzeit neigt das Planungsreferat aber dazu, den Pferdesport im Osten zu belassen. "Das Gedächtnis des Ortes mit der olympischen Reitanlage zu erhalten, das ist ein Ehrgeiz, den ich habe", sagte Stadtbaurätin Merk.

Die drei Varianten setzen völlig unterschiedliche Schwerpunkte bei den geplanten Bebauungsflächen. Nummer eins, genannt "Quartiere als Perlenkette", reiht die neuen Häuser wie an einer Schnur entlang der S 8 aneinander. Von Süd nach Nord würden so die alten Dorfkerne von Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen verbunden.

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Das würde auch ein Zusammenwachsen der nun von der S-Bahn getrennten Viertel und eine enge Verzahnung mit den bestehenden Quartieren bedeuten. Die U4 würde nur um drei Haltestellen verlängert und im Nordosten von Englschalking enden. Dazu käme eine zusätzliche Bus- oder Tramlinie in Nord-Süd-Richtung. Die Grünflächen liegen vornehmlich im Osten zwischen dem neuen Viertel und der Stadtgrenze.

Die Varianten zwei und drei konzentrieren die neuen Häuser im Süden des Siedlungsgebiets. Die Planidee "Beidseits des Hüllgrabens" schließt die Lücke von Englschalking über Riem bis zur Messestadt. Die U 4 erhält vier neue Haltestellen und endet schließlich im Bahnhof der U 2 in der Messestadt West. Ein Stopp ist unter anderen an der S 8 in Englschalking vorgesehen, ein anderer an der S 2 in Riem. Die Grünflächen liegen kompakt im Norden.

Die Variante drei mit dem Namen "Küstenlinie" sieht Grünzungen vor, die entlang von Bächen in die südlichen Wohnareale hineinreichen. Deshalb würden die Häuser teilweise weiter in den Norden gebaut. Das neue Quartier wird im Osten an das Dorf Dornach anschließen. Die U4 würde ebenfalls bis zur Messestadt verlängert.

Auch wenn der Weg bis zum Baubeginn ein langer und mühevoller sein wird, Stadtbaureferentin Merk findet ihn spannend. Keine andere deutsche Großstadt stemme derzeit ein Projekt dieser Größenklasse. München mit seiner Wohnungsnot könne froh sein, so ein großes Gebiet überplanen zu können. "Gigantisch toll, dass wir so etwas haben."

© SZ vom 28.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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