Terrorverdacht gegen Paar aus München:Rätselhafte Reise mit Wiederkehr

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  • In München musste die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen ein Paar einstellen, das sich 2014 im syrischen Kampfgebiet aufgehalten hatte.
  • Die Sicherheitsbehörden sind extrem wachsam angesichts der hohen Zahl von Deutschen, die sich Extremistenmilizen wie dem Islamischen Staat (IS) anschließen und nach einiger Zeit zurückkehren.

Von Christian Rost, München

Die Sicherheitsbehörden sind extrem wachsam angesichts der hohen Zahl von Deutschen, die sich in Syrien und dem Irak Extremistenmilizen wie dem Islamischen Staat (IS) anschließen und nach einiger Zeit in die Bundesrepublik zurückkehren. Bis zu 200 Ermittlungsverfahren laufen derzeit gegen solche Personen.

Auch Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warnte am Montag vor den Anwerbeversuchen des IS. In München musste die Staatsanwaltschaft jetzt allerdings ein Strafverfahren gegen ein Paar einstellen, das sich 2014 im syrischen Kampfgebiet aufgehalten hatte. Der Fall zeigt, wie schwierig es ist, mutmaßlichen Islamisten die Beteiligung an Straftaten im Ausland nachzuweisen.

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Die 33-jährige H. nimmt ihren Sohn mit ins Kampfgebiet

Samil A. und Farah H. waren im August vorigen Jahres über die Türkei nach Syrien gereist. Die 33-jährige H., eine Deutsche mit irakischen Wurzeln, hatte München aus Frust über das Ende einer früheren Beziehung verlassen und ihren achtjährigen Sohn in das Kampfgebiet mitgenommen. Sie wurde ebenso wie ihr damaliger 20-jähriger Freund, ein gebürtiger Münchner mit Eltern aus der Türkei, verdächtigt, sich dem bewaffneten Kampf anschließen zu wollen.

Nach der Aussage von Farah H. kamen sie tatsächlich zumindest in Kontakt mit den IS-Terroristen. In der syrischen Stadt Rakka sei sie von ihrem Freund getrennt und in eine Unterkunft nur für Frauen gebracht worden. Sie hätte dort drei Monate bis zum Ende der Ausbildung von Samil A. zum bewaffneten Kampf bleiben sollen. Wie ihr Freund habe auch sie unter Beobachtung gestanden. Ausländer, die sich dem IS anschließen wollen, werden zunächst als mögliche Spione angesehen und in einer Observationsphase getestet.

"Wenn man Krieg nicht gewohnt ist, hat man schnell genug davon"

Bereits nach drei Wochen soll Farah H. das Gebiet schon wieder verlassen haben. "Ihr hat es dort nicht gefallen", sagt eine mit dem Fall vertraute Person. "Wenn man Krieg nicht gewohnt ist und mitbekommt, dass in unmittelbarer Nähe Bomben einschlagen, hat man schnell genug davon." Auch Samil A., der seinerzeit in München in der Fußgängerzone kostenlose Koran-Exemplare verteilte, wollte nicht im Kriegsgebiet bleiben. Im Oktober 2014 trat das Paar mit Kind per Zug die Rückreise nach Deutschland an.

Zu diesem Zeitpunkt hatten Geheimdienste das Paar längst ins Visier genommen. Aus dem Internet waren Fotos herausgefiltert worden, die Samil A. im Umgang mit scharfen Waffen zeigen sollen. In Österreich ging die Reise dann abrupt zu Ende: Am Bahnhof Maria Elend im Rosental nahm die österreichische Spezialeinheit Cobra das Paar und den Buben aus dem Zug heraus fest. Das Kind kam zu Verwandten von Farah H., sie und ihr Freund wurden nach Deutschland ausgeliefert und saßen monatelang in Untersuchungshaft.

Die Münchner Staatsanwaltschaft warf ihnen die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat im Ausland vor, wobei im Fall von Farah H. aufgrund ihrer Aussage rasch deutlich wurde, dass sie aus persönlichen Motiven ihr Leben ändern wollte und sich nicht etwa für den Kampf des IS begeistert hatte. Gegen Samil A. bestand indessen weiter der Verdacht, er habe sich an Kämpfen im syrisch-irakischen Grenzgebiet beteiligt oder sei zumindest dazu fest entschlossen gewesen.

"Was sie dort genau gemacht haben, weiß man aber nicht"

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Er selbst stritt das ab. Auch die Vermutung, dass er sich in einem IS-Ausbildungscamp befunden habe, ließ sich nicht belegen. Einzig, dass sich das Paar in einem vom IS kontrollierten Gebiet aufgehalten hatte, stand fest. "Was sie dort genau gemacht haben, weiß man aber nicht", so Judith Henkel, Sprecherin der Staatsanwaltschaft München I. Beide Strafverfahren wurden schließlich "mangels hinreichendem Tatverdacht" eingestellt. Die Beschuldigten kamen frei.

In Sicherheitskreisen löste dies Kopfschütteln aus. Staatsschützer verorten Samil A. weiter in der radikalen Salafisten-Szene. Die Staatsanwaltschaft sagt dazu, dass nun alle präventiven Maßnahmen Sache der Polizei seien. Erst bei neuer Beweislage könnten die Ermittlungen wieder aufgenommen werden.

© SZ vom 04.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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