Sanierung:Initiative fordert mehr Lärm für München

Sanierung: Die Konflikte im Glockenbach- und Dreimühlenviertel um Alt und Neu werden manchmal an Hausfassaden sichtbar.

Die Konflikte im Glockenbach- und Dreimühlenviertel um Alt und Neu werden manchmal an Hausfassaden sichtbar.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Die Initiative "Mehr Lärm für München" demonstriert gegen die Gentrifizierung des Gärtnerplatzviertels. Im Fokus der Gruppe vor allem: Luxussanierungen.
  • Aus dem ehemaligen Arbeiter- und Rotlichtviertel wurde in den vergangenen Jahren ein Quartier für die Besserverdienenden.
  • Die Stadt hat einen entscheidenden Anteil an den Luxussanierungen: Sie verkaufte zum Beispiel das alte Heizkraftwerk in der Müllerstraße an den höchstbietenden Investor.

Von Thomas Anlauf

Es ist genau 20.30 Uhr, als die Bühne am Gärtnerplatz in warmem Licht erstrahlt. Eine fast schon bacchantische Szene, die von den nun angeschalteten Straßenlaternen beleuchtet wird: Zwischen malerischen Blumenbeeten in Rot, Orange und Gelb sitzen und stehen junge Menschen, meist mit Bierflaschen in der Hand, und reden, lachen, gestikulieren. Das Ensemble rund um den 150 Jahre alten Schalenbrunnen wechselt allabendlich, genauso wie das Publikum, das jetzt an warmen Sommerabenden vor den Lokalen im Rund des Gärtnerplatzes sitzt.

Das Immobilienunternehmen Engel & Völkers wirbt auf seiner Münchner Internetseite mit einem großen Bild des prachtvollen Platzes: "In diesem Stadtteil wird die Nacht gerne zum Tage gemacht, denn hier gibt es zahlreiche Bars und Clubs." Das quirlige Leben im Gärtnerplatz- und Glockenbachviertel dient also offensichtlich als Verkaufsargument für Immobilienmakler, die sich hohe Preise versprechen.

An diesem Sonntag will nun eine Münchner Initiative gegen Gentrifizierung in dem Szeneviertel nahe der Isar demonstrieren, ausgerechnet mit dem Namen "Mehr Lärm für München". Ihr Motto: "Gegen die Stilllegung der Stadt durch Luxussanierung."

"Luxussanierungen und -neubauten erobern einen Häuserblock nach dem nächsten", sagt Thomas Suren von der Initiative. "Musiker werden von den Straßen verwiesen, Plätze durch Streetworker ruhiggestellt und Subkultur an die Leine genommen. Man findet in München kaum Platz, wo man auch mal laut sein darf", findet Suren.

Tatsächlich sind seit 2014 in den Sommermonaten Konfliktmanager des Sozialreferats am Gärtnerplatz im Einsatz, um die Feiernden dafür zu sensibilisieren, dass die Anwohner auch ihre Nachtruhe wollen. Allerdings geschieht das nicht mit Drohungen, sondern vor allem mit Aufklärung. Trotzdem findet die Initiative, dass München "wortwörtlich stillgelegt" wird: So würden "kulturelle Freiräume, Restaurants, Kneipen und Clubs durch stilles Gewerbe ersetzt, welches pünktlich um 20 Uhr schließt".

Für die Demonstranten, die an diesem Sonntag um 18 Uhr zur "Krachparade" am Gärtnerplatz aufrufen, ist ein Sinnbild der Luxussanierungen in München das Neubau-Projekt "Glockenbachsuiten" an der Reichenbachbrücke mit 25 Eigentumswohnungen. Nach Angaben von Concept Bau sind die Suiten zu "100 % abverkauft" - zu Preisen, die sich ein Durchschnittsmünchner natürlich nicht leisten kann. Bis zu 14 000 Euro kostet der Quadratmeter, wo es vorher ein Restaurant mit Biergarten gab.

Auch wenn sich schnell Protest regte gegen diese "Wohnlichkeit im exklusiven Stil", wie Concept Bau schreibt, konnte die Stadt nichts unternehmen, auch wenn Stadtbaurätin Elisabeth Merk Verständnis für den Protest zeigte: Der Investor hatte Baurecht.

Bei einem anderen Projekt im Viertel war die Stadt hingegen aktiv an einer Luxussanierung beteiligt. Das ehemalige Heizkraftwerk an der Müllerstraße verkauften die Stadtwerke zum Höchstpreis, heute schwärmt die "Gesellschaft für moderne Einrichtung designfunktion" über den Wohnturm "The Seven": "Wer eines der zentrumsnahen Luxus-Domizile erwirbt, genießt unter anderem den Service eines Concierges und die Annehmlichkeiten des Day-Spa- und Fitness-Bereichs."

Die Chefin des Mietervereins und SPD-Politikerin Beatrix Zurek gestand vergangenes Jahr in einem SZ-Interview: "Die Stadt hätte früher überlegen können: Muss man wirklich alles zum Höchstpreis verkaufen?" Mittlerweile tut die Stadt das nicht mehr überall, doch den zweifelhaften Ruf, an der Gentrifizierung des Gärtnerplatzviertels beteiligt gewesen zu sein, wird sie wohl nicht mehr so schnell los.

Sicherlich hat auch die Verschönerung des Gärtnerplatzes vor zehn Jahren dazu beigetragen, dass aus dem einstigen Arbeiterviertel mitsamt Rotlichtmilieu ein Anziehungspunkt für immer mehr Menschen mit großem Geldbeutel wurde. Selbst die Fußballer des FC Bayern haben das Quartier vor Jahren entdeckt, zuvor residierten sie meist hinter hohen Hecken und Mauern in Grünwald oder im Fünfseenland.

Dass der lautstarke Protest gegen Luxussanierung im Gärtnerplatzviertel ausgetragen wird, wirkt dennoch seltsam: Das Quartier hat sich wohl unumkehrbar in ein Viertel der Besserverdiener gewandelt. Dagegen kündigt sich ganz in der Nähe gerade die nächste Stadtteilaufwertung an: Mitten im Bahnhofsviertel entstehen derzeit die "Theater Suiten". Die München Bau wirbt: "Lifestyle im Zentrum von München wartet auf Sie."

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