Arbeitsmarkt:Wie die Deutsche Bahn Flüchtlingen Jobs verschafft

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  • Mit Umschulungsprogrammen bildet die Deutsche Bahn Flüchtlinge für die Arbeit in ihren Werkstätten aus.
  • Das Auswahlverfahren ist aufwendig, da es schwierig ist, die Vorkenntnisse der potentiellen Mitarbeiter einzuschätzen.

Von Marco Völklein

Natürlich war Tarek Fradj nervös. Zwei Tage lang sollte er den Ausbildern der Deutschen Bahn (DB) zeigen, was er schon so alles kann aus seiner Zeit als Elektriker in Algerien. Mit einem Lötkolben umgehen? Kein Problem. Eine 230-Volt-Leitung verlängern? Ein Kinderspiel. Weitere Tests schlossen sich an, unter anderem ein Sprachtest, zudem eine Übung zur Teamfähigkeit.

"Am Ende", sagt der 36-Jährige, "habe ich bestanden". Nun macht er eine Ausbildung im ICE-Werk der Bahn an der Friedenheimer Brücke zum Elektroniker für Betriebstechnik. Und wenn er besteht, dann ist Tarek Fradj angekommen. In Deutschland. Am Ziel seiner Flucht.

Wie die Bahn die Mitarbeiter aussucht

Tarek Fradj ist einer von insgesamt 15 Flüchtlingen, die seit ein paar Tagen bei der DB eine Ausbildung absolvieren. Dabei setzt der Schienenkonzern ganz bewusst auf Flüchtlinge, die in ihren Heimatländern bereits in artverwandten Berufen oder Tätigkeitsfeldern gearbeitet haben. Und die nun während eines bis zu 28 Monate dauernden Umschulungsprogramms fit gemacht werden für den Job in den Werkstätten der Bahn.

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"Die größte Herausforderung", sagt Udo Franziszi vom Personalmanagement der DB, "war dabei, die richtigen Bewerber zu finden". Denn niemand könne sagen, ob ein Syrer oder ein Kongolese, der in seinem Heimatland als Elektriker gearbeitet hat, auch die nötige Vorbildung mitbringt, um sich bei der DB zum Facharbeiter weiterbilden zu lassen. Zumal die Zertifikate und Zeugnisse aus den Heimatländern oft nicht mit den deutschen Nachweisen vergleichbar sind. Fachleute der Industrie- und Handelskammer müssen nachprüfen, was davon anerkannt werden kann. Und was nicht.

Das alles kostet Zeit und Geld, weshalb bei dem DB-Programm unter anderen das Sozialreferat der Stadt München, die örtliche Bundesagentur für Arbeit (BA) sowie die IHK München und Oberbayern mitarbeiten. Das Programm sei als "Blaupause für uns selbst, aber auch für andere Unternehmen" gedacht, sagt DB-Personalvorstand Ulrich Weber. Sollte es Erfolg haben und ein Großteil der 15 Teilnehmer mit einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung die Werkstattteams der DB verstärken, soll es auf andere Bundesländer ausgedehnt werden.

"Wenn von außen keiner mehr hinzukommt, dann wird's eng"

BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker hofft zudem, dass sich andere Firmen ein Beispiel daran nehmen und versuchen, möglichst viele Flüchtlinge auszubilden oder zu qualifizieren. "Viele Unternehmen suchen händeringend Auszubildende", sagt Becker. Und er ergänzt: Bis zum Jahr 2030 wird die Zahl der Menschen in arbeitsfähigem Alter bundesweit um sechs Millionen sinken. "Wenn von außen keiner mehr hinzukommt", sagt Becker, "dann wird's eng". Der hiesige Arbeitsmarkt sei "auf Zuwanderung angewiesen".

Das Problem ist bloß, dass Angebot und Nachfrage irgendwie zusammenfinden müssen. DB-Manager Franziszi ließ über Sozialverbände Faltzettel in Flüchtlingsunterkünften verteilen, lud Interessenten zu Infotagen und den zweitägigen Auswahlverfahren ein. So konnte er herausfiltern, was die Bewerber können. Und was nicht. Wofür sie sich eignen. Und wofür nicht. "Aber eigentlich", sagt der DB-Mann, "ist das nicht unsere Aufgaben als Unternehmen". In großem Stil müsste das der Staat übernehmen. Damit die Flüchtlinge dann gezielt in die jeweiligen Branchen vermittelt werden können.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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