Prozess:Tote bei Feuer in Mietshaus: Angeklagter schweigt

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  • Seit Donnerstag steht Mohamed E. vor dem Landgericht München I und muss sich nach dem verheerenden Brand in der Dachauer Straße im November 2016 wegen Mordes in drei Fällen verantworten.
  • Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, aus Frust über Unordnung im Treppenhaus und das ständige Wechseln der Mieter eine Matratze in Brand gesetzt zu haben.
  • Eine Polizistin schildert vor Gericht, wie sie mit E. in der besagten Nacht in der Zeugensammelstelle in einem Hotel sprach.

Von Susi Wimmer, München

Eines ist Mohamed E. ganz sicher: ein Schwafler und Schönredner. Ein Mann, der herumredet, aber wenig zur eigentlichen Sache sagt. Aber ist Mohamed E. deshalb auch ein Mörder, der im November 2016 im Haus an der Dachauer Straße 24 eine Matratze angezündet und den Tod eines Vaters und seiner beiden Töchter verursacht hat? Seit Donnerstag steht der 43-Jährige vor dem Landgericht München I und muss sich wegen Mordes in drei Fällen verantworten. Es gibt keine Augenzeugen der Tat, keine handfesten Beweise. Mohamed E. steht zwischen Freispruch und lebenslanger Haftstrafe. Bei seinen polizeilichen Vernehmungen soll er sich in Widersprüche verstrickt haben. Ob er sich um Kopf und Kragen geredet hat, wird die Kammer unter dem Vorsitz von Richter Michael Höhne entscheiden.

Die Körpersprache des gebürtigen Libyers ist dynamisch und offen. Federnden Schrittes kommt er in den Gerichtssaal, versteckt sein Gesicht nicht, sondern formt Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand zu einem Victory-Zeichen, während Film- und Fotokameras auf ihn halten. Der Mann wirkt durchtrainiert, der verbliebene Haarkranz ist kurz geschoren, die Bartstoppeln sind schon leicht ergraut. "Er bestreitet den Vorwurf", sagt Rechtsanwalt Walter Lechner namens seines Mandanten. Mehr werde zur Sache selbst dann auch nicht gesagt.

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"Die Sache", das war ein verheerender Brand in der Nacht zum 2. November 2016 in der Dachauer Straße. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, aus Frust über Unordnung im Treppenhaus und das ständige Wechseln der Mieter eine Matratze in Brand gesetzt zu haben, das Feuer breitete sich dann im Haus aus. In jener Nacht soll E. gegen 1.30 Uhr das Haus verlassen haben, um aus seinem Auto das Handy-Ladekabel zu holen. Dabei sollen ihm Koffer und Tüten im Treppenhaus vor der Nachbarwohnung aufgefallen sein.

An der Eingangstüre sollen vier Unbekannte ihn gebeten haben, die Haustüre offenstehen zu lassen. Laut Staatsanwaltschaft soll sich Mohamed E. derart über das ständige "Kommen und Gehen" von Bewohnern zur Nachtzeit geärgert haben, dass er gegen 1.40 Uhr spontan eine Matratze packte, die auf dem Flur im zweiten Stock lehnte, und sie in das Zwischengeschoss zum dritten Stock zog. So habe er laut Anklage verhindern wollen, dass sein Hab und Gut im zweiten Stock beschädigt wird. Dann soll er sie mit einem Feuerzeug in Brand gesetzt haben.

Die Flammen griffen sofort auf das hölzerne Treppenhaus über. 39 Menschen befanden sich zu dieser Zeit in dem Mietshaus. Etliche konnten sich noch über das Treppenhaus retten, andere flüchteten auf umliegende Dächer oder klammerten sich an einer Außenfeuerleiter aneinander. Nur eine bulgarische Familie im fünften Stock des Hauses konnte der Flammenhölle nicht entkommen. Die Feuerwehr fand die Leichen von Aleksandar M. sowie die seiner neunjährigen Tochter Dona und der 16-jährigen Zaprinka im Gang ihrer Wohnung. Sie hatten versucht zu fliehen, waren aber im giftigen Rauch bewusstlos zusammengebrochen. Die schwangere Mutter hielt sich zum Unglückszeitpunkt in Bulgarien auf.

Eine Polizistin schildert vor Gericht, wie Mohamed E. ihr in der besagten Nacht in der Zeugensammelstelle in einem Hotel von den vier Personen im Treppenhaus berichtet habe, die zügig davon gegangen seien. "Er wirkte hektisch und hat sich nach allen Seiten umgeschaut", erzählt die Polizistin. E. habe gesagt, er habe Angst vor den Leuten im Haus. Später erzählte er, dass vor einem Jahr um 2 Uhr früh auch eine Matratze gebrannt habe. Woher er die Erkenntnis hatte, dass am 2. November die Matratze der Brandherd gewesen sein soll, bleibt offen.

Der Lebenslauf von Mohamed E. wirkt gradlinig, zumindest bis er nach Deutschland kam. Nach eigenen Angaben wuchs er in Tripolis in einem Elternhaus auf, in dem es an nichts mangelte. Nach dem Abitur studierte er Biologie, mit Spezialisierung auf Zoologie, und machte seinen Abschluss. Nachdem er seine in Deutschland lebende Cousine Iman kennengelernt hatte, habe er sich in sie verliebt und sei 1999 nach Deutschland gezogen.

In Hannover schlug er sich als Servicekraft und Lagerist durch. Die Ehe hielt fünf Jahre, nach der Scheidung zog er nach München, arbeitete als Dolmetscher. Zuletzt lebte er "vom Jobcenter" und wollte in der Sicherheitsbranche Fuß fassen. Nein, versichert er vor Gericht, er habe nie Probleme in dem Haus gehabt, in seinem Leben auch nicht. Der Prozess wird kommenden Dienstag fortgesetzt.

© SZ vom 09.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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