Prozess:Passant brutal verprügelt - Täter muss 120 000 Euro zahlen

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Das Sendlinger Tor in München, in dessen Nähe drei Schweizer Jugendliche am 01.07.2009 mehrere Passanten grundlos zusammengeschlagen und teils schwer verletzt haben sollen. (Foto: dpa)
  • Der Geschäftsmann aus Nordrhein-Westfalen wurde 2009 am Sendlinger-Tor-Platz grundlos von Schweizer Schülern angegriffen.
  • Bei der Attacke erlitt der Mann einen Abbruch des Gesichts- vom Hirnschädel, eine Gesichtshälfte wurde verschoben, dazu kam ein schweres Schädel-Hirn-Trauma.
  • Nun bekommt er vom Gericht ein Schmerzensgeld von 120 000 Euro zugesprochen.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Einem Mann wird bei einem Gewaltexzess so entsetzlich das Gesicht zertrümmert, dass allein die Beschreibung seiner Verletzungen und Operationen blankes Entsetzen auslösen kann. Niemals wird er sich von den Folgen wieder ganz erholen. Wie viel Geld kann für solch erlittenes Leid zugleich Ausgleich und Genugtuung sein? Das Oberlandesgericht München hat am Dienstag eine Summe festgelegt: 120 000 Euro spricht der 18. Zivilsenat einem 53-jährigen Geschäftsmann aus Nordrhein-Westfalen zu, der am 30. Juni 2009 am Sendlinger-Tor-Platz völlig grundlos von Schweizer Schülern angegriffen worden war.

Der inzwischen 24 Jahre alte Haupttäter hatte ihn ohne jegliche Vorwarnung mit einem Fausthieb zu Boden gestreckt und dann das Gesicht zertreten. 2010 war er wegen Mordversuchs zu sieben Jahren Jugendhaft verurteilt und 2014 entlassen worden. Das Opfer hatte ihn dann auf 200 000 Euro verklagt.

Bei der Attacke erlitt der Mann einen Abbruch des Gesichts- vom Hirnschädel, eine Gesichtshälfte wurde verschoben, dazu kam ein schweres Schädel-Hirn-Trauma: Dreimal musste der Geschäftsmann operiert werden; allein fünf Stunden dauerte es, das Gesicht wiederherzustellen und mit acht Titanplatten und Draht-Kunststoffschienen zu fixieren. Es folgten weitere Eingriffe, damit der Mann wieder selbständig essen konnte, hören kann er nur mithilfe eines Implantats. Spannungskopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und ein gestörtes Kurzzeitgedächtnis werden ihn immer an den brutalen Überfall erinnern.

"Nach Auffassung des Senats ist ein Schmerzensgeld von 120 000 Euro erforderlich"

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Vor dem Landgericht München I hatte das Opfer den Haupttäter und dessen Komplizen auf Schmerzensgeld verklagt. 80 000 Euro hielt im Juni 2015 die 26. Zivilkammer für angemessen. Der Mann legte Berufung beim Oberlandesgericht München ein, forderte wenigstens 120 000 Euro mehr. Doch mit dem Urteil vom Dienstag erzielte er nur einen Teilerfolg.

Der OLG-Senat sieht, wie zuvor das Strafgericht und dann die erste Zivilinstanz, den beklagten Schweizer und seinen Komplizen als Täter. Der Senat hatte dazu in einer ergänzenden Beweisaufnahme noch Zeugen angehört. Nun hält das OLG es für erwiesen, dass der Hauptbeklagte sein Opfer zunächst mit der Faust von der Seite ins Gesicht geschlagen und dem zu Boden gegangenen Mann anschließend einen äußerst wuchtigen Tritt mit dem Spann oder unteren Schienbein gegen die rechte Gesichtshälfte versetzt hat.

"Im Hinblick auf die Brutalität der Tat und der Schwere der vom Kläger erlittenen Verletzungen", sei das in erster Instanz zuerkannte Schmerzensgeld von 80 000 Euro "deutlich zu gering", heißt es nun. "Nach Auffassung des Senats ist ein Schmerzensgeld von 120 000 Euro erforderlich, aber auch ausreichend." Schmerzensgeld solle zum einen dem Verletzten einen Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden bieten, erklärt das Gericht. Darüber hinaus solle es ihm "Genugtuung für das verschaffen, was der Schädiger ihm angetan hat".

Die Alkoholisierung des Täters rechtfertigt nach Meinung des OLG-Senats keine Minderung des Schmerzensgeldes. Und angesichts der überaus großen Brutalität der ohne jeden Anlass begangenen vorsätzlichen Tat komme auch eine Reduzierung des angemessenen Schmerzensgeldes wegen derzeit schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse des Beklagten nicht in Betracht.

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Für 40 000 Euro des Gesamtbetrages muss auch der Komplize mithaften. Darüber hinaus wurde der Haupttäter verurteilt, seinem Opfer alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die durch diese Tat verursacht worden sind. Die Revision gegen das Urteil (AZ.: 18 U 3489/15) hat der Senat nicht zugelassen.

© SZ vom 03.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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