Olympiadorf:Müllsauganlage seit September kaputt: "Wir sind wütend"

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Bewohner des Olympiadorfs klagen, dass die provisorisch aufgestellten Abfallcontainer Ratten anziehen. Ob die Anlage überhaupt wieder in Betrieb geht, ist ungewiss.

Von Jana Heigl, Olympiadorf

Wie viel Zeit man damit verbringt, die Weihnachtsgeschenke sorgfältig einzupacken, bloß, damit das schöne Papier am nächsten Tag - schwupps! - zerknüllt in die nächste Tonne fliegt. Die ächzt und stöhnt unter den zusätzlichen Müllbergen. Bis zu zehn Prozent mehr Abfall produzieren die Deutschen an Weihnachten laut dem Bundesverband für Sekundärrohstoffe und Entsorgung. Bleibt bloß zu hoffen, dass die Tonne nicht in die Knie geht.

Im Olympiadorf ist das bereits passiert: Die dorfeigene Müllsauganlage hält schon seit September die Luft an, ganz ohne Weihnachtsmüll. Eigentlich saugen vier kräftige Motoren den Hausmüll durch ein drei Kilometer langes Labyrinth aus Rohren. Eigentlich. Zu oft stopften Bewohner Verpackungskartons, Teppiche oder überdimensionierte Plastikkanister in das viel zu enge Rohr. Damit sägten sie an ihrem eigenen Bequemlichkeits-Ast: Alle Bewohner müssen seither auf die komfortable Müllklappe verzichten, hinter der ihr Müll bisher verschwand.

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Seit dem Kollaps rottet der Müll im Rohrlabyrinth des Olympischen Dorfes vor sich hin, die Reinigung und die nötigen Reparaturen werden mehr als 500 000 Euro kosten. Bevor das nicht erledigt ist, müssen alle weiteren Untersuchungen warten. "Wir sind wütend", schildert Monika Mühlenbeck-Krausen von der Eigentümer-Interessens-Gesellschaft (EIG) die Stimmung im Dorf. "Ein paar üble Typen haben dieses schöne System an die Wand gefahren." Es steht in den Sternen, ob die Anlage überhaupt wieder in Betrieb genommen wird. Was in den 1970er Jahren avantgardistisch war, ist mittlerweile verrostet und alt; die Rohrwände sind an manchen Stellen nur noch drei Zentimeter dick - anstatt der ursprünglichen zehn Zentimeter. Bevor die Anlage wiederbelebt werden kann, muss das repariert werden.

Herbert Hantelmann, Geschäftsführer der Olympiadorf-Betrieb-Beteiligungs-GmbH (ODBG), sieht das Wiederanlaufen der Müllsauganlage kritisch. "Die fehlende Mülltrennung ist ein K.o.-Kriterium", gibt er zu. "Wir können hier Millionen investieren und haben nach drei Wochen wieder das gleiche Problem." Es wäre demnach naiv zu glauben, dass sich das Trennverhalten plötzlich ändern würde. Vor allem, wenn jemand in den provisorisch aufgestellten Restmüllcontainern bereits eine ganze Couch entsorgt hat.

Abgesehen davon, dass alleine die Stilllegung der Anlage Millionen kostet, kann Hantelmann selbst mit der Zustimmung der Gesellschafter die Müllsauganlage nicht einfach abstellen: Sie ist in der Teilungserklärung enthalten; die Bewohner haben das Recht, dass die Anlage betrieben wird. Für Rollstuhlfahrer oder ältere Menschen beispielsweise war die barrierefreie Müllentsorgung wichtig; jetzt stehen sie vor der Herausforderung, den schweren Deckel der Restmüllcontainer hochzustemmen. Solange keine anwaltliche Prüfung stattgefunden hat, ist also auch ans Abschalten nicht zu denken.

Nichts geht mehr: Die Absauganlage ist verstopft und funktioniert nicht mehr. (Foto: Privat)

Damit der Komfort für die Anwohner gleich bleibt, gibt es laut Hantelmann theoretisch die Möglichkeit, die Rohre neu zu ziehen. Davon verspricht er sich für circa vier Millionen Euro besseren Zugang durch enger gesetzte Kontrollschächte. Allerdings ist bisher noch nicht einmal klar, ob dabei alle Häuser erschlossen werden können. Selbst wenn man die neuen Rohre in den Trassen der alten Leitungen verlegt und damit ein Großteil der Bewohner wieder den gleichen Komfort wie vor dem Kollaps hätte - Mülltrennung wäre auch mit den moderneren Abfallrohren nicht möglich. Es würde vermutlich schnell wieder zu Verstopfungen kommen.

Die provisorischen Abfallcontainer sind einigen Dorfbewohnern ein Dorn im Auge. Mühlenbeck-Krausen beschreibt sie mit leicht angeekelter Stimme als "grottenhässlich". Durch sie würden Ratten und anderes Ungeziefer ins Dorf gelockt. Diese Gefahr wurde bisher durch die Müllsauganlage verhindert. Doch die Container stellen nicht nur optisch ein Problem dar: Die charakteristisch verschlungenen Wege im autofreien Dorf sind nicht für Müllfahrzeuge ausgelegt. Die müssen derzeit unter viel Lärm an den Feuerwehrstraßen einfahren. Dennoch sieht Hantelmann hier die einzig zukunftsträchtige Lösung - auch wenn sie weniger bequem ist. Damit die schweren Müllautos nicht ins Olympische Dorf fahren müssen, könnte die ODBG die Tonnen an einen zentralen Ort schleppen, wo sie der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWM) abholt. Bevor diese Idee umgesetzt werden kann, muss die Feuerwehr prüfen, ob dadurch brandschutztechnische Probleme entstehen. In Kombination mit Unterflurcontainern könnte man die Abfallentsorgung im Dorf so effizienter gestalten.

Unterflurcontainer sind im Boden versenkte Müllcontainer mit einer unscheinbaren Einwurfsäule, die nicht viel größer ist als ein Papierkorb. "Sie sind barrierefrei, schauen besser aus als ein Mülltonnenhäuschen und es gibt keine Schmuddelecken mehr", erklärt Heino Jahn, Leiter der Logistik beim AWM. "Wir schlagen viele Fliegen mit einer Klappe." Ob die Unterflurcontainer im Olympischen Dorf überhaupt umgesetzt werden können, ist laut Jahn noch unklar. Weil die Container bei der Leerung mit einem kleinen Kran herausgehoben werden, kommen viele Stellen, wie beispielsweise die Flachbereiche mit den Bungalows und den niedrigen Fußgängerbrücken, gar nicht in Frage.

Bis entschieden wird, was mit der Müllsauganlage passiert, wird es noch einige Monate dauern. Es gibt im Olympiadorf indes viele Bewohner, die sich ihre Müllsauganlage zurückwünschen - manche um jeden Preis. "Das unschlagbare Argument ist, dass es unfassbar bequem ist", sagt Monika Mühlenbeck-Krausen. Gerade bei Schnee und Kälte braucht man keinen Fuß vor die Tür setzen. Trotz aller Bedenken muss auch Herbert Hantelmann zugeben, dass er die Anlage gerne wieder anwerfen würde. "Das ist etwas, das sonst niemand hat", sagt er stolz. "Wenn wir könnten, wir würden's wieder probieren."

© SZ vom 21.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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