Obermenzing:Münchens einziger Tierfriedhof soll Ackerland weichen

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Ein Unding angesichts von 50 000 Hunden und 100 000 Katzen, finden zwei CSU-Räte. Sie sehen die Stadt in der Pflicht, eine würdige letzte Ruhestätte zu schaffen.

Von Melanie Staudinger, München

Wolfgang Müller erkennt die Frau, die da eben sein Grundstück betreten hat. "Du hast Geburtstag, oder?", fragt er. "Ja, gestern", sagt die Frau. Und heute sei der Todestag ihres Hundes. 13 Jahre ist es her, dass das Tier gestorben ist. Seitdem liegt es hier auf einem eingezäunten Areal nahe dem Hallbergmooser Bahnhof begraben, auf dem Tierfriedhof. Seine frühere Halterin kommt immer noch regelmäßig, sammelt Laub vom Grab, schneidet die Pflanzen. "Für die Menschen, die ihre Tiere bei mir begraben lassen, war das Haustier ein Familienmitglied", sagt Müller, der den Tierfriedhof seit 2004 betreibt.

Gut 1000 Haustiere, meistens Hunde und Katzen, aber auch Ratten, Kaninchen und eine Schildkröte hat er unter die Erde gebracht. Und trotzdem kennt er fast alle Namen und Geschichten seiner Kunden.

Bald wird Müller der einzige Tierfriedhof-Besitzer im Großraum München sein - und ohne sein direktes Zutun ist er plötzlich in ein Politikum verwickelt. Denn die zweite Einrichtung, die "Letzte Ruhe" in Obermenzing, soll schließen, Eigentümer und Pächter haben den Vertrag nicht verlängert. Spätestens 2025 soll das Gelände am Breiten Weg unweit der Autobahn A 8 aufgegeben sein und wieder als Ackerfläche genutzt werden, wie es heißt.

Tierfriedhof Hallbergmoos
:Ein Ort der Trauer um Hunde und Katzen

In Hallbergmoos sind gut 1000 Haustiere bestattet, darunter auch Ratten, Kaninchen und eine Schildkröte.

Das hat nicht nur im Bezirksausschuss Aufregung ausgelöst, in dessen Sitzung Anfang Mai gleich etliche Tierfreundinnen aufmarschierten und den Verlust der Grabstätten ihrer Lieblinge beklagten. Sie fürchten, bald keinen Ort mehr für ein würdiges Gedenken zu haben. Andere wiederum wissen nicht, was sie tun sollen, wenn ihr Tier stirbt. Denn anders als auf dem Land besitzen Stadtmenschen in der Regel eben keinen eigenen großen Garten, in dem sie Hund oder Katze beerdigen könnten.

Den Tierbesitzern springt nun die CSU zur Seite. Die Stadträte Frieder Vogelsgesang und Evelyne Menges fordern, dass die Stadt selbst einen Tierfriedhof betreiben soll - entweder auf der bestehenden Grabstätte in Obermenzing oder an einem anderen Ort in München. Etwa 50 000 Hunde und mehr als 100 000 Katzen leben laut Menges mittlerweile in der Stadt. "München wächst, und damit wird auch die Zahl der Tiere größer", sagt sie.

Gleichzeitig hätten Tiere für ihre Besitzer eine immer größere Bedeutung. "Für viele Menschen sind Haustiere vollwertige Familienmitglieder", glaubt Menges. Sie bräuchten einen würdigen Ort, an dem sie ihre Trauer bewältigen könnten. Einen konkreten Standort habe sie noch nicht im Blick. "Da soll sich jetzt einmal die Verwaltung kümmern", sagt Menges. Ideen könnte sich das Rathaus zum Beispiel in Kiel, Baden-Baden oder Erfurt holen, wo es kommunale Tierfriedhöfe gebe. Danach wird der Stadtrat über das Thema beraten.

In Riem entstand in der Siebzigern das erste Tierkrematorium in Deutschland

Generell haben Münchner drei Möglichkeiten, wie sie mit ihrem verstorbenen Tier umgehen können, wenn sie es nicht bei sich im Garten beerdigen wollen. Sie können es anonym in die Tierkörperbeseitigung geben oder es sehr persönlich auf einem Friedhof bestatten lassen. Ein anonymes Grab ist von 150 Euro an zu haben, ein individuelles kostet 250 Euro und mehr. Ein Mittelweg ist die Einäscherung, zum Beispiel im Krematorium "Tiertrauer", dem ersten Tierkrematorium deutschlandweit, das in den Siebzigerjahren in Riem am Tierheim entstanden ist. "Heute gibt es mehr als 20 Tierkrematorien", sagt Betriebsleiter Wolfgang Duckstein. Das zeige schon, welche Bedeutung Haustieren heute beigemessen werde.

Konsequent also, dass die meisten Tierbesitzer mittlerweile eine Einzeleinäscherung, die zwischen 70 und 350 Euro je nach Tierart und Körpergewicht kostet, der Sammeleinäscherung (29 bis 250 Euro) vorziehen und die Urne mit nach Hause nehmen. "Die Menschen kommen aus einem Radius von 150 bis 200 Kilometern zu uns", sagt Duckstein.

Müllers Kunden nehmen ebenfalls zum Teil sehr weite Wege auf sich bis nach Hallbergmoos. Prominente Münchner sind darunter, Pfarrerinnen und auch Rentner. "Eine Frau reist einmal im Monat mit dem Zug aus Garmisch an", sagt Müller. Er hat der Stadt München angeboten, den Friedhof in Obermenzing zu übernehmen. "Reich wird man damit nicht, aber ich würde es den trauernden Menschen zuliebe tun", sagt er. Auch seinen bestehenden Friedhof betreibt er nur nebenbei, hauptberuflich arbeitet der 55-Jährige in der Sicherheitsbranche.

Müller hofft auf eine schnelle Lösung im Friedhofsstreit. Denn Tiere, die in Obermenzing liegen, dürften nicht exhumiert und nach Hallbergmoos umgebettet werden. Darüber habe er sich auf Wunsch einiger Tierfreunde bereits informiert. Einer Ackernutzung stehen die Kadaver später nicht im Weg. Denn tote Tiere werden mindestens einen halben Meter tief begraben, so tief pflügen Landwirte nicht.

© SZ vom 04.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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