Neuhausen:Treffpunkt der Weißen Rose droht der Abriss

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Die stattliche Villa - ein "Juwel" in den Augen der Nachbarn - ließ sich Anfang des 20. Jahrhunderts der Porträtmaler Richard Benno Adam bauen. (Foto: Catherina Hess)

Eine Villa an der Prinzenstraße, in der sich einst die Widerstandsgruppe traf, soll einem Mehrfamilienhaus weichen. Nachbarn schlagen Alarm.

Von Alfred Dürr, Neuhausen

Vor einem halben Jahr wurde in Giesing das unter Denkmalschutz stehende Uhrmacherhäusl illegal abgerissen. Das hat nicht nur in der unmittelbaren Nachbarschaft für große Empörung gesorgt. Noch immer sind Bürger weit über die Stadtviertel-Grenze hinaus wegen der dreisten Aktion aufgewühlt. "Giesing" darf sich nicht wiederholen, beteuern die Politiker bis hinauf zum Oberbürgermeister. Doch nun gibt es in Neuhausen einen neuen Streitfall um den möglichen Abriss eines historischen Gebäudes.

An der Prinzenstraße 30 stehe die Zerstörung eines besonders schützenswerten Hauses bevor, befürchtet Egon Minar. Er wohnt in unmittelbarer Nachbarschaft, und er spricht für zahlreiche weitere Anwohner im Umfeld der Villa.

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Franz Schröther, Vorstand des Vereins Neuhauser Geschichtswerkstatt, hat die Geschichte des "Hauses Adam" beschrieben. Demnach hat der angesehene Porträt- und Pferdemaler Richard Benno Adam das Wohnhaus an der Prinzenstraße bauen lassen, in das er 1911 mit seiner Familie einzog. 1940 mietete der Architekt Otto Berndl mit seiner Frau Lilo im ersten Stock eine Wohnung. Dort trafen sich später führende Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose, um ihre Aktionen gegen das NS-Regime zu koordinieren.

Seit Ende Februar liegt der Stadt ein Abbruchantrag für das Haus vor. Die alte Villa soll durch ein Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage ersetzt werden. "Das Gebäudejuwel soll mutwillig aus Profitgier zerstört werden", sagt Minar. Ihn und seine Mitstreiter beunruhigt besonders, dass bereits alte Bäume auf dem Grundstück teilweise schwer beschädigt worden sind.

Thorsten Vogel vom städtischen Planungsreferat bestätigt, dass die Untere Naturschutzbehörde eingeschaltet ist. Eine Eiche sei so stark gestutzt worden, dass sie wohl nicht mehr zu retten ist. Ein Bußgeldverfahren sei eingeleitet. "Auf dem Grundstück dürfen keine Bäume gefällt werden", sagt Vogel. Das betreffe auch eine alte Kastanie: "Dem Bauherrn wurde mitgeteilt, dass er sie erhalten muss."

Die Villa an der Prinzenstraße liegt im Ensemble "Villenkolonie Rondell Neuwittelsbach" und in der Nachbarschaft von Einzeldenkmälern. Damit sei das Gebäude in seinem Volumen und in seinem Erscheinungsbild geschützt, sagt Dorothee Ott vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Für eine Veränderung - dazu zählt auch ein Abbruch - ist also eine denkmalrechtliche Erlaubnis erforderlich. Über diese hat die Untere Denkmalschutzbehörde der Landeshauptstadt München zu entscheiden. Letztlich geht es um die Abwägung, ob das Haus einen so hohen Wert hat, dass es erhalten werden muss oder ob es diesen Wert nicht hat und abgerissen werden kann.

Das Landesamt prüft zur Zeit, ob die Villa die Voraussetzungen erfüllt, damit man sie als Einzeldenkmal eintragen kann. Dabei kommt es nicht nur auf die baulichen Gegebenheiten an. "Die Villa ist durch die Verbindung zur Weißen Rose immerhin ein Ort von hoher geschichtlicher Bedeutung", sagt Ott.

"Nicht ausgeschlossen, dass plötzlich der Bagger anrollt"

In einem anderen Fall hatte es bereits Auseinandersetzungen um die historische Bedeutung eines nach außen hin unscheinbar wirkenden Wohn- und Geschäftshauses an der Leopoldstraße gegeben. Dort hatte von 1914 bis 1928 der Schriftsteller Heinrich Mann gelebt und gearbeitet. Dieses vom Abriss bedrohte Gebäude müsse unter besonderen Schutz gestellt und gerettet werden, obwohl es baulich kein Denkmal sei, fordert der Verein Altstadtfreunde. Noch ist keine Entscheidung über die Zukunft dieses Hauses gefallen, da noch langfristige Mietverträge bestehen.

Die Nachbarn der Prinzenstraße 30 drängen allerdings auf einen raschen Schutz der Villa. Sie baten bereits Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und die Grünen im Bezirksausschuss dringend um Unterstützung. Mitglieder der Grünen-Stadtratsfraktion haben an Reiter eine offizielle Anfrage zu dem Haus gerichtet. Sie wollen unter anderem wissen, ob der Verwaltung der hohe Wert des Anwesens bekannt ist. Egon Minar: "Es muss schnell gehandelt werden, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass plötzlich der Bagger anrollt und das Haus wegräumt."

Hier kann man den Bogen zu den Ereignissen in Giesing schlagen. "Der Fall dort zeigt, dass ein illegaler Abriss nicht ohne Folgen bleibt", sagt Thorsten Vogel. Die Botschaft der Stadt sei eindeutig: "Wir lassen so etwas auf keinen Fall durchgehen."

© SZ vom 21.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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