München:Wie das Bahnhofsviertel sicherer werden soll

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Nachts im Münchner Bahnhofsviertel: In der Gegend gibt es zunehmend Probleme. (Foto: Robert Haas)
  • Seit gut zwei Jahren gebe es einen "gravierenden Anstieg" der Kriminalität rund um den Hauptbahnhof: Offene Prostitution, Drogenhandel, Alkoholexzesse, organisiertes Betteln.
  • Geschäftsleute und Hotelbetreiber im Viertel machen sich nicht mehr nur Sorgen, sie sind rundheraus wütend.
  • Sie beklagen, dass die Münchner Polizei zu wenig unternehme und hoffen nun auf den neuen KVR-Chef Thomas

Von Thomas Schmidt

Fritz Wickenhäuser kennt sich aus im Münchner Bahnhofsviertel, und trotzdem hat er vor wenigen Tagen etwas Neues dazugelernt. "In den vergangenen zwei Wochen wurde ich tagsüber mehrmals akquisitorisch angesprochen", drückt er sich vornehm aus. Was er meint, ist nicht ganz so vornehm, Wickenhäuser spricht nämlich von Prostituierten. "Dabei habe ich gelernt, wie die Wortwahl im Gewerbe ist. Die Damen fragen alle: Geh' ma?" Fritz Wickenhäuser ist der Chef des Vereins Südliches Bahnhofsviertel, und er denkt nicht daran, zu gehen. Stattdessen versucht er, sich zu wehren.

Offene Prostitution, Drogenhandel, Alkoholexzesse, organisiertes Betteln - seit gut zwei Jahren gebe es einen "gravierenden Anstieg" der Kriminalität rund um den Hauptbahnhof, warnt Wickenhäuser. In Andreas Lorenz hat er einen Verbündeten gefunden im Kampf um die Sicherheit und Sauberkeit des ansonsten so bunten und lebendigen Viertels. Lorenz sitzt seit 2008 für die CSU im bayerischen Landtag und ist Mitglied des Ausschusses für Innere Sicherheit. "Das geht so nicht weiter", ärgert er sich.

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Die Polizei, sagt Lorenz, kenne das Problem. Aber sie tue zu wenig dagegen. Die Sicherheitslage habe sich "wesentlich verschlechtert". "Wenn nach zwei Jahren das bekannte Problem nicht behoben ist, ist das Anlass zur Kritik, ob die Polizei da mit genügend Nachdruck unterwegs ist." Das Münchner Polizeipräsidium müsse "die Priorität stärker darauf richten und andere Dinge wie die Verkehrsüberwachung dann vielleicht sein lassen". Wenn sich die Lage im Bahnhofsviertel nicht bald bessere, könne es zu einer kriminellen "Sogwirkung" kommen.

Schon klar, in München sei die Lage bei Weitem nicht so schlimm wie in anderen deutschen Großstädten, sagt Lorenz, "aber wir wollen uns nicht mit Hamburg oder Berlin vergleichen. Der FC Bayern schaut doch auch nicht auf das, was Fortuna Düsseldorf oder Hertha BSC machen".

Der CSU-Politiker fordert eine deutlich stärkere Polizeipräsenz, er will "die Helligkeit in den Straßen erhöhen", häufiger Reinigungstrupps losschicken, und er fordert mehr Videoüberwachung. Bislang sei nur eine einzige Kamera auf eine kritische Stelle vor dem Bahnhof gerichtet, in den angrenzenden Straßen dagegen gebe es überhaupt keine. Inzwischen prüfe das Kreisverwaltungsreferat zudem einen Antrag, öffentliches Alkoholtrinken rund um den Bahnhof zu untersagen - auch das sei längst überfällig.

Geschäftsleute und Hotelbetreiber im Viertel machen sich nicht mehr nur Sorgen, sie sind rundheraus wütend. "Spaß macht es nicht mehr", sagt der Betreiber eines Handyladens. "Die Kundschaft bleibt weg, Frauen werden blöd angemacht, es wird schlimmer und schlimmer", schimpft er - und betont im selben Atemzug: "Mit den Flüchtlingen hat das nichts zu tun." Eine Hotelbetreiberin ringt mit ihrer Fassung. "Es ist zum Weinen", klagt sie.

Michael Grill von der Theatergemeinde an der Goethestraße sieht die Schuld vor allem beim Kreisverwaltungsreferat. Immer wieder habe er dort um Hilfe gebeten, "aber die sehen keinen Grund zum Eingreifen". Jetzt hoffe er auf den neuen Kreisverwaltungsreferenten Thomas Böhle. "Ich will kein Law and Order", sagt Grill, "aber wir müssen das Viertel in seiner wunderbaren Vielfalt retten."

Nicht zuletzt sei das auch eine Frage des Images, sagt Wickenhäuser, der nicht nur dem Bahnhofs-Verein vorsitzt, sondern auch zwei Hotels managt. Rund um den Hauptbahnhof gebe es 18 000 Hotelbetten. Welches Bild von der Landeshauptstadt, welches Bild von Bayern wolle man den Gästen aus aller Welt denn da präsentieren, fragt Wickenhäuser. Um die Probleme endlich konsequenter anzupacken, habe er sich bereits mit dem Münchner Polizeipräsidenten Hubertus Andrä getroffen, erzählt der Hotelchef. Der habe auch ein offenes Ohr für ihn gehabt. Doch Tags darauf hatte die Polizei ganz andere Sorgen. Es war der Tag des Amoklaufs am Olympia-Einkaufszentrum.

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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