München:Harter Tobak in der Bowl

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Sofija Pantelić hat sich einen Platz in der männlich dominierten Skate-Szene erkämpft. Sie will jungen Frauen den Weg ebnen

Von Stefanie Witterauf

Von Männern dominiert war Sofija Pantelićs Leben schon immer. Das liegt nicht daran, dass sie mit Mädchen in ihrem Alter nicht klarkäme. Nein. Es liegt vielmehr an ihren Hobbys. Mit ihrem Brett hat sich die 19-Jährige einen Platz in der überwiegend männlichen Skate-Szene der Stadt erkämpft. Pantelić gehört damit zur Minderheit. Doch will sie etwas daran ändern und gibt Skate-Workshops. Eigens für Frauen.

Die Skater-Szene ist ein raues Pflaster, das weiß auch der ehemalige Skate-Weltmeister Tobias Kupfer, der mit dem Skateboarding Verein eine Basis für Münchner Skater geschaffen hat. "Der Sport an sich ist ein recht harter Tobak und immer mit Schmerzen verbunden. Das schreckt wohl viele Mädchen ab", sagt er. Bei diesem Sport steht nicht nur die Körperlichkeit im Vordergrund, sondern auch die Leistungsbereitschaft. Nur wer besonders waghalsige Tricks beherrscht, bekommt auch Anerkennung von seiner Skate-Crew.

Schaut man sich auf den Skateparks der Stadt um, fällt auf, dass die Jungen oft unter sich sind. Das bemerkte auch Pantelić. Schon als sie als einziges Mädchen in ihrer Fußballmannschaft gespielt hat, musste sie sich gegen Vorurteile durchsetzen. Dabei ist Frauenfußball schon seit Jahren ein akzeptierter Sport. Obwohl sie damit kein Problem hatte, fand sie, dass die Plattform für Skaterinnen in München fehlte. "Ich denke, Mädchen ist es oft peinlich, vor Jungs zu skaten", sagt Pantelić. Und tatsächlich finden sich im Internet zahllose Beiträge von Jung-Skaterinnen, die von kritischen und abschätzenden Blicken sowie von Vorurteilen berichten.

Waghalsig auf Rampen und Bowls: Ohne Mut können Skaterinnen wie Sofija Pantelić in der Szene nicht Fuß fassen. (Foto: privat)

Besonders international wird weiblichen Halfpipe-Liebhaber schon viel mehr geboten als in ihrer Heimat München. Vorreiter sind Skandinavien und die USA. Zu den Pionierinnen zählen Fahrerinnen wie Elissa Steamer und Vanessa Torres. Professionelle Skaterinnen, die den Sport hauptberuflich betreiben. Auch in Deutschland geschehe etwas, jedoch nur in Berlin. "Einen Jam ausschließlich für Skaterinnen gab es in Süddeutschland noch nicht, deswegen wollte ich so etwas in München organisieren", sagt Sofija Pantelić. Mit Unterstützung von Mentor Tobias "Albertross" Kupfer und seinem Verein, bei dem Pantelić ein aktives Mitglied ist, fand vergangenen Sommer die erste Skate-Zusammenkunft nur für Frauen "Im Gefilde" statt.

Für Pantelić ist der Skatepark in Ramersdorf-Perlach ihr "lokaler Spot". Nur fünf Minuten wohnt die Schülerin entfernt. Mit ihrem Skateboard erkundet sie auch die anderen Parks in der Stadt - wie die Skateanlage im Hirschgarten. Aber nicht nur die Nähe zu ihrer Wohnung ist für Pantelić ausschlaggebend, sondern auch die Bowl: die Beton-Schüssel, in der die junge Frau am liebsten skatet. Um dort zu skaten, kommen Skaterinnen und Skater aus der ganzen Stadt und Umgebung nach Waldperlach und nehmen lange Wege auf sich.

Sofija Pantelić braucht als Skaterin die Bereitschaft, Schmerzen zu ertragen. (Foto: privat)

Insgesamt sind vergangenes Jahr dreißig interessierte und passionierte Skaterinnen der Einladung ins "Gefilde" gefolgt. In erster Linie ging es ums gemeinsame Skaten, aber die Teilnehmerinnen hatten auch die Möglichkeit, sich professionell fotografieren zu lassen und ihre Skateboards mit Griptape kreativ zu verzieren. "Wir haben einen Wettbewerb für das beste Outfit veranstaltet, um das Klischee auf die Schippe zu nehmen. Zwei Mädchen sind mit pinken Tüllröcken gekommen. Sie haben mit Abstand gewonnen", sagt Pantelić und lacht. Sie selbst trägt eine schlichte schwarze Jeans, die am Knie aufgerissen ist und Turnschuhe. Damit kann sie am Besten skaten. Ihr Skateboard hat sie fast immer dabei. Aber daran muss sich Pantelić erst wieder gewöhnen. Denn vor knapp zwei Jahren verletzte sich die junge Skaterin bei einem Contest. Ihr Kreuzband und beide Menisken sind gerissen, schlimmer als der Schmerz war die unfreiwillige Pause vom Skaten.

"Das war meine erste richtige Verletzung, die ich mir beim Skaten zugezogen habe ", sagt Pantelić. Davor habe sie sich etliche Male das Knie aufgeschürft oder den kleinen Finger gebrochen. Doch Bänderrisse sind tückisch. Sie verheilen eben nicht so schnell wie eine harmlose Schürfwunde. Auch Monate später hat Pantelić ab und zu noch Probleme. "Wenn ich an einem Tag viel skate, dann merke ich erst abends, dass mein Knie angeschwollen ist. Das tut dann schon sehr weh", sagt Pantelić. Aufhören zu skaten? Das ist keine Option. Seit fünf Jahren steht sie nun schon auf dem Brett. Während ihrer unabsichtlichen Genesungspause vom Skaten hat sie im Verein Projekte übernommen oder auf Youtube Videos von Tricks angeschaut. "Das Skaten gehört zu meinem Leben", sagt sie.

Ereignisse wie das "Girls Skate Jam" im Gefilde sollen helfen, um Frauen in der Skater-Szene den Weg zu ebnen. (Foto: privat)

Zum Skaten gehört für Pantelić nicht nur der Sport. Es ist eine Lebenseinstellung. In ihren Schulferien war Pantelić in Schweden und Kroatien. Auf den Skateparks hat sie andere Skater kennengelernt und auf Anhieb neue Freunde gefunden. Die gleiche Sprache müsse man nicht sprechen, man verstehe sich auch ohne Worte. "Das merke ich auch bei den Skate-Workshops für Flüchtlingskinder. Du kommunizierst mit Händen und Füßen, wenn es nicht anders geht. Aber es herrscht sofort eine Gemeinschaft", sagt die Münchnerin. "Es geht uns ja allen ums Skaten", sagt sie.

Zum zweiten Mal findet am Samstag, 23. Juli, der "Girls Skate Jam" im Skatepark "Im Gefilde" statt. Von 11 bis 20 Uhr können Skaterinnen oder jene, die welche werden wollen, ohne Anmeldung kommen. Verschiedene Workshops sind geplant. "Und einen Outfit-Wettbewerb wird es dieses Jahr natürlich wieder geben", sagt Pantelić und lacht.

© SZ vom 22.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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