Verkehr:Haar schert auf die Autobahnparallele ein

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Grafik: SZ (Foto: SZ Grafik)

Angesichts vieler Neubauprojekte im Osten befürchtet die Gemeinde den Verkehrskollaps auf der B 471 und holt daher den alten Plan aus der Schublade

Von W. Bögel, B. Lohr und M. Mühlfenzl, Haar

Putzbrunn will auf einem elf Hektar großen Gelände Gewerbe ansiedeln. In Haar wird in einigen Monaten der Spatenstich für das Wohngebiet Jugendstilpark mit bis zu 2000 Neubürgern erwartet. Im Norden treibt Aschheim die Pläne für den Schlachthof gegen den Widerstand seiner Nachbarn voran. Und im Osten schafft Vaterstetten Wohnraum für 1500 neue Einwohner. All diese Projekte haben gemeinsam, dass sie mehr Verkehr auf die B 471 bringen werden. Die Gemeinde Haar befürchtet bereits den Kollaps und holt daher alte Pläne wieder hervor: Die Autobahnparallele soll her.

Es ist ein Projekt, das Haar lange Zeit an führender Stelle propagiert hatte, das aber längst in der Versenkung verschwunden zu sein schien. Denn die Interessen der Gemeinden von Kirchheim bis Putzbrunn ließen sich nicht unter einen Hut bringen. Die Gemeinde Aschheim baute schließlich in Eigenregie eine gigantische Umfahrung - daraufhin versenkte Haar die Pläne, weil keine Zuschüsse mehr zu erwarten waren. Nun sieht sich der Gemeinderat allerdings gezwungen, das Straßenprojekt wieder auf die Tagesordnung zu bringen.

Den konkreten Anlass liefert Putzbrunn. Die Gemeinde bat die Nachbarn, zu seiner Neuauflage des Flächennutzungsplans Stellung zu nehmen. Die Bevölkerung soll nur moderat wachsen. Nicht aber das Gewerbe. Und den Haarern bereitet Sorge, dass ausgerechnet an der B 471 in Putzbrunn-Ost die Voraussetzungen für ein Gewerbegebiet geschaffen werden sollen. In Verbindung mit der Ortsumfahrung in Putzbrunn werde dies zwangsläufig zu mehr Verkehr an der Kreuzung der Grasbrunner Straße (B 471) zur Wasserburger Straße (B 304) führen.

Putzbrunn soll untersuchen, ob die Kreuzung den Verkehr bewältigen kann

Diese zählt mit 44 000 Fahrzeugen am Tag schon heute zu einer der am stärksten belasteten Kreuzungen im Landkreis. Laut Gutachten aus dem Jahr 2015 ist die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit erreicht. Die Haarer pochen nun darauf, dass Putzbrunn untersuchen lässt, ob die Kreuzung den zusätzlich aus Süden erwarteten Verkehr aufnehmen kann. Mit einem ähnlichen Ansinnen sind die Haarer freilich in Vaterstetten abgeblitzt.

Dort verabschiedete der Bauausschuss des Gemeinderats diese Woche den Bebauungsplan Vaterstetten-Nordwest und West. Bereits 2017 könnten die ersten der am Ende 1500 erwarteten Bewohner einziehen. Dass die Haarer befürchten, von dort könnten viele Autofahrer über die Ottendichler Straße zur B 471 fahren, um dort weiter die Autobahnen anzusteuern, machte auf die Mehrheit im Vaterstettener Bauausschuss wenig Eindruck.

Sollte es Verkehrsprobleme geben, liege das an der allgemeinen Verkehrsentwicklung, hieß es. Überhaupt sei die Ottendichler Straße "aus netzgeometrischen Gründen" ohnehin keine lohnende Abkürzung. Ähnlich wurden Befürchtungen aus Grasbrunn zurückgewiesen, der Verkehr auf der Möschenfelder Straße zur B 304 könne überhand nehmen.

Vaterstettens Zweiter Bürgermeister Martin Wagner (CSU) erinnerte in dem Zusammenhang daran, dass Grasbrunn mit "zwei riesigen Gewerbegebieten" gleich an der Gemeindegrenze auch zum Verkehrsproblem beitrage. Und: "Was Haar mit seinem Baugebiet Eglfing plant, da haben die gar keinen Grund sich zu beschweren."

Klostermeier will, dass der Freistaat oder der Landkreis die Planung übernimmt

Für Grasbrunns Bürgermeister Klaus Korneder (SPD) "wird zu diskutieren sein", wie es weiter geht. Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller (ebenfalls SPD) hofft ebenfalls noch auf eine Übereinkunft "auf Bürgermeisterebene". Was man sich in Haar auf jeden Fall wünscht: dass sich Vaterstetten an einem Ausbau der Kreuzung Ottendichler Straße und B 471 finanziell beteiligt. Dabei ist man sich in Haar bewusst, dass das nur Flickwerk wäre.

Eine Lösung brächte wohl nur eine Autobahnparallele. Die Frage nach dem Bedarf einer solchen Straße werde "sehr wohl wieder" aufgeworfen, heißt es aus dem Haarer Rathaus. Haar bittet Putzbrunn zudem, die Bestrebungen weiter zu unterstützen.

Putzbrunns Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD) stellt sich dabei nicht quer und verweist auf die Initiative der Bürgermeister der betroffenen Gemeinden, die im vergangenen Jahr das Gespräch mit Landrat Göbel (CSU) gesucht hatten, um das Projekt voranzutreiben. Damals war auch Haars Rathauschefin dabei. "Wir wissen alle, dass die Autobahnparallele langfristig zu sehen ist", sagt Klostermeier. "Meine Hoffnung ist, dass vielleicht der Landkreis oder der Freistaat die Planung übernehmen würden. Dadurch ließen sich die unterschiedlichen Interessen der Kommunen leichter zusammenführen", sagt Klostermeier.

Das erscheint angesichts der massiven Zweifel, die Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) vorbringt, mehr als unwahrscheinlich. Erstens, sagt Böltl, würde die Parallele auf Kirchheimer Flur nahe dem Heimstettener See verlaufen. "Das wollen wir nicht." Zweitens bestätigten Gutachten, dass die Gemeinde durch das Projekt kaum entlastet würde. Und dann gibt es da noch das Vorhaben der Nachbarn aus Aschheim, die ebenfalls in unmittelbarer Nachbarschaft zum Naherholungsgebiet Heimstettener See einen Schlachthof errichten wollen.

Die Zufahrt von einer Autobahnparallele zum Schlachthof würde ebenfalls über Kirchheimer Gemeindegebiet verlaufen. "Für mich ist klar: Kommt der Schlachthof, wird es keine Autobahnparallele geben. Das wären nur neue Belastungen für uns", sagt Böltl. Als Retourkutsche für seinen Aschheimer Kollegen Thomas Glashauser (CSU), der hinter dem Schlachthof steht, will Böltl dies nicht verstanden wissen. "Aber wir müssen hier ganz deutlich unsere Interessen vertreten."

Das tut auch Antonius van Lier (FWG), der als Vorsitzender der Bürgervereinigung Ottendichl den Verkehr aus dem Haarer Ortsteil raushaben will: "Wo ein Wille ist, ist ein Weg." Bisher aber haben sich die Kommunen nicht auf einen einheitlichen einigen können.

© SZ vom 16.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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