Integration in die Arbeitswelt:Scannen ohne Grenzen

Firma Samson bildet Flüchtlinge aus

Die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt wird die Politik, Ehrenamtliche und Unternehmen über Jahre hinweg beschäftigen.

(Foto: dpa)

Der Ottobrunner Helmut Blank nutzt eine Methode entwickelt, um die Kompetenzen von Flüchtlingen herauszufinden. Damit sollen diese besser in Jobs vermittelt werden können. Die FDP setzt darauf im Landkreis große Hoffnungen

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

"Die Teddybärenzeit ist vorbei", sagt Helmut Blank. Der Ottobrunner meint das nicht abfällig, er selbst hat sich nach den ereignisreichen Tagen im September vergangenen Jahres sofort im Asylhelferkreis und vor allem in der Traglufthalle im Nachbarort Neubiberg engagiert. Vielmehr will der 75-Jährige verdeutlichen, dass nun eine neue Phase beginnt: "Jetzt geht die Integration ja erst richtig los. Und die funktioniert nur über die Arbeit. Teddybären braucht es nicht mehr."

"Arrive Institute - Center of Talents" hat Blank seinen Verein genannt. Das klingt international, innovativ - und ist ein klein wenig irreführend. Denn eine Talentschmiede ist die Initiative nicht, sondern vielmehr eine Art Scouting-Abteilung für Flüchtlinge. "Wir erheben Fakten, keine Gefühle", sagt Helmut Blank.

Ein Beispiel. Ein junger Flüchtling hat Blank mitgeteilt, er wolle Mechatroniker werden. "Das wollen die meisten", sagt Blank, "aber nicht jeder wird zum Automechaniker geboren." Der Syrer aber wollte diesen Weg unbedingt einschlagen; die Grundvoraussetzungen waren nicht allzu schlecht: Er hatte in Aleppo sein Abitur gemacht und einige Semester an der Universität Damaskus studiert. Literaturwissenschaften. "Wir haben dann unseren Test gemacht. Und schnell war klar, dass seine Interessen und Kompetenzen ganz woanders lagen", sagt Blank. "Aber sicher nicht im Handwerklichen oder Technischen."

"Eigentlich ist es wie ein Assessment-Center."

Kompetenzermittlung. Interessenprofil. Integration in den Arbeitsmarkt. Darum dreht sich beim Arrive Institute alles. "Caidance-R" heißt das Tool, das Blank und seine drei Mitstreiter anwenden, um die Kompetenzen bei Flüchtlingen, die meist keine Nachweise über formale Bildungs- und Berufsabschlüsse mehr besitzen, festzustellen. Es handelt sich um ein von der Firma HR Diagnostics entwickeltes Verfahren, bei dem innerhalb von zwei Stunden etwa sprachliche oder auch mathematische Kompetenzen ermittelt werden.

"Eigentlich ist es wie ein Assessment-Center", sagt Helmut Blank. "Wir testen Bewerber und wollen feststellen, in welchem Bereich sie eingesetzt werden können, wo sie eine Ausbildung machen sollen." Wenn sich etwa der Verband der Tankstellen meldet und nach Mitarbeitern für Autowaschanlagen sucht, sagt Blank, könne sein Verein dank der Tests ebenso helfen wie bei einem großen Versicherungsunternehmen, das auf der Suche nach Mathematikern ist. "Wir scannen ohne Grenzen. Alter spielt keine Rolle und auch der Grad der Ausbildung nicht", sagt Blank.

Was indes eine Rolle spielt, ist das Thema Geld. Blank, der sich mit dem Arrive Institute auf der Seite der Unternehmer sieht, nimmt derzeit selbst viel Geld in die Hand - langfristig aber müsse sich die Initiative selbst tragen. Mehr noch: Blank glaubt, dass daraus im Erfolgsfall ein professionell geführtes Unternehmen wird. Abhängig ist das vor allem von einem Faktor: der Politik. Der Ottobrunner, der lange bei IT-Unternehmen tätig war, will den Landkreis mit ins Boot holen. Landrat Christoph Göbel (CSU) ist bereits Schirmherr des Vereins.

Nun soll die enge Kooperation des Arrive Institutes mit dem Jobcenter im Landkreis folgen. "Wir haben das Know-how und die Daten, die wir den Beratern der Arbeitsagentur zukommen lassen", sagt Blank. "Und unsere Daten sind sehr viel präziser als das, was der Berater im Gespräch mit dem Flüchtling erfährt. Denn auch in einem Lebenslauf steht ja nur, wie der Flüchtling sich selbst sieht."

Der Landkreis, glaubt die FDP, könne wieder eine Vorreiterrolle einnehmen

Mit 13 Flüchtlingen aus fünf Nationen hat das Arrive Institute in den vergangenen Wochen einen Pilotversuch abgehalten. "Und der Test funktioniert", sagt Blank. Neben dem Jobcenter - und den Helferkreisen in den Kommunen - müssten nun die Unternehmen mit ins Boot geholt werden. Denen, sagt Blank, würden schließlich die ausgearbeiteten Profile zur Verfügung gestellt, anonymisiert freilich.

Das wissenschaftliche Verfahren zur Ermittlung der Kompetenzen eines Flüchtlings kostet etwa 30 Euro pro Person. Jeder Flüchtling, sagt Blank, solle sich an diesem Betrag beteiligen - er selbst hält zehn Euro für vertretbar. Die restlichen 20 Euro sollten sich der Landkreis als Partner des Vereins und die Unternehmen des Landkreises aufteilen. Das fordert zumindest die FDP im Kreistag, die einen entsprechenden Antrag eingebracht hat.

"Die Kompetenzanalyse lässt Firmen und Flüchtlinge leichter zueinander finden. Eine objektive Einstufung der Leistungsfähigkeit eines Bewerbers ist Grundvoraussetzung für jeden Arbeitgeber", sagt FDP-Kreisrat Tobias Thalhammer. Der Landkreis, sagt sein Kollege Jimmy Schulz, könne mit dieser Kooperation eine Vorreiterrolle in der Bundesrepublik einnehmen. Und tatsächlich denkt Blank in größeren Dimensionen: Die Kooperation mit dem Landkreis Miesbach sei so gut wie beschlossen - und weitere, sagt er, sollen folgen.

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