Freie Demokraten im Landkreis:Es quietscht

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Geht es mit der FDP den Bach runter? Das Entenrennen am Hachinger Bach war bisher immer ein festes Event im Kalender der Partei. (Foto: Claus Schunk)

Die FDP verliert ihren bekanntesten Kopf und ein 81-Jähriger soll die Partei retten. Was ist bloß los mit den Liberalen in ihrem Stammland?

Von Martin Mühlfenzl

Wer sich mit der Zukunft der FDP im Landkreis München beschäftigt, kommt an ihrer Vergangenheit nicht vorbei. Die Vergangenheit ist ein 38-jähriger Schlagersänger, der vor wenigen Tagen seinen Wechsel von den Liberalen zur CSU bekanntgegeben und damit wohl auch seine politische Karriere beerdigt hat. Die Zukunft dieser Partei soll ein 81-jähriger Journalist und Medienmacher sein, der das Nachrichtenmagazin Focus gegründet hat und acht Jahre lang Aufsichtsratsvorsitzender der Playboy Deutschland Publishing war, also Chef der deutschsprachigen Ausgabe des Erotikmagazins. "Knuddelschnubbel" und "Fakten, Fakten, Fakten". Tobias Thalhammer und Helmut Markwort.

Der eine hat die Liberalen jahrelang verkörpert, war ihr strahlendes Gesicht auf Plakaten und im Internet. Der andere soll der Partei - auf seine alten Tage - vor der Landtagswahl neues Leben einhauchen. Nur: Wie viel Leben steckt noch in einer Partei, die hier mal eine große Nummer war und den Landkreis als ihr bayerisches Stammland verstanden hat?

Es gibt ja keine andere Partei in der Republik, der stets vorgeworfen wird, ihr inhaltliches Profil erschöpfe sich darin, keines aufweisen zu können. Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen stand den Unterhändlern von Union und Grünen die Verblüffung ins Gesicht geschrieben, als FDP-Chef Christian Lindner verkündete, es gebe nicht genügend Schnittmengen bei den Inhalten. Inhalte? Bei der FDP?

Einige Wochen vor der Bundestagswahl sitzt Jimmy Schulz im Biergarten der Ayinger Gaststätte in Ottobrunn. Es ist - gelinde gesagt - greislig, saukalt und grau. Ungefähr so grau wie die Fotos auf den Flyern und Plakaten, mit denen die FDP die Republik zupflastert. Der Hohenbrunner Schulz will zurück in den Bundestag und macht Wahlkampf, nur macht bei diesem Sauwetter der Wähler nicht mit. Schulz ist dennoch gut gelaunt und zuversichtlich - und wiederholt mantraartig, warum die FDP wieder wählbar sein soll. "Wir haben verstanden", sagt Schulz. Aus den Fehlern der Rösler-FDP von 2013, in der es nur um Steuersenkungen ging. "Wir haben mit Demut an uns gearbeitet." Soll heißen: Die Arroganz der Westerwelle-Jahre gehört der Vergangenheit an. "Wir wollen mit Inhalten punkten", sagt Schulz.

Ihm persönlich gelingt das im Wahlkampf. Vor allem mit dem Thema der Digitalisierung. In diesem Bereich ist er der Experte seiner Partei. Was ihm wichtig ist: Breitbandausbau, schnelles Internet, Datenschutz und -sicherheit.

Wofür steht diese FDP noch?

Seine Partei dankt es ihm nach der Bundestagswahl mit dem Vorsitz im Digitalausschuss des Bundestags. Nun ist es allerdings so, dass sich auch andere Parteien und Politiker dieses Themas längst angenommen haben. Wofür also steht diese FDP noch?

Im Kreistag, wo die Liberalen nach der "Fahnenflucht" Thalhammers, wie es ein Mitglied im Kreisvorstand ausdrückt, nur noch mit drei Mandatsträgern vertreten sein werden, fragt sich das auch so mancher. In diesem bunten Gremium mit seinen fünf Fraktionen schafft es nahezu jede Gruppierung, ein eigenes Profil zu entwickeln, auch wenn Konsens eher die Regel, denn die Ausnahme ist. Die CSU: Pocht auf konservative Werte, versteht sich als Vertreterin der Eigenheimer und Landwirte und akzeptiert doch, dass der Landkreis München ein sich rasant wandelnder, vielfältiger ist. Die Sozialdemokraten sind hier noch eine sozialdemokratische Partei, Kümmerer für Familien, Abgehängte, Geringverdiener. Die Grünen fordern Radschnellwege, jäten in Kräutergärten und wollen das Heizkraftwerk Nord am liebsten gleich abschalten. Selbst die Freien Wähler haben hier ein Profil: Schulen, bezahlbarer Wohnraum, Erhalt der bäuerlichen Struktur.

Und die FDP? Wettert gegen den Landkreispass, die Haushaltspolitik samt der beschlossenen Rückzahlung der Kosten für weiterführende Schulen an die Kommunen, den kommunalen Wohnungsbau, Wohnungen für Angestellte des Landratsamtes. Die FDP war und ist oft "dagegen". Wofür sie steht, lässt sie kaum erkennen.

Wer FDP-Mandatsträger wirklich arbeiten sehen will, muss in die Gemeinderäte des Landkreises. Nach Pullach etwa, wo starke Persönlichkeiten wie Alexander Betz und Johannes Burger zwar lautstark, aber an der Sache orientiert handeln. In Ottobrunn gehört Axel Keller zu den engagiertesten Gemeinderäten und bringt etwa über den Seniorenbeirat etwas voran.

Die Liberalen wollen mit Namen punkten

Das honoriert der Wähler. Wenn es nun auf die Landtagswahl zugeht, wollen die Liberalen indes mit Namen punkten. Genau genommen mit einem Namen: Helmut Markwort. Der geht selbst davon aus, "das ich mit meiner Popularität der FDP helfen kann". FDP-Kreischef Ralph Peter Rauchfuss lobt den Focus-Gründer in den höchsten Tönen: "Besser hätten wir es nicht treffen können." Und selbst der Grünwalder Gemeinderat Matthias Schröder, der Thalhammer noch bei der Kampfabstimmung um die Direktkandidatur für den Stimmkreis München-Land Süd unterlegen war, erstarrt fast in Ehrfurcht und schließt eine Bewerbung aus: "Ich unterstütze Helmut Markwort mit allen Kräften und halte ihn für den besten Kandidaten."

Wie es mit Tobias Thalhammer weitergeht, ist indes noch unsicher. Derzeit sieht es eher so aus, als würden all seine politischen Ambitionen den Bach runter gehen wie die gelben Plastiktierchen bei seinem jährlichen Entenrennen in Neubiberg. Ein CSU-Insider bezweifelt, dass er tatsächlich den Listenplatz für die Landtagswahl am 14. Oktober bekommt, den ihm Oberbayerns CSU-Chefin Ilse Aigner bei seinem Übertritt in Aussicht gestellt hat. Aber vielleicht braucht er den ja gar nicht mehr. Das große Thema, für das sich Thalhammer eingesetzt hat, ist abgeräumt: die Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung. Von der FDP lange gefordert, von der CSU begraben. Seiner neuen Partei.

© SZ vom 21.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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