Die Bundestagskandidaten:Der zweite Anlauf

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Ilse Ertl von den Freien Wählern erzielte 2013 bei der Bundestagskandidatur einen Achtungserfolg. Ihr Traum wäre es, in Berlin Verbraucherthemen zu vertreten.

Von Bernhard Lohr, Unterföhring, Ismaning

Als Kind hat Ilse Ertl sich immer gewundert, wenn ihre Mutter vor dem Fernsehgerät saß und Bundestagsdebatten verfolgte. Auch wenn sich damals noch wortgewaltige Politiker wie Herbert Wehner und Franz Josef Strauß fetzten: Sie fand das einfach nur langweilig. Doch irgendwann wuchs ihr Interesse an der Politik. Vor allem die großen Themen, über die in Bonn, Berlin und Brüssel verhandelt wurde, beschäftigten die junge Frau und die spätere Tierärztin mit eigener Praxis in Unterföhring, um dann doch über das Kommunale den Einstieg ins politische Geschäft zu finden. Der in Ertls damaligem Wohnort Ismaning legendäre Vorsitzende der Freien Wählergemeinschaft (FWG), Rudi Essigkrug, fragte sie 2007, ob sie nicht auf einem hinteren Platz für den Gemeinderat kandidieren wolle, um die Liste aufzufüllen.

Bei der Bundestagswahl 2013 erreichte Ertl einen Achtungserfolg

Bei der Wahl dann wurde Ertl für sie selbst überraschend so weit nach vorne gehäufelt, dass sie sich ermuntert fühlte, für ihre Überzeugungen weiter um Zustimmung zu werben. Nur eben nicht mehr im Lokalen. Ertl übernahm die Kreisgeschäftsführung der Freien Wähler im Landkreis, und als die sich schließlich anschickten, auch auf Landes- und Bundesebene eine Rolle zu spielen, sah sie ihre Stunde gekommen. Ertl kandidierte 2013 bereits für den Bundestag. Sie holte 2,9 Prozent und belegte hinter den Kandidaten von CSU, SPD, Grünen und AfD den fünften Platz - ein Achtungserfolg, den die 51-jährige ledige Tierärztin, die mittlerweile in der Nähe von Moosburg lebt und in der Gemeinde Mauern auch ihre Praxis hat, diesmal als Direktkandidatin im Landkreis München übertreffen möchte.

Was die Bürger von Ilse Ertl in Berlin zu erwarten hätten, wird im Gespräch sehr schnell klar. Sie brennt für Verbraucherthemen und geht mit den im Bundestag vertretenen Parteien und den Politikern dort scharf ins Gericht. Nach ihrem Geschmack stellen letztere die Interessen der Menschen hinter die der Großkonzerne und der Wirtschaft überhaupt. Sie kritisiert den Trend zur Privatisierung in zentralen Punkten der Daseinsvorsorge, wie etwa der Wasserversorgung. Als Rückschritt für die Schutzrechte des Einzelnen schätzt sie das geplante TiSA-Abkommen ein, das den internationalen Handel mit Dienstleistungen auf eine neue Grundlage stellen soll. "Wir müssen eine neue, alte Ethik wiederfinden, sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft", sagt sie.

Wenn sich Ertl auf über den aus ihrer Sicht völlig unverantwortlichen Einsatz des Konservierungsmittels Ethoxyquin in der Nahrungsmittelwirtschaft auslässt, könnte man den Eindruck gewinnen, es spräche eine Grünen-Politikerin. Sie selbst sieht es durchaus so, dass sie Positionen der Grünen abdeckt, und mitunter auch solche, die die Linke vertritt. Was die Forderungen nach einer deutlich forcierten Digitalisierung angeht, sieht sie sich auf einer Linie mit der FDP.

Dass Florian Hahn, CSU, im Aufsichtsrat der IAGB sitzt, kritisiert Ertl

Am Ende zeige gerade das, findet Ertl, dass sie als Kandidatin der Freien Wähler "eine eigene Position" vertrete. Ganz anders als die Grünen etwa sieht sie die Flüchtlingsfrage. Ertl findet, dass Deutschland nur eine begrenzte Zahl an Flüchtlingen aufnehmen könne. Ihr sind die Grünen da "zu liberal".

Auf die CSU kommt Ertl zunächst nicht zu sprechen, wenn sie ihren politischen Standort beschreibt. Deren Direktkandidaten im Wahlkreis München-Land, Florian Hahn aus Putzbrunn, ist in ihren Augen aufgrund seines Postens im Aufsichtsrat der IABG ein Beispiel eines Politikers, wie sie ihn sich nicht wünscht. Sie selbst bezeichnet die Freien Wähler gerne als die anständige Alternative. Gerne würde die Tierärztin Ertl im Auftrag der Wähler in Berlin mitmischen und auch mal im Bundestag ans Rednerpult treten und gegen Privatisierung sowie für Verbraucherschutz Argumente ins Feld führen. Als Gesundheitsministerin vielleicht. Ihre Mutter würde es am Fernseher sicher verfolgen. Sie wäre stolz.

© SZ vom 07.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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