Asylunterkünfte:Es bleibt bei der Kasernierung

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Die Bürgermeister des Landkreises und Landrat Christoph Göbel wollen feste Unterkünfte bauen, um die sieben Traglufthallen überflüssig zu machen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Auch nach der Lockerung des Baustopps werden nur große Sammelunterkünfte gebaut - für bis zu 320 Flüchtlinge an einem Ort. 190 kleine Objekte, die dem Landratsamt angeboten wurden, dürfen nicht weiter verfolgt werden

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Derzeit feiern viele muslimische Flüchtlinge in der Taufkirchner Traglufthalle Ramadan. Sie treffen sich dort jeden Abend, warten bis Sonnenuntergang und dürfen dann endlich wieder trinken und essen. Es ist dies ein Stück Normalität für jene, denen mit der Flucht der Alltag genommen worden ist. Das Fastenbrechen in einer aufblasbaren Unterkunft ist aber auch Ausdruck der Improvisationskunst, die den Verantwortlichen in den Rathäusern und im Landratsamt am Mariahilfplatz immer noch abverlangt wird.

Und sie werden weiter sehr flexibel agieren müssen, um alle Anforderungen bei der Unterbringung der Schutzsuchenden im Landkreis erfüllen zu können. Denn noch immer haben viele Bürgermeister das Gefühl, seitens der Staatsregierung würden ihnen zu viele Steine in den Weg gelegt.

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(Foto: Claus Schunk)

Ob an der Emeran- und Bodmerstraße in Feldkirchen...

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(Foto: Claus Schunk)

...oder am Kathi-Weidner-Weg in Ottobrunn:

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(Foto: Angelika Bardehle)

An zehn Standorten entstehen vor allem Sammelunterkünfte wie in Haar...

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(Foto: Claus Schunk)

...oder in Höhenkirchen.

Zwar hat der Freistaat vergangene Woche den Bau von zehn Projekten in sieben Kommunen des Kreises wieder freigegeben und damit den im April verhängten Ministerialerlass revidiert, der es Städten und Gemeinden untersagt hatte, neue Unterkünfte zu planen oder zu bauen; eine generelle Abkehr vom Bau- und Planungsstopp neuer Häuser und Wohnungen für Schutzsuchende bedeutet dies aber nicht.

"Froh, dass sie endlich zur Vernunft gekommen sind."

Der Fraktionssprecher der Grünen im Kreistag, Christoph Nadler, ist zwar nach eigenen Worten "froh, dass sie endlich zur Vernunft gekommen sind", womit er das für Asylfragen zuständige bayerische Sozialministerium und die Regierung von Oberbayern meint. Auch Landrat Christoph Göbel (CSU) äußert "Zufriedenheit" angesichts der Freigabe von zehn Unterkünften und der Lockerung des Baustopps. Und das Sozialministerium? Das Ressort von Ministerin Emilia Müller (CSU) lässt verlauten, es habe einen Baustopp "nie gegeben". Vielmehr habe das Kabinett nur beschlossen, "wieder verstärkt auf Gemeinschaftsunterkünfte statt auf dezentrale Unterbringung zu setzen".

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Der Ministerrat will verstärkt auf mietfreie Bundesliegenschaften bei der Errichtung von Erstaufnahmeeinrichtungen setzen; Neuanmietungen seien daher nur noch "in Ausnahmefällen" möglich. Etwa wenn keine Immobilien zur Verfügung stehen, die im Besitz der Bundesrepublik sind. Auch die Regierung von Oberbayern lässt verlauten, dass von der "Akquise" neuer Objekte möglichst abgesehen werden solle.

Diese offiziellen Aussagen stehen der Wahrnehmung und auch der Haltung der meisten Bürgermeister des Landkreises und auch der von Landrat Christoph Göbel diametral gegenüber. So spricht Unterschleißheims Rathauschef Christoph Böck (SPD) von einem fatalen Fehler, Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) kritisiert die Staatsregierung ebenfalls scharf und wirft ihr vor, mit dem Bau- und Planungsstopp die Integration der Flüchtlinge zu versemmeln. Sein Neubiberger Kollege Günter Heyland (Freie Wähler) sagt wiederum mit Blick auf das Vorhaben seines Ottobrunner Nachbarn, am Kathi-Weidner-Weg eine Siedlung für bis zu 320 Menschen errichten zu wollen, dieser tue im leid.

Dieses Vorhaben kann nach der Freigabe der zehn Projekte nun wohl doch umgesetzt werden - wenn das Landratsamt die Baugenehmigung erteilt, wovon allerdings auszugehen ist. Völlig offen ist indes, was mit den anderen 190 dezentralen Objekten passiert, die derzeit noch in Planung sind.

Auch große Projekte liegen weiter auf Eis

So viele Vorhaben liegen dem Landratsamt derzeit vor, doch Landrat Göbel darf nach wie vor keinem einzigen seine Zustimmung erteilen. Viele dieser Projekte, sagt die Pressesprecherin des Landratsamtes, seien einzelne Wohnungen, Vorhaben von Vermietern für nur wenige Personen. Wo sich diese Objekte befinden und wer als Bauherr oder Investor dahinter steht, darf das Landratsamt nicht mitteilen.

Es befinden sich aber auch größere Vorhaben darunter. Etwa in Neubiberg: Dort soll an der Äußeren Hauptstraße eine Unterkunft für 50 Menschen entstehen. In Feldkirchen an der Ecke Emeran-/Bodmerstraße ist ein Haus für bis zu 40 Personen geplant und in Oberschleißheim könnten an der Bahnhofstraße bis zu 200 Flüchtlinge unterkommen. Könnten. Denn auch diese drei Projekte liegen auf Eis.

Die Notwendigkeit zum Bau neuer Unterkünfte betont Landrat Göbel bei jeder sich bietenden Gelegenheit und untermauert dies mit zwei Argumenten. Erstens, sagt der Landrat, sei nicht abzusehen, wie sich die Flüchtlingszahlen entwickeln werden. Derzeit werden dem Landkreis nach wie vor kaum oder in manchen Wochen gar keine Schutzsuchenden zugewiesen.

Die Menschen müssen in feste Unterkünfte, sagt der Landrat

Derzeit leben etwa 4400 Schutzsuchende im Landkreis. Zweitens - und das ist Göbels wichtigeres Argument - liefen nach und nach die Nutzungsgenehmigungen für die sieben Traglufthallen im Landkreis aus. Die Menschen dort, sagt der Landrat, müssten zwingend in festen Unterkünften untergebracht werden.

An diesem Punkt lässt sich die Diskrepanz zwischen der Haltung der Staatsregierung und jener der meisten Bürgermeister und des Landrats festmachen: Während das Sozialministerium weiter auf die Unterbringung in großen Traglufthallen, Kasernen oder Bürogebäuden setzt, haben die Kommunalpolitiker die dezentrale Unterbringung kleiner Gruppen im Blick. Dann müssten die muslimischen Flüchtlinge das Fastenbrechen auch nicht in einer aufblasbaren Halle feiern.

© SZ vom 20.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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