Kriminalität:Warum ein rückfälliger Vergewaltiger nicht in Sicherungsverwahrung muss

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  • In München ist ein Mann zum zweiten Mal wegen Vergewaltigung verurteilt worden. Ein Sachverständiger hält die Rückfallgefahr weiterhin für "moderat bis hoch" - das Gericht ordnet aber trotzdem keine Sicherungsverwahrung an.
  • Sie kommt in Deutschland nur unter strengen Voraussetzungen zum Einsatz - im Extremfall kann sie lebenslang dauern.

Von Wolfgang Janisch

Es ist beinahe zur Regel geworden: Immer wenn es vor Gericht um gewalttätige Wiederholungstäter geht, wird der Ruf nach der "Sicherungsverwahrung" laut - ganz so, als gehöre es zum Standardrepertoire, Verurteilte auch über den eigentlich vorgesehenen Entlassungstermin hinaus einzusperren.

Genau dies sieht die Sicherungsverwahrung nämlich vor, im Extremfall kann sie tatsächlich lebenslang dauern. Allerdings ist sie keine "Strafe", kein Instrument von Sühne und Vergeltung. Sondern eine "Maßregel", die allein der Sicherheit der Bevölkerung dienen darf. Und weil man sich einen tieferen Eingriff in die Freiheit nicht vorstellen kann, kommt sie nur unter strengen Voraussetzungen zum Einsatz. Nicht als Regel, sondern als Ausnahme.

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Das muss im Hinterkopf haben, wer sich über Urteile wie jenes wundert, das am Freitag vom Landgericht München I gesprochen wurde. Die Richter verurteilten einen 26-jährigen Küchenhelfer wegen Vergewaltigung zu sechs Jahren und drei Monaten Haft, lehnten aber die Anordnung einer Sicherungsverwahrung ab - obwohl der Mann fast vier Jahre vor der Tat schon einmal eine Frau vergewaltigt hatte. Und obwohl ein Sachverständiger das Rückfallrisiko als "moderat bis hoch" bezeichnet hatte.

Zwar kann eine Vorstrafe von zwei Jahren bereits für eine Sicherungsverwahrung reichen. Es muss aber ein gravierendes Persönlichkeitsdefizit hinzukommen, ein "Hang zu erheblichen Straftaten". Der Bundesgerichtshof hat dafür folgende Formel entwickelt: ein "eingeschliffener innerer Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt". "Hangtäter" sei etwa derjenige, "der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer festen eingewurzelten Neigung straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet".

Es muss also - bevor man Dauerhaft verhängt - eine klare Linie sichtbar sein, die mehr oder minder zwangsläufig zum nächsten Verbrechen führt. Der BGH hat dies im kürzlich entschiedenen Fall eines Mannes verneint, obwohl er sich - einschlägig vorbestraft - des sexuellen Missbrauchs an einem Mädchen schuldig gemacht hat. Und zwar deshalb, weil der Mann durchaus lange straffreie Phasen in seinem Leben vorzuweisen hatte.

Und weil er doch noch von dem Mädchen abgelassen hatte, so dass es nicht zum Allerschlimmsten kam. Ähnlich fiel die Entscheidung im Fall eines Mannes aus, der im Jahr 2008 dreimal in kurzer Folge Frauen vergewaltigt und sexuell genötigt hatte - und dann erst wieder sieben Jahre später durch einen Wohnungseinbruch auffiel. Er wurde zu neun Jahren Haft verurteilt. Aber die Sicherungsverwahrung blieb ihm erspart.

Übrigens ist die Sicherungsverwahrung nicht das einzige Mittel, um rückfallgefährdete Täter unter Kontrolle zu behalten. Gegen Sexualstraftäter kann auch "Führungsaufsicht" verhängt werden: Dann kommen sie zwar nach Verbüßung der Haft auf freien Fuß, bekommen aber einen Bewährungshelfer an die Seite gestellt. Das kann zu einer ziemlich engmaschigen Aufsicht führen. Langfristig kann das im Einzelfall das Rückfallrisiko wirkungsvoll verringern - weil Ex-Häftlinge so besser lernen können, mit ihren Defiziten in Freiheit zurechtzukommen.

© SZ vom 13.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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