Jüdisches Leben in München:Antisemitismus-Beauftragter Spaenle zieht 100-Tage-Bilanz

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Der Antisemitismus-Beauftragte Ludwig Spaenle zieht eine erste Bilanz. (Foto: imago/Overstreet)
  • Der bayerische Antisemitismus-Beauftragte Ludwig Spaenle hat nach 100 Tagen eine erste Bilanz gezogen: Der Judenhass nehme zu.
  • Es soll fortan eine bayerische Meldestelle für antisemitische Vorfälle geben und ein Runder Tisch soll Vertreter aller betroffenen bayerischen Ministerien vernetzen.

Von Jakob Wetzel

Er wolle Antisemitismus im Alltag bekämpfen, sagt Ludwig Spaenle. Antisemitismus, wie er sich etwa neulich in der U-Bahn gezeigt habe: Dort sei ein Fahrgast angepöbelt worden, weil er den Davidstern als Hintergrundbild seines Handys verwendete. Bekannte hätten miterlebt, wie der Mann beschimpft wurde, und davon erzählt, sagt der CSU-Politiker. Erfasst werden solche Angriffe in München bislang nirgends.

Dass sich das ändert, ist eines der ersten Projekte Spaenles als bayerischer Antisemitismusbeauftragter: So bald wie möglich soll es eine bayerische Meldestelle für antisemitische Vorfälle geben. Noch würden Mitarbeiter rekrutiert, sagte Spaenle. Man müsse sich ein vollständiges Bild machen können, auch um Wege zu finden, um gegen Antisemitismus vorzugehen.

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Damit will der neue Antisemitismusbeauftragte der wachsenden Judenfeindlichkeit begegnen und eine Kultur des Hinschauens fördern.

Seit etwa 100 Tagen ist Spaenle im Amt. Am Freitag hat der Münchner CSU-Chef und langjährige Kultusminister eine erste Bilanz gezogen - und sich erstaunt darüber gezeigt, welche Vielzahl an Aufgaben sich ihm in dieser Funktion stellen: "Das habe ich mir so nicht vorgestellt." Der Judenhass nehme zu, sagte Spaenle.

Das zeige bereits die Kriminalitätsstatistik, auch wenn dort Vorfälle wie jene Pöbelei in der U-Bahn noch gar nicht enthalten sind. Demnach gab es im ersten Halbjahr 2018 bundesweit 401 antisemitische Straftaten, zehn Prozent mehr als in der ersten Jahreshälfte 2017. In Bayern waren es 43. Judenhass komme nicht nur von Rechten, sondern auch von Linken und Muslimen, oft bezogen auf Israel.

Spaenle will an vielen Punkten gegensteuern. So soll etwa ein neues Bayerisch-Israelisches Jugendwerk Jugendliche aus beiden Ländern zusammenbringen. An der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität soll es eine Vortrags- und Dialogreihe zu jüdischem Leben und gegen Antisemitismus geben.

"Wir müssen eine Kultur des Hinschauens entwickeln"

Ein ständiger Runder Tisch soll Vertreter aller betroffenen bayerischen Ministerien vernetzen. Er wolle auch an Museen und Gedenkstätten herantreten und Erinnerungsprojekte anstoßen, sagte Spaenle: Eine Idee sei etwa, die Archive zerstörter jüdischer Gemeinden, die heute in Israel lagern, zu digitalisieren - so könne jeder sehen, wie sehr Juden Bayern geprägt haben.

Und um Antisemitismus an den Schulen zu bekämpfen, wolle er die Lehrer mit Fortbildungsangeboten unterstützen, wie sie mit antisemitischen Stereotypen insbesondere bei Muslimen umgehen können. Seit 2015 seien viele junge Flüchtlinge ins Land gekommen, die mit judenfeindlichen Vorurteilen aufgewachsen seien. Deshalb wolle er auch anregen, das Thema Antisemitismus in den Integrationskursen zu verankern.

"Wir müssen eine Kultur des Hinschauens entwickeln", sagte Spaenle. Vordringlich sei dabei die Meldestelle. Sie solle als Verein organisiert und an den Bayerischen Jugendring angebunden werden, sich an der 2015 gegründeten Berliner Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) orientieren und nicht nur Vorfälle registrieren, sondern die Menschen auch beraten.

© SZ vom 18.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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