Gericht:Prozess um Messerstecherei: Verteidiger geraten ins Visier von Ermittlungen

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Der Richter hält den Verteidigern von Melanie M. vor, versucht zu haben, den Prozess gegen die Lebensgefährtin eines Hamburger Millionärs zu manipulieren. (Foto: dpa)
  • Die Verteidiger von Melanie M. müssen mit einem Ermittlungsverfahren rechnen, weil sie versucht haben sollen, den Prozess gegen ihre Mandantin zu manipulieren.
  • "In 27 Jahren habe ich es nicht erlebt, dass Verteidiger derart ihre professionelle Distanz verloren haben", sagt der Richter bei der Urteilsverkündung.
  • Die Freundin eines Hamburger Millionärs muss viereinhalb Jahre in Haft, weil sie auf der Wiesn 2015 einen Mann niedergestochen hat.

Von Christian Rost, München

Melanie M. muss viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Das Münchner Schwurgericht sprach am Mittwoch die 34-jährige Lebensgefährtin eines Hamburger Millionärs und Mutter von drei Kindern des versuchten Totschlags und der gefährlichen Körperverletzung schuldig. Auf dem Oktoberfest 2015 hatte sie einen Lastwagenfahrer aus Poing niedergestochen, der rassistische Beleidigungen brüllte.

Das Gericht schloss Notwehr aus und erkannte einen bedingten Tötungsvorsatz bei der Angeklagten. Weil der Prozess manipuliert werden sollte, mussten sich auch die drei Verteidiger von Melanie M. heftige Kritik des Schwurgerichtsvorsitzenden Norbert Riedmann gefallen lassen. Ihnen droht jetzt ein Ermittlungsverfahren.

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Während des Verfahrens gegen Melanie M. wird ihr Lebensgefährte verhaftet. Er soll einen vermeintlichen Entlastungszeugen für seine Aussage bezahlt haben.

Von Christian Rost

Der seit Ende Mai laufende Prozess war gekennzeichnet von üblen Fouls aus dem Umfeld von Melanie M. Deren vermögender Freund hatte laut Riedmann mehrfach versucht, Zeugen zu kaufen, um das Verfahren zu beeinflussen. 200 000 Euro bot Detlef F., 63, einem dubiosen Geschäftsmann aus der Schweiz, der als Entlastungszeuge auftrat, wegen Falschaussage noch im Gerichtssaal festgenommen wurde und dann gestand, gelogen zu haben.

125 000 Euro bot die Verteidigung überdies dem Lastwagenfahrer, den die Angeklagte am ersten Wiesn-Wochenende vor dem Käfer-Zelt mit einem Klappmesser so schwer verletzt hatte, dass ihm die Milz entfernt werden musste. Zuvor hatte der Mann einen Bekannten von Melanie M., den Ex-Fußball-Nationalspieler Patrick Owomoyela, als "Bimbo" bezeichnet.

Die Verteidigung wollte den Lastwagenfahrer offenbar dazu bringen, für die genannte Summe eine Vereinbarung zu unterschreiben, die M. entlastet. Der Mann nahm letztlich 80 000 Euro Schmerzensgeld an, unterschrieb die Vereinbarung aber nicht. Um ihn weiter unter Druck zu setzen, habe der Hamburger Millionär Detektive auf ihn angesetzt, die ihm in Agentenmanier sogar beim Angeln aufgelauert hätten, so Richter Riedmann.

Seinem Ärger über all diese Vorgänge machte der Vorsitzende unverhohlen Luft. Besonders die Rolle der Verteidiger Gerhard Strate, Steffen Ufer und Annette Voges kritisierte er: "In 27 Jahren habe ich es nicht erlebt, dass Verteidiger derart ihre professionelle Distanz verloren haben." Riedmann unterstellte den Anwälten indirekt, bei der Vorbereitung des gekauften Zeugen mitgewirkt zu haben. Die Staatsanwaltschaft werde das noch genau ermitteln, so der Richter, der auch die Anwaltskammer über dieses bemerkenswerte Gerichtsverfahren informieren will.

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Beim Verlassen des Käfer-Zelts sei er angegriffen worden, sagte der Ex-Nationalspieler vor Gericht. Von der Messerattacke der Angeklagten will er nichts mitbekommen haben.

Melanie M. brach bei der Urteilsverkündung in Tränen aus, wie so oft während des laufenden Prozesses. Sie hatte den Messerstich eingeräumt, aber betont, sich von dem Lastwagenfahrer massiv bedroht gefühlt zu haben. Dieser Einlassung schenkte das Gericht keinen Glauben, Zeugen hätten weder einen Angriff des Mannes beobachtet, noch Hilferufe von M. gehört. Sie habe aus "Zorn und Wut" über das aggressive Verhalten auf ihn eingestochen, so das Gericht.

In Not sei die Frau nicht gewesen: "Sie holt das Messer raus, klappt es auf, sticht zu und wirft das Messer weg - da gibt es keine Anzeichen von Panik", so Riedmann. Danach sei Melanie M., die ebenso wie das Opfer betrunken war, in "ganz normaler Stimmung" mit ihren Bekannten in den Club P1 gefahren, um weiterzufeiern. Von der Tat erzählte sie zunächst nichts, auch nicht ihrem Lebensgefährten.

Detlef F. war wegen des Zeugenkaufs vorübergehend selbst festgenommen worden. Erst nach einem Geständnis kam er auf freien Fuß. Gegen ihn läuft ein Strafverfahren. Richter Riedmann betonte, dass auch für Prominente keine Sonderrechte gelten. Das hatte die Kammer schon vor Prozessbeginn deutlich gemacht. Sie lehnte es ab, dass Melanie M. nach ihrer Festnahme in Hamburg mit dem Flugzeug nach München gebracht wird, statt wie andere Untersuchungshäftlinge mit dem normalen Gefangenentransport.

Ebenfalls nicht beeindrucken ließ sich das Gericht von laut Riedmann "lancierten Presseartikeln", die Melanie M. in einem sehr positiven Licht erscheinen ließen. Der Richter nannte in diesem Zusammenhang das Magazin Spiegel, das sich früh auf die Seite der Angeklagten geschlagen hatte. Auch auf andere Medien sei aus dem Umfeld von Detlef F. "Druck ausgeübt worden", kritisierte Riedmann.

Der Hamburger Verteidiger Gerhard Strate sprach nach der Schelte von "Verteidiger-Bashing" und meinte: München sei zwar eine schöne Stadt, doch die Strafjustiz in Bayern sei nicht so, dass man sich darüber freue. Die Anwälte prüfen eine Revision gegen das Urteil.

© SZ vom 11.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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