Gärtnerplatztheater:Mit dem Pumuckl kommt die Anarchie auf die Bühne

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Ferdinand Dörfler hat es als Meister Eder nicht immer leicht mit dem Pumuckl (Christian Schleinzer). (Foto: Christian Pogo Zach)

Der unangepasste Kobold feiert bald seine Premiere am Gärtnerplatztheater. Franz Wittenbrink ist der richtige Komponist für das Musical - und das gleich aus mehreren Gründen.

Von Egbert Tholl, München

Seine Sonntage verbrachte Franz Wittenbrink bei den Tanten. Die lebten in Regensburg, wohin es den neunjährigen Franz verschlagen hatte, aus Niedersachsen, weil das äußerst musikbegabte Kind Musik lernen sollte und deshalb aufs Internat der Regensburger Domspatzen ging.

Am Sonntag durfte der Bub dieses verlassen, dann war Tantentag, und an diesem gab es nach dem Schweinsbraten bald auch immer ein Hörspiel im Radio. Und diese Hörspiele hat Ellis Kaut geschrieben, den "Pumuckl". Ungefähr 56 Jahre später - der erste "Pumuckl" lief im Februar 1962 - hat nun "Pumuckl, das Musical" seine Uraufführung am Gärtnerplatztheater. Es schrieb und komponierte Franz Wittenbrink, zusammen mit Anne X. Weber.

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Bei der Hauptprobe zwei Tage vor der Premiere geht der Dirigent Andreas Kowalewitz noch schnell den "Song Nummer 21" durch, bevor es losgeht. "Wenn Komponisten noch leben, hat das den Vorteil, dass man Korrekturen noch im letzten Moment machen darf." Der Komponist sitzt im Parkett und sagt nach der Nummer: "Wunderbar Andreas."

Dann geht es los, und natürlich hört man dann gleich auch das Lied aus der "Pumuckl"-Verfilmung von 1982, ohne das geht nix, das war Franz Wittenbrink auch klar. Aber er variiert es, lässt es zwinkernd kurz auftauchen - und macht dann ganz was anderes. Sehr viel anderes. Dann erklingt eine Zither und bairische Musik, gibt es Big-Band-Jazz für eine Schar putzmunterer Kinder, ein veritables, urkomisch mit dem Pathos spielendes Opernduett, eine echte Musical-Nummer und überhaupt sehr viel verspielte, rhythmisch ausgefinkelte Musik, die ungemein Freude macht und dem Prinzip etwa eines Mozartschen Ensembles folgt, dass nämlich Singen auch die Handlung vorantreiben könne und nicht Stillstand bedeute. Auf den Mozart-Vergleich kommt Wittenbrink selbst, dessen Lieblingskomponist sonst eher jemand wie Kurt Weill ist, wegen dessen Polystilistik. Das hört man.

Franz Wittenbrink meint, so viel Musik habe er noch nie für einen Abend komponiert. Schuld daran sind nicht nur die Tanten von damals, sondern Ellis Kaut selbst. Ein Jahr vor ihrem Tod war es ihr Wunsch, dass aus dem "Pumuckl" ein Musiktheater würde. Ursprünglich war die Idee ihres Bühnenverlags, dafür eine neue Episode mit dem kleinen Kobold zu entwerfen.

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Beschauliches München: Szenen aus der Serie "Meister Eder und sein Pumuckl", die der Bayerische Rundfunk zwischen 1982 und 1989 ausgestrahlt hat. Screenshots: SZ / Foto: imago

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Aber das fand Wittenbrink, als ihn der Verlag fragte, Quatsch, das Neue sei die Musik, Ellis Kaut ließ ihn dann frei über den Stoff verfügen und Wittenbrink hatte nur noch das Problem, sich von den Filmdialogen weitgehend lösen zu wollen, obwohl er sie heute sehr schätze. Im Grunde geht es ihm wie vielen: Der eigentliche "Pumuckl", das sind die Hörspiele, im Radio oder auf Schallplatte, weil die auch den Vorteil haben, dass man trotz der Zeichnungen von Barbara von Johnson, die bis heute (und auch für die Inszenierung von Nicole Claudia Weber) stilbildend für die Erscheinung des Kobolds sind, die Freiheit im Kopf hat, sich einen Pumuckl vorzustellen.

Er liebe den Pumuckl wegen dessen Anarchie. Das passt. Mit elf erhielt Wittenbrink als Superbegabter über die Domspatzen Unterricht in Tonsatz von Dozenten der Münchner Musikhochschule, nach dem Internat - "eine brutale Ausbildung, aber letztlich gut" - war sein Weg mit Musikstudium und Klavier vorgezeichnet. Doch lieber betätigte er sich als Mitbegründer des Kommunistischen Bunds Westdeutschland, bekundete, für die Bourgeoisie nicht zu spielen, studierte im Marxschen Sinne Volkswirtschaft und rührte zwölf Jahre kein Klavier mehr an. Zumindest nicht in der Öffentlichkeit, denn bei seinen Kampfgefährten war das Klavier verpönt; eher sammelte man für Pol Pot.

Doch da Wittenbrink an die Gesellschaft verändernde Wirkung von Musik glaubte, seinen ideologischen Furor verlor und bei den Kommunisten in Ungnade fiel, besann er sich wieder auf die Musik. Und erfand seine ureigene Form des Liederabends, indem er vor 25 Jahren Frank Baumbauer in Basel davon überzeugte, dass Schauspieler mehr als Sprechgesang könnten. Bis dahin verband man mit Liederabend irgendwas Erotisches, "gehobenen Kultursex für Handelsvertreter". Dann kam "Über die Verführung von Engeln in Hauseingängen" heraus, später "Sekretärinnen" und "Männer" und gefühlt dann 500 Abende an den Münchner Kammerspielen, von Wittenbrink am Klavier begleitet.

Aber als er den "Pumuckl" komponierte, fragte er sich, warum er einen Liederabend nach dem anderen rausgehauen habe. Schließlich brauchte er dann nur noch ein Theater, das in München sein musste, eh klar. Und nach einem Anruf stand fest, was nun am Donnerstag am Gärtnerplatztheater Realität werden wird: "Pumuckl, das Musical".

© SZ vom 18.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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