Dachauer Straße:Feuer in Maxvorstadt: Es war Brandstiftung

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  • Bei einem Großbrand in einem Mietshaus in der Dachauer Straße sind drei Menschen - wohl ein Vater und seine zwei Kinder - ums Leben gekommen.
  • Die Polizei schließt einen technischen Defekt aus.
  • Das Feuer ging von einer Matratze aus. Ob es jemand absichtlich oder fahrlässig entfacht hat, ist offen.

Von Martin Bernstein, München

War es eine bloße Fahrlässigkeit oder war es vorsätzliche Brandstiftung? Eine zwölfköpfige Ermittlungsgruppe der Münchner Kriminalpolizei soll klären, wie es in der Nacht zum Mittwoch zu einem verheerenden Großbrand in einem Wohnhaus in der Dachauer Straße 24 kommen konnte, bei dem drei Menschen starben. Nach Erkenntnissen der Polizei dürfte es sich bei den Opfern um einen 37-jährigen Mann aus Bulgarien und dessen 16 und neun Jahre alten Töchter handeln. Sie starben laut Polizei an Rauchvergiftungen und Hitzeeinwirkung. Elf weitere Menschen erlitten Vergiftungen. Einen technischen Defekt schließen die Brandfahnder als Ursache aus. Das Feuer war im hölzernen Treppenhaus des Vordergebäudes des Anwesens ausgebrochen, in dem 97 Bewohner gemeldet sind. Vom dritten Stock breiteten sich die Flammen schnell nach oben aus. Ein Blick aus dem Hinterhof zeigt: Das Feuer hatte den Dachstuhl bereits erreicht, als es der Feuerwehr in letzter Sekunde gelang, den Brand unter Kontrolle zu bringen. Sonst wäre ein Übergreifen auf die Nachbarhäuser kaum zu verhindern gewesen.

Brandherd war wohl eine Matratze, deren metallene Sprungfedern die Brandfahnder im Treppenhaus fanden. Wurde die Matratze von einer unachtsam weggeworfenen Kippe entzündet? Oder hat jemand bewusst nachgeholfen? Und wenn ja, aus welchem Motiv? Auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund gibt es bislang keinerlei Hinweise. Auch Kenner der rechten Szene äußern derzeit keinen Verdacht. "Wir stehen erst am Beginn der Ermittlungen", sagt Polizeisprecher Thomas Baumann.

Feuer in Maxvorstadt
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Dazu gehört auch, dass die Einhaltung der Brandschutzbestimmungen überprüft wird. Und dass sich die zwölf Ermittler, die in der eigens zusammengestellten Ermittlungsgruppe "Dachau" arbeiten, alle Einsätze der Polizei in diesem Haus aus den vergangenen Jahren noch einmal genau anschauen. Denn die Adresse Dachauer Straße 24 war den Beamten schon länger bekannt. "Die Wohnverhältnisse dort sind sehr unübersichtlich", sagt Leitender Kriminaldirektor Frank Hellwig, "es gibt sehr, sehr viele Spuren."

Einfache Unterkünfte gab es dort, viele einzelne Zimmer. Die Briefkastenschilder zeigen: große Fluktuation, viele rumänische, bulgarische und slowenische, dazwischen vereinzelt auch ein paar deutsche Namen. "Es war ein Kommen und Gehen", erzählt einer der Bewohner. Offenbar lebten viele Wanderarbeiter aus Osteuropa in dem Haus, aber auch Frauen und Familien. Nachbarn berichten von jungen Frauen, die in den umliegenden Table-Dance-Bars ihrer Beschäftigung nachgingen.

Zwei Waffengeschäfte gibt es, eines im ehemaligen Café Hölzl, das bis vor Jahren dort untergebracht war, außerdem mehrere Spielsalons. Nachbarn berichten, dass oft rauchende Hausbewohner in der Durchfahrt gesessen seien. Es habe immer wieder Streit gegeben. Und bereits zwei Brandstiftungen, vor zwei und vor vier Jahren. Einmal brannte ein Zeitungsstapel. Das andere Mal eine Matratze. Auch diesmal war es also wohl eine Matratze, die zu dem Großbrand geführt hat.

Dramatische Szenen spielten sich gegen 2 Uhr morgens in und an dem Haus ab. Zahlreiche Menschen klammerten sich an das Metall der Notleiter, schrien um Hilfe, während wenige Meter neben ihnen Flammen aus den Fenstern des Treppenhauses schlugen. Die Leiter endete acht Meter über dem Asphalt des Hinterhofs, zu hoch für einen Sprung. Doch die Leiter erfüllte ihren Zweck. Rund zehn Menschen konnte die Feuerwehr auf diesem Weg aus dem brennenden Haus retten. Weitere Bewohner wurden mit Drehleitern in Sicherheit gebracht. Insgesamt 18 Menschen bewahrte die Münchner Feuerwehr so vor dem Tod. Andere Bewohner des fünfstöckigen Hauses retteten sich in letzter Minute übers Dach.

Für die bulgarische Familie jedoch kam jede Hilfe zu spät. Sascha A. und seine beiden Töchter wurden von den Einsatzkräften später tot auf dem Flur vor ihrem Appartement im Dachgeschoss aufgefunden. Die Familie A., berichteten Hausbewohner, habe seit mehr als fünf Jahren dort gewohnt. Die Mutter ist nach Polizeiangaben derzeit in Bulgarien.

Adam, 40, wohnte ebenfalls im obersten Stockwerk. Dort gab es fünf Appartements, offenbar bewohnt von langjährigen Mietern. Adam, der seinen Nachnamen nicht nennen will, hat überlebt. Zehn Jahre lang lebte er in dem Haus. "Mein Mitbewohner lief in mein Zimmer", erzählt er von den dramatischen Minuten mitten in der Nacht. "Mit ihm kam Rauch herein." Plötzlich ein Knall, explosionsartig seien die Türen eingedrückt worden. Möglicherweise war es dieser Flash-over, der schlagartige Übergang zum Vollbrand, dem die Familie A. zum Opfer gefallen ist. Adam und sein Kollege, der ihm wohl das Leben gerettet hat, kletterten aus der Dachgaube im 5. Stock und brachten sich an einem Schneeschutzgitter entlang aufs Dach des Nachbarhauses und dort durch ein Fenster in Sicherheit.

Mit einem Großaufgebot von rund 200 Einsatzkräften waren Polizei, Berufsfeuerwehr und Rettungsdienste am Brandort. Nach etwa einer Stunde waren die Flammen unter Kontrolle. Insgesamt elf Menschen hatten Rauchgasvergiftungen erlitten, am Mittag waren noch sechs von ihnen im Krankenhaus. "An ein Wohnen ist dort nicht mehr zu denken", so ein Polizeisprecher. Mindestens 97 Menschen haben ihre Bleibe verloren. Schräg gegenüber im King's Hotel fanden viele von ihnen eine erste Unterkunft.

Noch Stunden nach dem Brand saßen die obdachlos gewordenen Menschen dort zusammen, Familien mit kleinen Kindern, zahlreiche junge Männer, viele nur in T-Shirts und kurzen Hosen. Über ihr Schicksal, ihre Herkunft wollten sie nicht reden. Die meisten wurden im Schlaf überrascht. Kaum jemand hatte bei der Flucht etwas mitnehmen können.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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