Ehrenamtliche Entwickler:Integration per Mausklick

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Zufriedene Gesichter in der ersten Reihe: Staatsminister Marcel Huber, Landrat Stefan Löwl und Landtagsabgeordneter Bernhard Seidenath (alle CSU). (Foto: Toni Heigl)

Der Landkreis stellt eine Website und eine App vor, die anerkannten Flüchtlingen im Alltag helfen soll. Staatsminister Marcel Huber ist begeistert, die Bürgermeister reagieren zurückhaltend. Von Helfern kommt Kritik.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Staatsminister Marcel Huber sieht in einem Integrationsprojekt aus dem Landkreis Dachau ein Vorbild für ganz Bayern. Eine spezielle App und eine Webseite sollen anerkannten Flüchtlingen, die Bleibe- und Arbeitserlaubnis haben, helfen, sich besser zurecht zu finden. Das Projekt wurde am Donnerstagvormittag im Thoma-Haus vorgestellt, Huber reiste extra für eine Begrüßungsrede an. Erstellt und technisch umgesetzt haben das Projekt vier Ehrenamtliche unter Leitung der Ehrenamtskoordinatorin Martina Tschirge im Landratsamt. Zum Konzept gehört auch, dass zukünftig alle Gemeinden im Landkreis einen Ansprechpartner für Integrationsfragen und ein entsprechendes Büro installieren sollen.

App und Webseite nennen die wichtigsten Anlaufstellen in der Gemeinde, bieten Vorlagen für die Erstellung von Bewerbungen und Lebensläufen und erklären beispielsweise, wie deutsche Automaten funktionieren. Zudem gibt es eine technische Anwendung, die den sogenannten Integrationsberatern und ihren Klienten dabei helfen soll, einen "Integrationsfahrplan" zu erstellen. Dazu gehört Hilfe bei der Job- und Wohnungssuche sowie in sozialen Fragen. Die Integrationswilligen können außerdem Bonuspunkte sammeln, wenn sie bestimmte Hilfen oder Kurse in Anspruch genommen oder sich selbst für andere engagiert haben. Tschirge vergleicht es mit der Ehrenamtskarte. Die Punkte können beispielsweise in Telefonguthaben eingelöst werden.

Wie das Projekt in der Praxis umgesetzt werden soll, ist noch unklar. Die Bürgermeister von Weichs, Röhrmoos und Hebertshausen zeigen sich grundsätzlich offen. Wobei Harald Mundl (WBV) und Dieter Kugler (CSU) zunächst die ganz praktische Frage nach einem Raum umtreibt. Mundl scherzt, das gebe ihm neuen Auftrieb, in Weichs einen Rathausneubau durchzusetzen. Richard Reischl (CSU) erklärt, das Thema Asyl sei klar Aufgabe des Staates, bei der Integration seien die Gemeinden gefragt. Er kann sich vorstellen, eine Stelle zu schaffen und feste Beratungszeiten einzurichten. Kugler und Mundl denken derzeit noch an Ehrenamt.

Einige Freiwillige fühlen sich übergangen

Der Dachauer Stadtrat hat bereits im vergangenen Jahr beschlossen, eine Stelle für Integrationsfragen zu schaffen. Eine Besetzung wird derzeit noch gesucht. Fast fertig ist Dachau dafür mit einer eigenen App für Neubürger aus dem Ausland. Die Idee der Dachauer hatte sich mit der des Landratsamtes überschnitten. Dafür hat Dachau das Rad nicht neu erfunden, sondern sich an die TU München gewandt, welche die sogenannte Integreat-App bereits für die Städte Augsburg, Regensburg, Bad Tölz und andere entwickelt hat. Die Inhalte wurden in Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen aus dem Arbeitskreis Asyl Dachau erstellt, derzeit werden die Texte noch ins Arabische, Englische und Französische übersetzt. Die Dachauer App sei "etwas ganz anderes" als die aus dem Projekt des Landratsamtes, sagt Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Überschneidungen werde es wohl geben. Allerdings sei kein Bonus-Punktesystem enthalten.

Einige Freiwillige fühlen sich übergangen: Die Helferkreise in Petershausen, Haimhausen, Hebertshausen und Dachau lassen verlauten, sie seien in die Entwicklung der App nicht eingebunden gewesen. Nachdem das Projekt am Vormittag unter anderem einigen Bürgermeistern vorgestellt worden war, sollten die Helfer am Abend informiert werden. Viele sagten jedoch ab, denn seit Monaten hatten sie für diesen Abend ihr landkreisweites Treffen geplant. Nur wenige wollten vor dem Helfer-Treffen noch schnell im Thoma-Haus vorbeischauen. "Die Helferkreise sind ganz ganz wichtig", sagt Tschirge. Sie wolle ein Angebot machen. Sie verglich ihr System mit einem Gefäß, das nun befüllt und gestaltet werden müsse.

© SZ vom 13.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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