Was auf Facebook steht, darf man nicht für bare Münze nehmen. Das weiß jeder, der sich einigermaßen mit dem sozialen Netzwerk auskennt. Und doch kommt es täglich vor, dass Menschen durch Inhalte auf Facebook verunsichert werden. Das musste jetzt der Münchner Veranstalter Otger Holleschek erfahren. Er hatte am Montag auf Facebook eine Veranstaltung erstellt: "Die Königin der Nacht in der alten Paulaner-Brauerei" am 22. Oktober. Ein großes Konzert mit Party will er in den Gebäuden in der Au veranstalten, die bald abgerissen werden.
Binnen 24 Stunden hatten Facebooks Algorithmen und ein paar Einladungen an die richtigen Leute die Veranstaltung in sämtliche Münchner Timelines gespült. Die Zahl derer, die auf den "Zusagen"-Knopf drückten, stieg stündlich und hatte schon Dienstagnachmittag die Marke 11 000 überschritten. Eigentlich toll - aber eigentlich viel zu viel für eine Veranstaltung, für die beim KVR vorerst nur 800 Besucher beantragt wurden.
Am Dienstagabend dann hingen die ersten Zettel am Paulaner-Zaun, erzählt Holleschek: "Bürger, wehrt euch!" Aufgehängt, so kann er nur vermuten, von um ihre Nachtruhe besorgten Anwohnern. Der zuständige Bezirksausschuss Au-Haidhausen wurde nervös. Auch da befürchtete man Ruhestörungen, Stau und Müll durch die auf Facebook angekündigten 11 000 Feiernden. Die Vorsitzende des Bezirksausschuss Adelheid Dietz-Will (SPD) sagt: "Das Schlimme wäre, wenn alles draußen stattfände und die da Remmidemmi machen".
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Die ersten Bagger könnten schon im Frühjahr anrollen: Auf dem ehemaligen Paulaner-Gelände sollen Wohnungen für 3000 Menschen entstehen. Die Anwohner stehen dem Projekt kritisch gegenüber.
Wie Facebook genau funktioniert, weiß sie zwar nicht, das gibt sie zu: "Aber wenn da Tausende zusagen? Und die alle mit dem Auto kommen? Gott sei Dank reißen die das Gebäude bald ab, sonst würden jetzt alle ankommen und dort irgendwas veranstalten wollen." Holleschek müsse unbedingt seine Besucher auf die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel hinweisen.
Der Bezirksausschuss kam bei seiner Sitzung am Mittwochabend zu keiner finalen Einschätzung, man warte auf das Okay vom KVR und von Paulaner. Das nämlich stand in der Tat am Montag noch aus, als Holleschek die Veranstaltung auf Facebook stellte. Paulaner, so lässt er durchblicken, sei darüber nicht allzu erfreut gewesen, auch nicht über den Interessentenansturm. Bei Paulaner ist am Donnerstag allerdings niemand zu erreichen.
Erst spielen Philharmoniker, dann übernehmen Elektro-DJs
Nun ist Otger Holleschek kein Anfänger, der mal eben eine Sause schmeißen will. Er ist renommierter Veranstalter und organisiert die Literaturreihe "Hörgang", sowie den "Münchner Kurzgeschichtenwettbewerb". Auch das Konzert auf dem Paulaner-Gelände ist die Fortsetzung eines etablierten Prinzips namens "Königin der Nacht": Zuerst spielen Musiker ein paar klassische Werke, danach legen DJs elektronische Musik auf, stets an ungewöhnlichen Orten, wie beispielsweise dem Postpalast.
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Es ist wie auf dem Dorf: Die Menschen treffen sich oft auf der Straße, begegnen sich in den vielen Läden und Lokalen. Nicht mal die vielen Neubauten zerstören den Charme.
Am 22. Oktober sind es Schlagzeuger der Münchner Philharmoniker, die Werke von Nebojsa Zivkovic, John Cage und Steve Reich spielen. "Die meisten ahnen gar nicht, wie spannend klassische Musik ist", sagt Holleschek. Indem er Klassik und Pop zusammenbringt und zeigt, wo sie zusammenhängen, möchte er das ändern.
Es wird bereits die fünfte Veranstaltung dieser Art sein. Warum es aber ausgerechnet diesmal so viel Wirbel gab, kann Holleschek selbst nicht erklären. "Das macht eine Stadt doch aus: Nicht nur in etablierten Clubs rumspringen, wo das Bier zehn Euro kostet, sondern neue Orte erschließen. Natürlich werden wir Rücksicht nehmen. Wir dichten Türen ab und ziegeln Mauern - zum Lärmschutz."
Am Donnerstagvormittag kam dann das endgültige Okay von Paulaner und vom Kreisverwaltungsreferat - unter der Bedingung, dass Holleschek und sein Partner Daniel Hahn noch ein Sicherheitskonzept vorlegen. "Natürlich legen wir das vor, das legen wir immer vor", sagt Holleschek. Nur die Zahl der Interessierten auf der Facebook-Veranstaltungsseite, die hat er inzwischen auf nicht mehr für alle sichtbar gestellt, vorsichtshalber.