Biermangel:Die Flaschen aus Preußen

Lesezeit: 3 min

  • Bei Augustiner-Bräu und Tegernseer gibt es im Moment einen Lieferengpass.
  • Schuld sind die bauchigen Euroflaschen, an denen einige Brauereien in und um München festhalten. Sie wollten Anfang der Neunzigerjahre nicht auf die schmalere NRW-Flasche umstellen.
  • Weil der Pool an Euroflaschen nicht groß ist, kann es in Spitzenzeiten zu Engpässen kommen.

Von Sara Peschke

Bier wird knapp! Dieser Horrorsatz schockiert die Leser der Münchner Lokalzeitungen in jedem Sommerloch so zuverlässig wie Geschichten über ausgesetzte Hunde. Vermutlich gibt es in der Tat wenig Dramatischeres für die Bayern als die Befürchtung, auf dem Trockenen zu landen. Deshalb an dieser Stelle schnell die gute Nachricht: Das Bier wird nicht knapp, die Fässer der oberbayerischen Brauereien sind gut gefüllt.

Es gibt trotzdem ein Problem mit dem Bier, doch das liegt weniger an dem Getränk selbst. Die Flaschen sind schuld am aktuellen Lieferengpass von Augustiner-Bräu und Tegernseer. Es sind einfach nicht genügend da, das fertige Bier kann nicht abgefüllt werden. Wie ist das möglich?

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Zur Beantwortung der Frage muss man in der Biergeschichte ins Jahr 1967 zurückgehen. Unter dem Titel "Schrott in Kisten" widmete damals der Spiegel dem Umstand einen langen Text, dass sich unter den deutschen Brauereien mehr und mehr die runde Euroflasche durchsetze - sie fasse ebenfalls einen halben Liter, sei aber "niedriger, leichter und in der Anschaffung billiger" als ihre Vorgänger. So richtig überzeugen konnten die fülligeren Flaschen jedoch nicht, sie standen irgendwann für Baustelle und Suff, der Bierabsatz sank.

Also entschlossen sich viele Brauereien Anfang der Neunzigerjahre, wieder umzustellen, diesmal auf die sogenannte NRW-Flasche. Von deren schmalerer Silhouette, die angeblich einer kleinen Weinflasche ähneln soll, versprachen sie sich ein besseres Image. Einigen Brauereien in und um München war das egal, ihr Bier wurde in jeder Verpackung gekauft und getrunken. So verzichteten etwa Augustiner und das Herzoglich-Bayerische Brauhaus Tegernsee darauf, komplett auf die NRW-Flasche umzurüsten.

Ferdinand Schmid, der 2013 verstorbene ehemalige Chef von Augustiner, sagte dem SZ-Magazin einmal: "Es hat geheißen, die Euroflasche wird in Zukunft gar nicht mehr hergestellt. Aber das habe ich nicht geglaubt. Und außerdem hätte uns die Umstellung auf neue Flaschen und Träger 15 Millionen Mark gekostet." Schmid, ein vorausschauender Geschäftsmann, kaufte stattdessen kurzerhand die Euroflaschen-Bestände der anderen Münchner Brauereien auf.

Doch was, wenn dieser Bestand irgendwann aufgebraucht ist? Liegt darin vielleicht der Grund für die sommerliche Bierdürre?

Der Euroflaschenpool ist die Wurzel des Übels

"Seien Sie unbesorgt", sagt Walter König, Diplomingenieur und Geschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds, "selbstverständlich werden weiterhin Euroflaschen produziert. Jede Brauerei, die diese Flaschen einsetzt, verpflichtet sich, Neuglas in den Kreislauf einzuspeisen." Aber der Euroflaschenpool sei insgesamt eben nicht so groß, wodurch es in Spitzenzeiten zu Engpässen kommen könne.

Euroflaschenpool. Die Wurzel des Übels ist also etwas, das klingt wie ein Fachbegriff aus dem Brüsseler Bürokratiewirrwarr. Tatsächlich stellt dieser Pool Brauereien wie Augustiner vor logistische Herausforderungen. Weil nur wenige Produzenten die Euroflaschen benutzen, ist ihr Bestand deutlich kleiner als etwa jener an NRW-Flaschen. Im Winter ist das kein Problem, da reichen die vorhandenen Flaschen aus.

Doch wenn es heiß wird im Sommer, wenn die Menschen mehr Bier trinken und ihre Pfandflaschen nicht sofort zurückgeben, weil sie im Urlaub sind, dann stoße der Euroflaschenpool an seine Grenzen, sagt König: "Wenn viele Münchner plötzlich nicht mehr einen, sondern zwei Kästen Augustiner im Keller stehen haben, setzt das dem Pfandsystem zu." Und über den gesteigerten Absatz des hippen Traditionsbiers im Norden Deutschlands freut sich zwar die Verkaufsabteilung von Augustiner, doch bis die Pfandflaschen ihren Weg zurück in die südliche Heimat gefunden haben, dauert es seine Zeit.

Eine Lösung scheint nahe zu liegen: Einfach mehr Flaschen im Winter einlagern, damit im Sommer die Spitzen abgedeckt werden können. Oder? "Das ist theoretisch zwar möglich, in der Praxis aber nicht immer umsetzbar", sagt Brauerbund-Geschäftsführer König. Dazu fehle es einer Brauerei wie Augustiner, die sich im eng bebauten Stadtgebiet befinde, an Lagerkapazitäten.

Eine Hoffnung gibt es. Weil Bayern-Nostalgie gerade in ist, stellen mehr und mehr kleinere Brauereien auf die bauchigen Flaschen um, Giesinger und Ayinger zum Beispiel; dadurch dürfte der Pool an Euroflaschen wachsen. Und wenn der Getränkemarkt um die Ecke doch einmal allzu lange ausgekauft sein sollte, gibt es ja immer noch das Wirtshaus. Das frisch gezapfte Bier vom Fass wird niemals knapp, keine Angst. Nicht in Bayern.

© SZ vom 12.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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