Befragung:Was die Münchner an ihrer Stadt zu motzen haben

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  • Die Stadt hat in einer repräsentativen Umfrage knapp 6000 Münchner über Zufriedenheit und Lebensumstände befragt.
  • Der Münchner Durchschnittsbürger wohnt auf 42 Quadratmetern und ist Mieter.
  • Unzufrieden sind die Bürger vor allem mit dem Mietmarkt und der Kinderbetreuung, positiv bewerten sie das Kulturangebot.

Von Dominik Hutter

Otto Normalmünchner wohnt auf 42 Quadratmetern und ist Mieter. Zwar fühlt er sich stark mit seiner Stadt verbunden - zu motzen gibt es dennoch so einiges: Vor allem auf dem Wohnungsmarkt gäbe es viel zu verbessern, und auch die ewige Suche nach Parkplätzen nervt. Bei der Versorgung mit Kindertagesstätten, so findet er, könnte die Stadt noch deutlich zulegen. Dafür gibt es ein hervorragendes Kulturangebot, die Parks und Plätze sind attraktiv, und auch das MVV-Netz ist prinzipiell nicht völlig daneben gegangen. Nur ein bisschen mehr Geld dürfte man in den Nahverkehr investieren, denn Busse und Bahnen rollten vor einigen Jahren noch zuverlässiger.

Wie Otto Normalmünchner tickt, ergibt sich aus der Bevölkerungsbefragung zur Stadtentwicklung, deren Ergebnisse am Mittwoch auf der Tagesordnung des Planungsausschusses im Rathaus stehen. Knapp 6000 Münchner wurden repräsentativ ausgewählt und befragt - erstmals schriftlich, weil Festnetzanschlüsse nicht mehr zur Standardausstattung der Haushalte gehören und Handynummern keine Rückschlüsse auf den Wohnort zulassen.

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Dauerbrenner in Sachen Unzufriedenheit ist dabei der Wohnungsmarkt, der noch schlechter beurteilt wird als bei der Vorgänger-Befragung von 2010. Zwei Drittel der befragten Münchner sind unzufrieden oder sogar sehr unzufrieden mit der Situation. 23 Prozent urteilen: teil, teils. Zufrieden sind nur neun Prozent, sehr zufrieden zwei. Den Behörden gibt das durchaus zu denken, zumal zwei Drittel der Befragten mehr städtisches Geld für den sozialen Wohnungsbau ausgeben wollen. Da müsse die Stadt ihre Anstrengungen erhöhen, lautet das Fazit von Stadtbaurätin Elisabeth Merk.

Gleiches gelte für die Themen Kinderbetreuung und Verkehrslärm/Luftverschmutzung. Mehr als die Hälfte der Münchner will zusätzliche Euros in den Ausbau von Betreuungseinrichtungen pumpen. Leben im eigenen Haushalt Kinder, steigt dieser Wert nicht ganz überraschend auf bis zu 78 Prozent an (je nach Alter der Kinder; am dringlichsten finden dies die Eltern kleiner Kinder von bis zu sechs Jahren). 42 Prozent der Befragten mit kleinen Kindern sind unzufrieden oder sehr unzufrieden mit der Münchner Situation, nur etwa ein Drittel kommt mit dem Status quo gut klar. Bei Schulkindern fällt das Urteil über Hort- und Ganztagsangebote etwas milder aus. Die Eltern dieser Altersgruppe sind zu 42 Prozent zufrieden oder sehr zufrieden und "nur" zu 31 Prozent unzufrieden oder sehr unzufrieden.

Dringenden Handlungsbedarf sehen die Münchner beim Umweltschutz. 83 Prozent halten es für sinnvoll, selbst weniger Auto zu fahren (ob sie das dann auch tun, ist eine andere Frage). 82 Prozent wollen den Elektroantrieb fördern, 69 Prozent sind für Fahrverbote bei schlechter Luftqualität. Immerhin noch knapp die Hälfte will Autospuren zu Radwegen umwidmen. Eine City-Maut geht den meisten aber doch zu weit, nur 39 Prozent können sich eine solche Lösung vorstellen. Der Rückschluss, die Münchner seien komplett in die velobeseelte Öko-Fraktion gewechselt, wäre allerdings verfrüht: Nur 15 Prozent finden, dass es genügend Parkplätze in München gibt. Fast die Hälfte ist mit dem Angebot unzufrieden oder sehr unzufrieden, der Rest beurteilt die Lage durchwachsen. Die Verkehrssicherheit für Radfahrer finden übrigens nur 16 Prozent schlecht, bei Fußgängern sind es sieben.

Die Stadt sollte mehr Geld ausgeben

Hemmungen, mehr städtisches Geld auszugeben, haben die Münchner offenkundig nicht. Neben dem sozialen Wohnungsbau will mehr als die Hälfte auch in Kindertagesstätten, die städtischen Kliniken, Schulen und Ganztagsbetreuung mehr Geld investieren als derzeit im Haushalt von Kämmerer Ernst Wolowicz vorgesehen. 40 Prozent befürworten eine stärkere Förderung des MVV - 2010 forderte dies nur ein Viertel. Das Planungsreferat schließt daraus, dass viele Fahrgäste schon einmal zufriedener mit den Leistungen des MVV waren, dieser aber im Großen und Ganzen weiterhin positiv beurteilt wird.

Auch in puncto Sicherheit ist der Wunsch nach höheren Ausgaben deutlich angewachsen - von 30 auf 46 Prozent. Vor allem abends und nachts fühlen sich viele Münchner in Grünanlagen und Parks unwohl, 62 Prozent nämlich. Vor allem Frauen und Senioren haben Angst, dass Unangenehmes passieren könnte. Tagsüber hat am gleichen Ort kaum jemand ein Problem, dann fühlen sich mehr als 90 Prozent in Grünanlagen sicher. Diese nachvollziehbaren Effekte gibt es auch auf offener Straße oder in Bussen und Bahnen. Tagsüber gibt es keine Bedenken, aber abends und nachts fühlen sich 25 bis 36 Prozent unsicher. Besonders geborgen sehen sich die Münchner in der eigenen Wohnung: 96 Prozent finden es dort sicher oder sehr sicher.

Dass die Stadt auch einmal Ausgaben zurückfährt, hätte bei den Münchnern keine Mehrheit. Am ehesten noch bei Großveranstaltungen sehen viele Befragte Einsparpotenzial (44 Prozent). Schlechte Karten also für Olympia und Co. 2010 waren derartige Events noch deutlich beliebter, damals plädierte nur ein Drittel für den Rotstift. Weitere denkbare Einsparungen, die sich zumindest ein Fünftel vorstellen könnte, bieten die Themenfelder Wirtschaftsförderung und Kultur.

München darf auch in die Höhe wachsen

Das München der Zukunft darf nach Meinung einer Mehrheit durchaus ein wenig in die Höhe ragen. Um mehr Neubauwohnungen zu ermöglichen, finden 60 Prozent Architektenpläne mit höheren Bauten sinnvoll. Auf noch größere Zustimmung stößt der Ausbau von Dachgeschossen und deren Aufstockung, ein verstärkter Siedlungsbau in den Gemeinden des Speckgürtels und vor allem der Neubau auf Flächen, die bislang für andere Zwecke genutzt waren, als Verkehrsfläche beispielsweise. Was die Münchner mehrheitlich nicht befürworten: das Zubauen von klassischen Häuschengegenden oder den Grün- und Landwirtschaftsflächen am Stadtrand. Auch die Idee, auf kleinere Wohnungen zu setzen, fällt eher durch - es sei denn, die Unentschlossenen schlagen sich später noch auf die Ja-Seite: 43 Prozent könnten sich dies vorstellen, 39 Prozent sagen "teil-teils" und 19 Prozent finden das abwegig.

Mit der Lebensqualität in München sind die Befragten insgesamt zufrieden. Auffallend groß ist die Verbundenheit mit der Stadt - wobei es völlig egal ist, welchen Pass der Befragte hat: Bei 87 Prozent ist dieses Gefühl sehr stark oder stark ausgeprägt. Das eigene Viertel schneidet etwas schlechter ab als die Gesamtstadt - das Planungsreferat vermutet, dies könne daran liegen, dass viele noch vor wenigen Jahren woanders residierten. Die Verbundenheit mit Deutschland ist kleiner als die mit der Stadt München, der Wert liegt bei 78 Prozent. Bayern kommt nur auf 75 Prozent.

© SZ vom 23.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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