Abgeschottete Gerichtssäle:Journalisten unerwünscht

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Als Rechtsradikale Anfang des Jahres unter den Augen von Justizwachtmeistern mitten im Gericht Journalisten attackierten, griff die Justiz nicht ein. Ein Fehler. Manche Richter würden die Presse am liebsten ganz verbannen.

Ein Kommentar von Annette Ramelsberger

Patzt der Friseur beim Haarschnitt, sieht man das sofort: Das Ergebnis steht - hämisch kommentiert - deutlich in der Öffentlichkeit. Patzt aber die Justiz, und wird das in der Öffentlichkeit auch so kommentiert, dann gilt das unter Juristen schnell als Sakrileg. So war das im Fall Mollath, so war das aber auch in einem Fall, der noch vor Beginn des NSU-Prozesses in München für Aufregung gesorgt hat: als Rechtsradikale Anfang des Jahres unter den Augen von Justizwachtmeistern mitten im Gericht ein Kamerateam und einen Fotografen attackierten. Die Justiz hat damals nicht eingegriffen. Ein Fehler.

Den Fehler zum Problem gemacht hat dann der Münchner Amtsgerichtspräsident Gerhard Zierl, der nicht zugab, dass etwas falsch gelaufen war. Stattdessen überlegte er, ob man nicht Journalisten ganz aus den Gerichten verbannen sollte. Eine Idee, die in Juristenkreisen an Beliebtheit gewinnt: Man stört sich daran, dass die Presse so genau beobachtet, wie Richter oder Staatsanwälte agieren. Mancher Richter verbietet Berichterstattern sogar Laptops - als wenn von Kugelschreibern weniger Gefahr ausginge.

Ein Strafverfahren findet in, aber nicht für die Öffentlichkeit statt, wie das der Richter im NSU-Prozess gesagt hat. Aber der Strafprozess ist aus gutem Grund öffentlich: weil es keine Geheimjustiz geben darf und Recht nachvollziehbar sein muss. Aber auch, weil erst dann Kritik und Korrektur möglich sind.

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Das gilt auch für die Dinge, die sich vor der Tür des Saals ereignen. Eine Amtsrichterin hat nun genau dieses Prinzip bekräftigt. Sie hat im Prozess gegen die Rechtsradikalen, die die Journalisten angriffen, erklärt, dass diese die Aufgabe haben, die Realität abzubilden und Angreifer sich nicht hinter dem Persönlichkeitsrecht verschanzen können. Sie tat dies in richterlicher Unabhängigkeit und in Widerspruch zu ihrem Chef. Auch die Justiz ist lernfähig.

© SZ vom 27.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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