Neonazis im Gericht:Attacke auf die Presse

Neonazis im Gericht: Norman Bordin leitete die Neonazi-Demonstration vor einem Jahr in der Münchner Innenstadt.

Norman Bordin leitete die Neonazi-Demonstration vor einem Jahr in der Münchner Innenstadt.

(Foto: Robert Haas)

Bei einem Prozess gegen Rechtsextreme in München ist es zu bedrohlichen Szenen gekommen. Wie man so etwas verhindern kann? Dem Amtsgerichts-Präsidenten fällt dazu nur ein Schlag gegen die Pressefreiheit ein.

Ein Kommentar von Annette Ramelsberger

Bayern hält sich gern für den besten Teil Deutschlands, und die Landeshauptstadt München fühlt sich sogar noch ein bisschen besser. Was woanders zu beklagen sein mag, das hat man hier im Griff. Ausländerfeindlichkeit? Da stehen doch gleich ein paar hundert Demokraten auf und zeigen, wie weltoffen die Stadt ist. Strafverfolgung? Die klappt in Bayern doch vorbildlich. Besser als irgendwo sonst, heißt es gern. Dumm nur, wenn die Selbstgerechten dann mal auf die Probe gestellt werden.

Vor einigen Tagen haben ein Dutzend Anhänger des Neonazis Norman Bordin mitten in München ausprobiert, wie weit sie gehen können. Sie haben vor dem Justizzentrum an der Nymphenburger Straße Journalisten bedroht, im Gerichtsgebäude die Kameras eines BR-Fernsehteams beschmiert, Reporter gezielt angerempelt und im Gerichtssaal bedrängt. Und was geschah dann?

Stürzten sich jene Wachtmeister, die sonst bei jedem Schokopapier-Rascheln im Gerichtssaal eingreifen, auf die Angreifer? Wurden die Provokateure abgeführt? Nein. Auf Drängen der Journalisten haben die Justizwachtmeister wenigstens die Personalien von einigen festgestellt, es gab noch nicht mal einen Platzverweis für die Radikalen, kein Hausverbot. Journalisten sind keine Mimosen, sie sind nicht gleich eingeschüchtert, wenn ein paar Rechtsradikale frech grinsen.

Aber was da mitten im Gericht geschah, waren tätliche Angriffe. Da haben Neonazis getestet, was geht - so wie sie das im Osten Deutschlands schon lange tun. Dem Präsidenten des Münchner Amtsgerichts, dem Hausherrn, aber fällt dazu nur ein Schlag gegen die Pressefreiheit ein. Auf die Frage, wie man so etwas verhindern könne, antwortete er im Fernsehen: Dann müsse man eben Film- und Fernsehaufnahmen im Gerichtsgebäude verbieten.

Das ist kein naives Gerede. Präsident Gerhard Zierl kann politisch denken und war jahrelang der Sprecher des Justizministeriums. Er muss wissen: Kameras provozieren nicht, Journalisten attackieren nicht. Sie machen nur sichtbar, was unter den Augen der Justiz passiert: Rechtsradikale werden auch in München immer dreister.

Wer diesem Treiben mit einem Filmverbot im Gerichtsgebäude beikommen will, weist die Schuld den Opfern zu. Und lässt zu, dass die Rechten noch mehr Einfluss gewinnen. Denn je länger über sie geschwiegen wird, desto stärker werden sie. Wer das nicht erkennt, ermuntert die Neonazis, sich noch mehr Spielräume zu erobern.

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