Rundfunkbeitrag vor Gericht:Das Beste, was dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk passieren konnte

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ARD und ZDF begreifen unter dem Druck, dass sie sich ihren Skeptikern ernsthaft öffnen müssen. (Foto: picture alliance / Uli Deck/dpa)

Die Rundfunkabgabe wird heftig kritisiert, nun verhandelt das Bundesverfassungsgericht über sie. Den öffentlich-rechtlichen Sendern kann dieser Streit nur helfen.

Kommentar von Claudia Tieschky

Dieses Gesetz war von Anfang an eine Provokation, eine Einladung zur Empörung. Nun berät das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit der pauschalen Rundfunkabgabe. Egal wie die Richter entscheiden, eines lässt sich schon jetzt über diese Abgabe sagen: Sie ist das Beste, was dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk überhaupt passieren konnte. Der Streit mit dem zwangsweise zahlenden Publikum hat sichtbar gemacht, wie viel Erklärungsnot besteht.

Es herrscht Erklärungsnot über das, was die Anstalten liefern. Ob Geld richtig verwendet oder für zu teure Sportrechte verjubelt wird. Ob Honorare und Gehälter angemessen, ob die Etats zu rechtfertigen sind und wer sie kontrolliert. Ob ARD und ZDF jenseits von "Tagesschau" und "Tatort" - wo doch alle zahlen - auch für alle in der Gesellschaft senden. Und wenn ja, ob das zwangsläufig bedeutet, dass sie alles tun müssen, was in der digitalen Welt möglich ist. Es gilt, für Menschen ohne Doktortitel in Senderlatein verständlich zu machen, warum sich die Anstalten bei Einnahmen von acht Milliarden Euro pro Jahr beim Sparen an ihrer Grenze sehen. Zu klären ist der Argwohn gegenüber einer angeblich politisch gelenkten Berichterstattung und, wichtiger noch, woher das Misstrauen kommt. Zu klären ist der Vorwurf, die Zuschauer in den ostdeutschen Bundesländern fühlten sich im bundesweiten Programm unterrepräsentiert.

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Als im Januar 2013 der Rundfunkbeitrag eingeführt wurde, ließ sich das auf die auch fünf Jahre später immer noch genauso absurd klingende Formel bringen: Lieber Bürger, du musst für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zahlen, selbst wenn du gar keinen Fernseher hast. Dieser Rundfunk, so geht die Argumentation, sei für die demokratische Gesellschaft so wichtig, dass alle dazu ihren Beitrag leisten müssen, die hier wohnen. Nun wird es zwar einige Menschen geben, die keinen Fernseher haben und auch nicht im Internet ARD und ZDF schauen, es dürften aber zu wenige sein, als dass damit die Aufregung über die Abgabe erklärbar wäre.

Die Öffentlich-Rechtlichen haben ein Akzeptanzproblem

Nein, das gefühlsmäßig Skandalöse an dieser Rundfunkabgabe muss etwas anderes sein. Eine These sei gewagt: Es ist eben nicht der Ärger darüber, dass man für etwas Abstraktes zahlt. Sondern es geht um Enttäuschung und darum, dass man für etwas zahlen muss, das man - warum auch immer - nicht mag.

Die Öffentlich-Rechtlichen haben ein Akzeptanzproblem, das in der kurzatmigen Aufregung über die jeweils neueste Mutmaßung einer Abgabenerhöhung viel zu stark verkürzt wird. Über Qualität, Zahl der Sender, Finanzen und politische Neutralität wird jetzt wegen der Rundfunkabgabe laut und öffentlich gestritten. Auch in der Schweiz wurde der Unmut über die öffentlich-rechtliche SRG erst in dem Moment richtig sichtbar, als man dort über die Einführung einer pauschalen Abgabe abstimmte. Ins Extrem gedacht, erlaubt die Zwangsabgabe die größtmögliche Brüskierung des Publikums: Theoretisch muss es diesen Rundfunk nicht einmal mehr kümmern, wenn ihn sein Publikum nicht mag, es kann ihn ja nicht abbestellen. Dabei leben TV, Radio und Web, auch wenn sie demokratisch wertvoll sind, eben nicht von Zwang. Sondern von der Gunst des Publikums. Wovon denn sonst?

Die Szene der Beitragsgegner ist bunt und verfolgt, von den Anhängern des "Fliegenden Spaghettimonsters" bis zur AfD, recht unterschiedliche Ziele. ARD, ZDF und Deutschlandradio begreifen unter dem Druck offenbar, dass sie sich ihren Skeptikern ernsthaft öffnen müssen - wenn sie nicht wollen, dass Populisten und Leute mit wenig Interesse an freier Presse, an Meinungsfreiheit überhaupt den Unmut der Zuschauer instrumentalisieren. Es gibt seit 2013 mehr, aber nicht genug Transparenz, es gibt mehr, aber nicht genug Reform. Es gibt Sender, die holen Pegida-Anhänger zu Besuch in die Redaktion. Es gibt so erstaunliche Dinge im Programm wie eine gerappte Ode an das Grundgesetz und überhaupt den unberechenbaren Demokratie-Chic von Jan Böhmermann im ZDF. Mit dem Spruch "Wir sind deins" will die ARD demnächst werben. Besser, das wird kein Murks.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist eine Erfindung der Nachkriegszeit; es wäre sehr verwunderlich, wenn nach all den tollen technischen Veränderungen nicht mal debattiert würde: Was davon braucht man noch und was kann weg? Den Anlass dafür liefert die allgemeine Zahlpflicht. Nötig ist diese Auseinandersetzung unbedingt. Es reicht nicht, wenn Staatskanzleichefs und Ministerpräsidenten solche Fragen entscheiden, ohne breite Diskussion darüber, welchen Rundfunk die Öffentlichkeit will. Gelegentlich ist davon die Rede, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio einen neuen Gesellschaftsvertrag brauchen, eine Verständigung aller über ihren Wert. Man kann auch sagen: Die Sender müssen sich mit denen auseinandersetzen, die sie nicht mögen. Finanzen können zwangseingezogen und bombenfest sein, ohne die Liebe des Publikums geht Rundfunk einfach nicht.

© SZ vom 17.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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