Nachlese zum Borowski-"Tatort":Schön viel Wahnsinn

Lesezeit: 3 min

Zwei Irre auf Fahrt: Frauenmörder Kai Korthals (Lars Eidinger, links) und Kommissar Borowski (Axel Milberg). (Foto: NDR/Philip Peschlow)

Kommissar Borowski rückt Frauenmörder Kai Korthals mit einem Toaster zu Leibe. Und macht in der Liebe einen Rückzieher.

Von Johanna Bruckner

Darum geht es:

Um ein Duell der Wahnsinnigen. Kai Korthals zerhackte i n der Episode "Borowski und der stille Gast" Frauen - und entkam den Kieler Ermittlern Klaus Borowski und Sarah Brandt am Ende. Was für einen Tatort in etwa so ungewöhnlich ist wie nun die Fortsetzung: "Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes". Darin darf auch der Kommissar seine Dämonen rauslassen. Er sieht Gespenster (die natürlich eine erste Ahnung des nahen, sehr menschlichen Grusels sind), erzählt beim Antrittsbesuch der Schwiegermutter in spe, dass er gerne Verbrecher geworden wäre (was die nur halb so schlimm findet wie sein Beamtendasein) und prügelt sich mit einem Toaster (erfolgreich). Kollegin Brandt schaut erfurchtsvoll zu.

Lesen Sie hier die Rezension von SZ- Tatort-Kritiker Holger Gertz:

Kieler "Tatort"
:Rückkehr des Lieblingspsychopathen

Kommissar Borowski bekommt es mit seinem Endgegner zu tun, Frauenmörder Kai Korthals. Und muss feststellen: Wenn es persönlich wird, tut es tatsächlich weh.

Von Holger Gertz

Bezeichnender Dialog:

Kommissarin Brandt ist auf die Toilette geflüchtet. Kurz zuvor hat die Zeugin Mandy Kiesel das Gesicht des Mannes gemalt, der sie gekidnappt hatte. Kommissar Borowski folgt seiner Kollegin auf die Toilette, stellt eine Tasse Kaffee vor der geschlossenen Klotür ab.

Brandt (spricht durch die geschlossene Tür): Er ist es. Er ist zurück.

Brandt (öffnet die Tür): Kai Korthals ist wieder da. Mandy Kiesel hat ihn gerade gemalt.

Borowski: Sie hat sein Bild vielleicht in der Zeitung gesehen. Sie hat sein Bild abgemalt. Hier ist Mandy Kiesels psychiatrisches Gutachten: Sie hat ihr halbes Leben in der Psychiatrie verbracht - und malt. Sie porträtiert ihre inneren Dämonen, sie verletzt sich selber.

Brandt: Hören Sie auf, mich zu beruhigen! Die Narbe an seinem Hals: Bei seiner Verhaftung hat er sich das Beil in den Hals gehauen. Erinnern Sie sich?

Borowski: Lebhaft. Ich war dabei.

Brandt: Okay. Von dieser Wunde gibt es kein Bild in der Zeitung. Es gibt kein Bild von ihm. Nur wir beide haben ihn damals gesehen. Oder?

Borowoski: Das ist richtig.

Brandt: Er kam mir damals so nah. Er trug eine Maske. Er hat mich angeschaut. Seine Augen sind die Augen auf dem Bild. Sie sind so schön - und sie sind böse. Solche Augen vergisst man nicht.

Die besten Zuschauerkommentare:

Beste Szene:

Frieda Jung, die Verlobte von Kommissar Borowski, wird in einem Zimmer gefangen gehalten. Ohne Fenster, ohne Tür. Doch die patente Psychologin weiß sich zu helfen: Sie klopft die Wandpaneele ab, improvisiert Mac-Gyver-gleich eine Brechstange und stößt hinter der Verkleidung tatsächlich auf eine Tür. Mit roher Gewalt hackt sie darauf ein, bis sich die Tür öffnen lässt. Doch dahinter: eine gemauerte Wand. Wie soll Friedrich Nietzsche einst gesagt haben? Die Hoffnung ist das übelste aller Übel.

Top:

Männer stehen darauf, wenn Frauen miteinander kämpfen. Das ist ein popkultureller Running Gag, den das Fernsehen nicht müde wird zu erzählen. Dieser Tatort schafft nun zumindest ein bisschen Geschlechtergerechtigkeit - denn Axel Milberg (Borowski) und Lars Eidinger (Korthals) in der Küche beim Prügeln zuzuschauen, das hat schon Sex.

Flop:

Verehrte Krimi-Drehbuchautoren!

Keine Frau lässt einen fremden Mann mit schwarzen Lederhandschuhen (ohne Jacke!) in ihre Wohnung/ihr Büro. Keine. Schon gar nicht eine Expertin für die dunklen Seiten der menschlichen Psyche wie Frieda Jung. Mit der Bitte um künftige Berücksichtigung.

Hochachtungsvoll,

der gesunde Menschenverstand.

Beste Auftritte:

Axel Milberg als Klaus Borowski. Dessen Bauch wird zwar ähnlich wie der des Kollegen Thiel aus Münster immer runder. Aber während Thiels Leibesfülle spöttisch kommentiert werden darf, ist Borowskis Bauch unantastbar. Genau wie das fiese Oberlippenbärtchen, das sich der Kieler Kommissar jetzt stehen lässt. Warum? Borowski ist einfach eine "geniale Sau", wie es Kollegin Brandt ausdrückt.

Lars Eidinger als Kai Korthals. So schaurig schleckt kein anderer einen Teelöffel ab.

Maren Eggert als Frieda Jung. Sie ist die Bodenstation zu Borowskis Wolkenkuckucksheim. "Du bist da, wirklich und real", sagt ihr der Kommissar morgens beim Aufwachen. "Ist noch bisschen früh, um real zu sein", antwortet Frieda Jung.

Die Erkenntnis:

Fällt ein bisschen ab gegen den Rest des Plots. Denn am Ende wird der irre Korthals eingefangen - alles andere würden Psyche und Karriere von Borowski wohl nicht verkraften. Dem Frauenmörder wird zumindest ein angemessener Abschiedsauftritt gegönnt: Als er mit Stichwunden im Bauch am Boden liegt, schnellt seine Hand vor und packt den Hals von Kommissarin Brandt. Wenn das mal nicht Anlass für jede Menge Traumabewältigung in den kommenden Kieler Episoden ist.

Die Schlusspointe:

Borowski und seine Frieda schauen einen Rohbau an, sie wollten zusammenziehen - vor dem Korthals-Fall. "Da ist viel Raum für Kreativität und Entspannung. Die Lebensfreude springt einen hier ja an - finden Sie nicht?", sagt die Klischee-Maklerin. "Ich glaube, es ist zu groß für uns", sagt Borowski. Und meint damit mehr als die Immobilie.

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