Maybrit Illner zur Willkommenskultur:Hass gibt es bei Illner nur im Einspieler

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Die Gäste bei Maybrit Illner (vl): Michael Kretschmer (CDU), Hannelore Kraft (SPD-Ministerpräsidentin), Maybrit Illner, Emitis Pohl (Unternehmerin und Autorin), Dieter Salomon (Grüner Oberbürgermeister von Freiburg) und Rainder Wendt (Deutsche Polizeigewerkschaft). (Foto: ZDF/Svea Pietschmann)

Die Gästeliste des ZDF-Talks zum Thema "Flüchtlinge unter Verdacht" lässt kaum eine Kontroverse zu. Dafür zeigt die Sendung etwas, das in Talkshows selten ist.

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Eine Talkshow, in der alle einer Meinung sind - bei Themen wie dem viel diskutierten Mordfall in Freiburg ist das eine ermutigende Botschaft, wenn auch keine Grundlage für eine kontroverse Diskussion. Die hätte es am Donnerstag bei Maybrit Illner sicher gegeben, hätte man einige der Menschen zu ihrer Meinung befragt, die die Freiburger Ereignisse auf den Facebook-Seiten der Badischen Zeitung kommentiert haben. Ein Einspieler zeigte eine Auswahl besonders hasserfüllter Kommentare.

Die Gäste im Studio hingegen bleiben sachlich. Johannes Forck, 21-jähriger Student aus der Universitätsstadt, erzählt eingangs, dass seine Kommilitonen vor allem die Nachricht vom Tod zweier junger Frauen schockiert habe und weniger die Tatsache, dass es sich beim Tatverdächtigen um einen Flüchtling handelt. Er berichtet aber auch, dass viele Studentinnen angesichts mehrerer "Vorfälle mit Flüchtlingen" verängstigt seien und nicht allein in die Stadt gingen.

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Zugleich, versichert Forck, sei die Bereitschaft zu helfen, nicht geringer geworden unter den Studenten und Freiburgern. Wenn zu einer AfD-Demo am Tag der Festnahme 20 Menschen gingen - und zu einer Gegendemo aber 200 Menschen kämen, zeige das den Geist von Freiburg, so Forck: "Die allermeisten Leute werden der Ansicht sein, dass man niemanden in Sippenhaft nehmen kann."

Dem schließen sich alle Gäste an, selbst der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt, der laut Einspieler eine mangelnde Vorbereitung auf die Masseneinwanderung für den Tod der zwei Freiburgerinnen verantwortlich macht. Einen Generalverdacht gegen Flüchtlinge in der Sendung nennt aber auch Wendt Unfug.

Harsche Kritiker waren nicht eingeladen

Die Frage, wie man bei solchen Verbrechen verhindert, dass sich die Stimmung in der Stadt gegen Flüchtlinge wendet, kommt scheinbar schon zu spät - obwohl Maybrit Illner sie als Erste an die Talkrunde richtet. Der grüne Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon will den Emotionen Sachlichkeit entgegensetzen. Die Runde probiert es denn auch damit - und arbeitet sich an der Frage ab, wie Willkommenskultur gelingen kann.

Hannelore Kraft, SPD-Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, berichtet von Integrationskursen, aufgestockten Polizeidienststellen und Lehrerzimmern sowie organisierter Begleitung für minderjährige Flüchtlinge. Michael Kretschmer, CDU-Generalsekretär in Sachsen, verlangt, die Täter nach Recht und Gesetz zu bestrafen und konsequent abzuschieben, um andere Flüchtlinge zu schützen. Polizeigewerkschaftler Wendt fordert schließlich eine institutionalisierte psychosoziale Betreuung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge.

Etwas Streit um sichere Herkunftsländer

So weit hat sich jeder auf seiner - zu erwartenden - Position eingerichtet. Was Bürgermeister Salomon mit Sachlichkeit meint, wird in der Sendung deutlich, als die Autorin und gebürtige Iranerin Emitis Pohl ihrem Ärger über fehlende Konsequenzen für Straftäter Luft macht. Warum kaum jemand nach der Kölner Silvesternacht bestraft worden sei, fragt sie und stellt fest: "Diese Täter kommen mit der deutschen Toleranz nicht klar." Hannelore Kraft verweist darauf, dass es dafür schlicht zu wenige Grundlagen gebe. Die Opfer könnten die Täter - verständlicherweise - oftmals nicht exakt genug beschreiben.

Ein bisschen Streit entzündet sich schließlich daran, ob die Festlegung von sicheren Herkunftsländern eine Lösung ist. Er wird von dem CDU-Politiker Kretschmer und der Sozialdemokratin Kraft ausgetragen. Man löse, so Krafts Einwand, das Problem nicht, indem die nordafrikanischen Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt würden: "Das würde die Verfahren beim Bundesamt zwar beschleunigen, aber die Ausweisung ist damit noch nicht vollzogen."

Als weitere Herausforderung nennt die Runde die schleppende Arbeitsweise im Bundesamt für Migration. Zudem fehle es dem Bund an Integrationskonzepten, während Länder und Kommunen die Lasten der Einwanderung schulterten. Polizist Wendt kritisiert, dass sich der Staat schon seit längerem aus der Fläche zurückgezogen und dort Polizeiwachen geschlossen habe.

Es hätte eine noch längere Liste mit Problemen und möglichen Lösungen werden können, aber dieser Form der Sacharbeit setzt Moderatorin Illner am Ende doch wieder Emotion entgegen.

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Was sagt man so einem Menschen, fragt Illner. In ihrer Vielfalt drücken die Antworten der Talkgäste vor allem eines aus: Ratlosigkeit angesichts eines konkreten Schicksals. Was fehlt, fasst Autorin Pohl schließlich zusammen, sei ein Einwanderungsgesetz und überhaupt das Bekenntnis dazu, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei.

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