Harald Schmidt auf Sky:Kaffee im Schritt, Rentner in der Mülltonne

Früher meckerten die Zuschauer, weil er so spät kam, jetzt meckern sie, weil sie bezahlen sollen: Harald Schmidt hat seinen Einstand bei Pay-TV-Sender Sky gegeben. Mit jungen Nachwuchskräften und Witzen über Alte. Das könnte gelingen.

Felicitas Kock

Die Spannung steigt, noch eine kurze Werbeunterbrechung für die fünfte Staffel der Serie "Mad Men", das schwarz-weiße Sender-Logo wird eingeblendet, dann erscheint die Kölner Skyline auf dem Bildschirm. Der Rhein, der Dom - und "die letzte Glühbirne im deutschen Fernsehen", wie Harald Schmidt angekündigt wird. Er hat tatsächlich das komplette Show-Intro von Sat 1 zum neuen Bezahlsender Sky mitgenommen. Bleibt fast alles, wie es war, bei "Dirty Harry".

'Harald Schmidt Show'

Zelebrierte einmal mehr sein Dasein als "Medienhure": Harald Schmidt bei seiner ersten Show auf dem Pay-TV-Sender Sky.

(Foto: dapd)

Frisch frisiert in dunklem Anzug, lila Krawatte und weißem Einstecktuch steht Schmidt auf der Bühne des Kölner Studios 449. Neben ihm Bandleader Helmut Zerlett, vor ihm das Publikum, um ihn herum die Aura des frohlockenden Sarkasmus. Zum bekannten Ensemble, das neben Schmidt und Zerlett aus den ebenfalls schon bekannten Sidekicks Olli Dittrich und Klaas Heufer-Umlauf besteht, sollen künftig die Schauspielerinnen Stefanie Stappenbeck und Judith Richter sowie die Moderatoren Pierre M. Krause und Mirjam Weichselbraun hinzustoßen. Trotz des großen Aufgebots, von dem in der Premierensendung nur Heufer-Umlauf zu einem kleinen aber harmlosen Einsatz kommt, bleibt Schmidt selbstredend auch in der 1700. Ausgabe seiner Show dominierend.

"Aus Solidarität mit den Stewardessen habe ich mir heute selbst Kaffee in den Schritt gegossen", kommentiert Schmidt den Streik der Flugbegleiter, bevor er sich einem anderen großen Thema zuwendet: der Altersarmut. "Mir ist es lieber, dass ein Rentner vor mir in der Mülltonne wühlt als im Supermarkt nach dem Kleingeld." In die Lacher des Publikums mischen sich ein paar empörte Ausrufe. Nein, darüber sollte man eigentlich nicht lachen, doch ja, genau diese zynischen Zwischentöne sind es, die Schmidt seit jeher treue Fans bescheren.

Zynisches Potpourri

Danach kriegt Thomas Gottschalk ("Wie soll Thomas Gottschalk 'Wetten, dass' schaden können, wenn er es nicht mehr moderiert?") Schmidts zynisches Potpourri serviert, und auch Bettina Wulff (veröffentlicht Bücher in einem Verlag, in dem auch Titel wie "Voll auf die Zwölf" oder "Ein Idiot kennt keinen Schmerz" publiziert werden) und Heidi Klum ("ein ganz normales Bergisch Gladbacher Mädchen: Ein Kind mit 'nem Italiener, zwei mit 'nem Schwarzen, eins mit einem vom Sicherheitsdienst") werden verbal bedient.

Dazwischen, ganz wichtig, geht es natürlich immer wieder um den neuen Arbeitgeber. Dass Schmidt jetzt bei Sky ist, springt den Zuschauer nicht nur in diversen Ausrufen ("Herzlich Willkommen bei Sky!") an, sondern auch durch die Armbinden sämtlicher Mitarbeiter, auf denen fett der Schriftzug mit den drei weißen Buchstaben prangt. Wie schon die letzten Male bei der ARD und Sat 1 macht Schmidt den Senderwechsel zum Thema. Er zelebriert einmal mehr sein Dasein als "Medienhure", wie er sich einmal selbst bezeichnete.

Und auch dass die Menschen jetzt bezahlen sollen, um ihn zu sehen, findet Schmidt in Ordnung. "Ich freue mich über jeden, der ein Abo kauft", betonte er kürzlich brav in einem Interview. Dem Publikum versucht er den eher unfreiwilligen Wechsel nun mit Ironie beizubringen: "Bei Lufthansa fliegen Sie umsonst, bei Rewe trägt man's Ihnen nach Hause und gibt ihnen noch 20 Euro." Warum also, fragt Schmidt nun, solle niemand zahlen, um fernzusehen?

Danach witzelt Schmidt schnell wieder über schmierige Eckkneipen, die sich gegen Bezahlung des Abos hochtrabend "Skylounges" nennen dürfen. Doch die Bemerkung übers Bezahlfernsehen hat gesessen - und die Verantwortlichen, die Schmidt zu Sky geholt haben, werden sich nun wohl erfreut die Hände reiben. So ungefähr werden sie sich das vorgestellt haben, als sie dem Sender ein neues Gesicht geben wollten.

Fußball plus Schmidt als Zugabe

Bislang war Sky vor allem eines: Fußball. Das soll sich nun ändern. Die "Harald Schmidt Show" soll in diesem Jahr für alle Sky-Nutzer ohne zusätzliche Kosten empfangbar sein. Schmidt soll nicht nur dreimal wöchentlich abliefern, sondern auch als Gastkommentator bei Sportevents auftreten. "Schmidt stärkt durch seine Unverwechselbarkeit die Positionierung von Sky und schafft eine weitere positive Differenzierung zum herkömmlichen TV-Angebot", betonte Sky-Filmchef Marcus Ammon, nachdem der Entertainer den Vertrag unterzeichnet hatte.

Doch nicht nur für Sky könnte die Zusammenarbeit aufgehen, auch für Schmidt sieht es nach dieser ersten Sendung gut aus. Dass er nun beim Bezahlfernsehen gelandet ist, ist kein Zufall. Die Quoten bei Sat 1 waren in den letzten Monaten einfach zu schlecht. Doch das hatte nicht nur mit der Sendung zu tun. Was mit Schmidt passierte, sagt weniger über die "Harald Schmidt Show" aus, als über die sich verändernden Fernsehvorlieben der Deutschen.

Schmidts Sendung mag in den vergangenen Jahren an Qualität eingebüßt haben. Mit freudentränenden Augen erinnern sich Fernsehzuschauer an die 90er Jahre, als der frotzelnde Anzugträger mit seiner frisch eingeführten Late-Night-Show die Massen begeisterte. Als er später Sendungen auf Französisch oder im Dunkeln moderierte oder das Leben Franz Beckenbauers mit Playmobilfiguren nachstellte. Das war neu, das war intelligent, das wollte das Publikum sehen.

Junge Wilde in Nischensendern

Heute will man anscheinend lieber sehen, wie sich Prominente in Woks einen Eiskanal hinunterstürzen oder deutsche Männer in Thailand einheimische Frauen aufreißen. Wie sonst wäre zu erklären, dass die wirklich guten Unterhaltungssendungen eher am Rande gedeihen? Benjamin von Stuckrad-Barre wird mit seiner Late-Night-Show künftig auf Tele 5 ein neues Zuhause finden, auch Christian Ulmen und Oliver Kalkofe verschlägt es zu dem kleinen Grünwalder Sender. Charlotte Roche und Jan Böhmermann geben sich auf ZDF-Kultur alle Mühe, Katrin Bauerfeind ebenfalls bei ZDF-Kultur und auf 3Sat, und dann gibt es da noch die dritten Programme, die versuchen, Sendungen wie "Guse Berlin" (RBB) eine Chance zu geben.

Harald Schmidt gehört nicht zu diesen jungen Wilden, er könnte ihr Vater sein. Doch das Problem, das sie teilen, ist ein ähnliches: Sie machen Fernsehen mit Anspruch, bei dem gedacht und nicht einfach nur geglotzt werden muss. Und das, so scheint es, trauen die größeren Sender ihrem Publikum heute kaum mehr zu. Wer intelligentes Fernsehen machen will, muss ab in die Sparte, die Region, oder eben zum Pay-Kanal. Für einen Harald Schmidt, der sich nach eigenen Angaben eh nie um die Quote geschert hat, könnte der Schritt ins Bezahlfernsehen ein Erfolg werden.

Wie befreiend dieser Schritt jetzt schon ist, zeigte sich auch im zweiten Teil der 35-minütigen Sendung. Da darf Schmidt in einem seiner vielen Elemente aufgehen - in der klassischen Musik. Mit den Studiogästen Sol Gabetta und Hélène Grimaud unterhält sich Schmidt angeregt, im Gespräch mit der reizenden Cellistin Gabetta wird der dreckige Harry gar zahm wie ein Klavierschüler. Am Ende gibt es eine musikalische Einlage, Schmidt darf die Noten umblättern - und dann heißt es auch schon wieder "Auf Wiedersehen, meine Damen und Herren". 15 Minuten für zwei semibekannte Musikerinnen - das hätte er sich bei Sat.1 nicht oft leisten dürfen.

"Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen", sagte einmal der weise Heraklit von Ephesos. Er meinte damit, dass sich Menschen genau wie äußere Umstände verändern. Auch wenn Harald Schmidt seit Jahren ähnlich gute Late-Night-Shows produziert: Er stößt damit nicht mehr auf dieselbe Resonanz. Die Kunst liegt für ihn nun darin, sich eine neue Nische zu suchen. Im Bezahlfernsehen könnte Schmidt diese womöglich gefunden haben - sofern nicht ausschließlich Fußballfans zusehen.

"Die Harald Schmidt Show" läuft immer dienstags, mittwochs und donnerstags auf Sky Hits/HD (22.15 Uhr), Sky Atlantic HD (23 Uhr) sowie flexibel auf Sky Go und Sky Anytime .

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