Dokumentation über Paul von Hindenburg:Hitlers williger Helfer

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Reichspräsident Paul von Hindenburg (rechts) mit Adolf Hitler am 21. März 1933, dem "Tag von Potsdam" (Foto: dpa)

Paul von Hindenburg stieg vom Kriegshelden zum Reichspräsidenten auf und ermöglichte die Machtergreifung der Nationalsozialisten. Christoph Weinert rekonstruiert in seiner Dokumentation den Mythos des Reichspräsidenten, dessen Konterfei sogar auf Schuhwichse gedruckt wurde.

Von Willi Winkler

Helden gibt es immer wieder, aber so einer wie Paul von Beneckendorff und von Hindenburg war nie. In Berlin fertigten sie eine mehrmannshohe Holzbüste allein mit seinem markanten Kopf, in den jeder Deutsche symbolisch seinen Wehrbeitrag hämmern konnte. Hindenburg galt als Sieger über Russland in der Schlacht von Tannenberg, als Weltkriegsheld, dessen Konterfei noch den letzten Rasierpinsel zum Generalstäbler adelte.

Bis der nach ihm benannte Zeppelin 1937 in Lakehurst verbrannte, hatte der drei Jahre zuvor verstorbene Feldmarschall eine unerhörte Gottähnlichkeit erlangt. Heute ist er so gut wie vergessen. Es hat daher etwas von einer Geisterbeschwörung, wenn Christoph Weinert dem immerwährenden Großvater der Weimarer Republik einen Film widmet, der den Mythos Hindenburg rekonstruiert.

Hindenburg ermöglichte die nationalsozialistische Vernichtungspolitik

Hindenburg war es, der vor achtzig Jahren, am 30. Januar 1933, dem Drängen von Reichswehr, Franz von Papen, Alfred Hugenberg und dem des eigenen Sohnes Oskar nachgab und den von ihm sonst als "böhmischer Gefreiter" verhöhnten Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte. Hindenburg erfüllte auch bereitwillig Hitlers erste Forderung, löste den Reichstag auf und schrieb Neuwahlen aus, bei denen die NSDAP (nach dem Verbot der KPD) zusammen mit weiteren rechten Gruppen die absolute Mehrheit erreichte. Es ist bei der sogenannten "Machtergreifung" also alles mit rechten Dingen zugegangen; Hindenburg, das vom Volk gewählte Staatsoberhaupt, ermöglichte letztlich die nationalsozialistische Vernichtungspolitik.

Der Preuße ließ sich am "Tag von Potsdam" von Joseph Goebbels mit allem militärischen Pomp feiern und verwendete sich noch im November 1933 im Rundfunk für den "von mir ernannten Reichskanzler Hitler", dank dem "Deutschland wieder zu sich zurückgefunden" habe. Sein (wie Berliner Journalisten um Kurt Tucholsky spotteten) "von der Verfassung nicht vorgesehener Sohn" Oskar wiederum warb im Jahr darauf bei diesem Deutschland dafür, Hitlers Usurpation des Reichspräsidentenamtes zu billigen, indem er den "Führer" als rechtmäßigen Nachfolger seines verstorbenen Feldmarschall-Vaters empfahl.

Geringe Gefahr der Rommelisierung

Die Gefahr der Rommelisierung, einer weiteren Verherrlichung deutscher Männer in makelloser Uniform, ist dieses Mal gering, weil der ehemalige Weltkriegsheld Hindenburg so gründlich aus dem Bewusstsein geschwunden ist. Der Nachgeborene staunt, wie leicht es einem mittelmäßigen Berufssoldaten fiel, ruhmreiche Siege einzusammeln, die sein bürgerlicher Kompagnon Erich Ludendorff geplant und errungen hatte; wie er erst den Kaiser zur Abdankung und ins Exil nötigen und hinterher die "Dolchstoßlegende" vom Verrat am deutschen Soldaten propagieren konnte; wie er immer wieder von hochmögenden Freunden finanziert und dotiert werden konnte, obwohl seine Verdienste doch eher bescheiden waren. Der vom Denkmal bis zum Abbild auf der Schuhwichse verbreitete Mythos war dafür umso stärker.

Weinert, der bereits Filme über Bismarck und Wilhelm II. gedreht hat, personalisiert auch hier kräftig. Hindenburg steht als eine Art schwarzes Loch im Mittelpunkt, ohne dass viel mehr als die Daten des äußerlichen Lebens zur Erklärung der Person vorgetragen würde. Filme mit dem "Sieger von Tannenberg" gibt es kaum, dafür hat ein Leipziger Studio 170 historische Fotos teilanimiert, wobei ein ungewöhnlicher bühnenbildhafter 3-D-Effekt entsteht, wenn nur ein Hund bewegt oder eine Fahne eingefärbt wird. Was das Material nicht hergibt, müssen die Forscher stiften: Neben dem Hindenburg-Biographen Wolfram Pyta erläutern jeweils ein französischer und ein englischer Historiker sowie eine amerikanische Kollegin die heute unbegreifliche Bedeutung Hindenburgs.

Die historische Séance mit dem Hitler-Helfer, und sei es auch, um ihn als deutsches Verhängnis zu zeigen, hat ihren Preis: Die Namen Kurt von Schleicher oder Oskar von Hindenburg kommen nicht vor; der üble Tropf Papen wird nur kurz erwähnt. Es war alles Hindenburg. Hindenburg habe sich selber als "Ersatzkaiser" gesehen, meint Weinert; er habe sich in der monarchischen Nachfolge gesehen. Die Demokratie Weimars blieb ihm fremd. Schon Pyta hat darauf hingewiesen, dass Hindenburg keineswegs senil war, als er Hitler ins Amt hob, sondern in voller Absicht handelte.

Der preußische Offizier vertraute darauf, dass Hitler, gestützt auf eine lange unterbeschäftigte Reichswehr, Deutschland wieder vom Übel einer parlamentarisch legitimierten Demokratie befreien würde. Wer hätte schon gewusst, dass Frankreich 1919 nach Kriegsende die Auslieferung nicht nur des Kaisers, sondern auch die Hindenburgs und des späteren Hitler-Förderers Ludendorff verlangte?

Hindenburg - ein Held für die Deutschen

Aber für die Deutschen war der im Felde unbesiegte Hindenburg ein Held und kein Kriegsverbrecher und deshalb auch der ideale Kandidat, als 1925 ein neuer Reichspräsident gesucht wurde. Ein Feldmarschall machte einfach mehr her als der ehemalige "Sattlergeselle" Friedrich Ebert. Für Pyta strahlte er die Ruhe und Gediegenheit aus, die der als "Reisekaiser" verspottete Wilhelm II. schmerzlich vermissen ließ. Als alles verloren war und die Großmachtträume in der Inflation endgültig untergingen, sollte Gott wenigstens Paul, den Ersatzkaiser, erhalten, zumal als das II. Reich, zu dessen Untergang er seinen redlichen Beitrag geleistet hatte, nur mehr als Wahnbild existierte. Und dann kam das Dritte.

Weinert ist es sogar gelungen, Hubertus von Hindenburg vor die Kamera zu bekommen, den Sohn des fatalen Oskar. Da er damals höchstens fünf, sechs Jahre alt war, hat er an Hitlers Besuche keine bedeutendere Erinnerung als die Tatsache, dass es dann statt Fleisch den ihm noch eher sehr fremden Käse gab. Es vergehe aber kein Tag, an dem er nicht darüber nachdenke, was die Entscheidung seines Großvaters bewirkt hat.

Die Beerdigung des Feldmarschalls, von Hitler mit politischem und theatralischem Bedacht zum Kriegerdenkmal Tannenberg verlegt, sah so künstlich aus wie ein früher Film von Fritz Lang. Im Kino und im Fernsehen sind solche Helden besser zu ertragen als in der Wirklichkeit. Die Stadt Münster hat ihren Hindenburgplatz im Sommer endgültig abgeschafft.

Hindenburg, der Mann, der Hitler zum Kanzler machte , Arte, Dienstag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 07.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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