Amtseinführung des US-Präsidenten:Tumult im Weißen Haus

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Anhänger des neuen US-Präsidenten Andrew Jackson 1829: Bei den Feiern zur Amtseinführung im Weißen Haus verwüstete der Mob die Einrichtung. (Foto: dpa)

Wie ein früher Trump: Die Inauguration Andrew Jacksons als US-Präsident im Jahr 1829 endete mit der Verwüstung seines Amtssitzes.

Von Harald Eggebrecht

Die Inaugurationsfeiern amerikanischer Präsidenten sind nicht nur hochfeierliche Akte der Einsetzung des jeweils gewählten in sein Amt, sondern in manchen Fällen auch so etwas wie eine Art Visitenkarte des neuen Amtsinhabers und der nun beginnenden Regierungszeit.

So wurde die Einführung von Barack Obama, des ersten schwarzen Präsidenten, zur Demonstration der Multikulturalität der USA: Unter anderem traten der israelisch-amerikanische Geiger Itzhak Perlman, der chinesisch-amerikanische Cellist Yo-Yo Ma und die venezolanische, in den USA lebende Pianistin Gabriela Montero auf. Außerdem waren Native Americans und viele Afroamerikaner bei dieser Feier dabei in der Hoffnung, dass sich unter einem farbigen Präsidenten ihre Lebensumstände bessern könnten.

Einer dieser Staatsakte hatte tragische Folgen, fast möchte man tragikomisch sagen: Der neunte Präsident der USA, William Henry Harrison, hielt anlässlich seiner Vereidigung im Jahre 1841 die insgesamt längste Rede aller Präsidenten bis heute vorm Capitol. Doch obwohl es kalt und unwirtlich war, bestand Harrison darauf, ohne Mantel und Hut zu sprechen. Dabei erkältete er sich, bekam eine Lungenentzündung, die ihn einen Monat später dahinraffte.

Ein "frontier man" als Präsident

Zur wohl dramatischsten und wildesten Einführungsparty wuchs sich 1829 die Inauguration des siebten Präsidenten, Andrew Jackson (1767-1845) aus. Schon der harte Wahlkampf bewies, dass mit Jackson etwas Neues in Washington erschien, was das bisherige Establishment durchaus irritieren und abstoßen konnte.

Er war der erste Präsident, der von westlich der Appalachen kam, also ein "frontier man" war und als Mann der kleinen Leute galt. Die sechs Vorgänger stammten alle aus jener Gruppe, welche die Unabhängigkeit von der englischen Krone erkämpft hatten: George Washington, John Adams, Thomas Jefferson, James Monroe, James Madison und Thomas Quincy Adams, der zwar nicht zu den Gründungsvätern gehörte, aber der Sohn von John Adams war.

Andrew Jackson, Präsident der Vereinigten Staaten von 1829 bis 1837. Gemälde von Thomas Sully aus dem Jahre 1824 (Foto: US Senate)

Jackson stammte aus ärmlichsten Verhältnissen in South Carolina, er war schon mit 14 Jahren Vollwaise. 1781 wurde er von den Engländern, die ein Jahr zuvor in Carolina eingefallen waren, gefangen genommen. Als er einem Offizier die Schuhe putzen sollte, weigerte er sich und erhielt einen Säbelhieb, der eine Narbe übers Gesicht hinterließ.

Zeitlebens blieb Jackson ein Feind der Engländer. Nach dem Unabhängigkeitskrieg studierte er Jura in Salisbury, North Carolina, und wurde 1788 Staatsanwalt im westlichen Distrikt von North Carolina, jener Region westlich der Appalachen, die bald zum Staat Tennessee wurde. 1796 wurde er Abgeordneter für diesen Staat im US-Repräsentantenhaus, doch zog er sich schon ein Jahr später nach Nashville, Tennessee zurück, wurde dann aber zum US-Senator gewählt.

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Auch auf dieser Position hielt er es nicht aus, 1798 kehrte er wieder nach Nashville zurück und wurde dort Richter am Supreme Court des Staates. Außerdem wählte man ihn zum General der Tennessee-Miliz. Im Krieg gegen England 1812 bis 1814 errang Jackson als militärischer Führer Ruhm im Westen, besonders durch den brutalen Krieg gegen die Creek-Indianer, der dem harten Indianerfeind den Spitznamen "Old Hickory" einbrachte. Spätestens mit dem Triumph in der Schlacht um New Orleans 1815 gegen die Engländer war er landesweit ein Held.

Ein Wahlkampf der Beleidigungen und Ehrabschneidungen

Seine enorme Popularität brachte ihm fast zwangsläufig die Präsidentschaftskandidatur ein. 1824 erhielt er unter vier Anwärtern die meisten Stimmen, doch nicht die absolute Mehrheit. Das Repräsentantenhaus entschied sich für John Quincy Adams. Die Jacksonians witterten natürlich Intrige und Betrug. 1828 gewann Jackson gegen Adams nach einem Wahlkampf der Beleidigungen und Ehrabschneidungen, wie ihn die USA noch nicht erlebt hatten. Auch vor den Ehefrauen der beiden wurde nicht haltgemacht.

Es war der erste Sieg der Frontier, des Westens, also der Siedler, Hinterwäldler und Kleinbürger über die bisher herrschende politische Klasse der Ostküste. Noch nie hatte eine solche Menge an Wählern die Abstimmung entschieden.

Als Jackson am 4. März 1829 in Washington zur Inauguration erschien, war auch seine Klientel in die Hauptstadt geströmt, bis zu 20 000 Leute. Manche waren mehr als fünfhundert Meilen unterwegs, um diesen Tag mit Old Hickory zu erleben. Also schob und drückte ums Capitol eine riesige Menschenmasse gegen die Absperrung. Jackson war zu Fuß gekommen, sprach den Eid und hielt die Einführungsrede, die aber nur die nahe bei ihm Stehenden verstanden.

Als unter dem Druck der Menge die Barrieren nachgaben, wurde der Präsident von seinen Helfern schnell ins Capitol gebracht. Er stieg auf der anderen Seite auf sein Pferd und ritt nun die Pennsylvania Avenue hinunter zum Weißen Haus, gefolgt von Kutschen, Kaleschen, Karren, Wagen aller Art mit "Farmern, Männern aus dem Hinterland, Gentlemen, beritten und unberitten, Jungen, Frauen und Kindern, schwarz und weiß". So hat es die Zeugin Maragaret Smith, eine Dame der Washingtoner Gesellschaft, beschrieben.

Jeder wollte Jackson die Hand schütteln. Als nach den Hauptstädtern die Menge in ihren selbstgemachten Kleidern herandrängte, lief die Party aus dem Ruder. Margaret Smith, die nach dreistündiger Pause zurückkehrte, sah nun statt "der Majestät des Volkes" den "Pöbel, einen Mob".

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Um ihren Heros zu sehen, stiegen viele auf die teuren französischen Stühle und Sofas, zerbrachen Möbel, rissen im Eifer des Gefechts die Vorhänge herunter, versuchten, etwas Wiskeypunch oder Dessert zu ergattern. Porzellan zersplitterte, Gläser gingen zu Bruch, und Jackson geriet so gefährlich unter den Ansturm, dass er sich nur mit knapper Not durch eine Seitentür oder, so eine andere Version, durchs Fenster retten konnte.

Erst als die Bediensteten die Punchbowlen nach draußen trugen, konnten sie die wogende Menge der Betrunkenen, Drängelnden, mit schlammigen Stiefeln die Teppiche Verdreckenden heraus aus der Präsidentenresidenz locken.

Senator James Hamilton von South Carolina, ein Anhänger Jacksons, hat das Geschehen als "echte Saturnalien" bezeichnet. Jedenfalls beantragte Andrew Jackson nach der großen Sause beim Kongress 50 000 Dollar zur Renovierung des Weißen Hauses.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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