Sängerin Alex Hepburn:Wut über die Welt

Alex Hepburn Together alone

Alex Hepburn: "Ich bin in meinen Liedern sehr ehrlich, und es ist nicht einfach, damit jeden Tag auf der Bühne zu stehen."

(Foto: Warner Music Group)

Sie gilt als Mischung aus Janis Joplin und Pink: Alex Hepburn hält sich seit Wochen in den französischen Top-Ten, nun erscheint ihr Debüt-Album "Together Alone" in Deutschland. Ein Gespräch über den Club 27, Verlust in der Familie und falsche Gefühligkeit im Pop.

Von Paul Katzenberger

Mit Verlusten kennt sie sich aus: Mit ihren 26 Jahren hat Alex Hepburn innerfamiliär schon viel durchgemacht. Um Lebensmut zu schöpfen, begann die Tochter schottischer Eltern, Lieder zu schreiben. Dadurch wurde auch ihre imposante Stimme entdeckt. Einem Glas Whisky gegenüber ist sie nicht abgeneigt, und das deutsche Weizenbier liebt sie, doch weitere Parallelen zu Mitgliedern des Club 27 wie Janis Joplin oder Amy Whinehouse möchte die Sängerin nicht ziehen.

SZ.de: Frau Hepburn, Sie haben die Schule abgebrochen. Sind Sie heute froh darüber? Vielleicht wären Sie niemals Sängerin geworden, wenn Sie Ihren Abschluss gemacht hätten.

Alex Hepburn: Ich wäre mit Sicherheit keine Sängerin geworden. Hundertprozentig. Denn ich hätte dafür keine Zeit gehabt, wenn ich in einem einigermaßen attraktiven Beruf gelandet wäre. Man muss im Leben realistisch sein, und es ist für jeden sehr schwierig, alles sausen zu lassen und einen Traum zu verfolgen, der sich vielleicht niemals erfüllen wird. Stattdessen belügen sich viele Leute selbst und denken: 'Jetzt nur noch fünf oder zehn Jahre in meinem regulären Job und dann bin ich ein Superstar.'

Alex Hepburn

Das Album "Together Alone" (MyVideo) zum Reinhören

Und Sie haben stattdessen gleich gewusst, unter Superstar mache ich's nicht?

Ich habe mit der Musik nicht angefangen, um berühmt zu werden. Das sieht man schon daran, dass ich zuerst Liedtexte geschrieben habe. Das war für mich so etwas wie eine Therapie. Das Singen kam erst danach.

Und Ihr Jugendtraum, Meeresbiologin zu werden? Der lässt sich jetzt wohl nicht mehr verwirklichen. Tut Ihnen das leid?

Tatsächlich hätte ich gern einen Plan B. Denn die Furcht, dass es mit der Musik nicht mehr hinhauen könnte, ist ja immer noch da. Wenn dieser Fall eintreten sollte, welche Optionen habe ich dann? Meeresbiologin erscheint definitiv nicht mehr im Bereich des Möglichen zu liegen. Sängerin zu sein, fühlt sich für mich im Augenblick großartig an. Doch ich muss anerkennen, dass dies nicht ewig so bleiben wird. Wenn ich Glück habe, dauert meine Karriere vielleicht noch zehn Jahre. Wahrscheinlich bietet mir das Musikgeschäft dann aber neue Chancen: Ich kann Songwriterin werden oder Produzentin.

Die Leute vergleichen Sie mit Janis Joplin. Zu Recht?

Sie legen die Latte damit sehr hoch. Ich habe festgestellt, dass Leute unter 20 mich mit Pink vergleichen. Die Älteren sehen in mir eher eine neue Janis. Das liegt wohl daran, dass die Älteren nicht an Pink interessiert sind und die Jüngeren nicht an Janis. Den Vergleich mit Janis erkläre ich mir mit meiner rauen, gebrochenen Stimme, andererseits haben so viele Sänger eine gebrochene Stimme, von Rod Stewart über die Stereophonics bis zu Pink, dass ich nicht weiß, ob der Vergleich wirklich gerechtfertigt ist.

Gibt es jemanden, mit dem sie selbst sich vergleichen würden?

Pink kann ich einigermaßen nachvollziehen, bei Janis bin ich mir nicht sicher, denn die Tonlagen sind doch unterschiedlich. Das besondere bei mir ist vielleicht, dass ich einem ähnlichen musikalischen Einfluss wie Janis Joplin ausgesetzt war, obwohl ich einer anderen Generation angehöre. Das liegt an meinen Eltern, die mir von frühester Jugend an Bob Dylan, Creedence Clearwater Revival, The Band, Jimi Hendrix, Ray Charles und James Brown vorgespielt haben. Als ich zwölf Jahre alt war, haben meine Klassenkameraden Hiphop gehört und ich kam mit Nina Simone daher. Das kann dazu geführt haben, dass ich für manchen ähnlich klinge wie Janis Joplin.

Janis Joplin starb mit 27 Jahren, wie so viele Musiker vor und nach ihr. Sie feiern in diesem Jahr ihren 27. Geburtstag. Was empfinden Sie als gleichaltrige Künstlerin, dass eine so vielversprechende Karriere so früh endete?

Lass die Finger von Drogen. Versuche, Dich nicht selbst zu hassen. Du musst Dich selbst lieben, um Dich selbst nicht aus dem Spiel zu nehmen. Mit Selbstliebe meine ich nicht Arroganz, solche Leute hasse ich, sondern, für sich selber zu sorgen. Ich versuche das, obwohl ich nicht immer das beste Beispiel für Besonnenheit abgebe.

Ok. welche Laster beichten Sie mir jetzt?

Wie viele andere Leute auch predige ich Dinge, die ich dann selbst nicht praktiziere. Meine Mutter sagte mir immer, 'Du bist Dir selbst Dein schlimmster Feind', und in dem Sinne muss ich mich schon fragen, warum ich beispielsweise rauche, wenn ich eine Sängerin bin. An dem Punkt müsste ich mir eigentlich eingestehen, dass das nichts anderes ist als ein Mechanismus der Selbstzerstörung.

Könnte es sein, dass es ihre Musik auch positiv beeinflusst, wenn Sie sich selbst erlauben zu rauchen? Denn mit sich selber immer streng zu sein, verändert sicher die emotionale Befindlichkeit.

Das muss jeder mit sich selbst abklären. Vor einem Auftritt trinke ich einen Schluck Whisky, um das Lampenfieber zu dämpfen, aber ich bin sicher keine schwere Trinkerin. Aber eins ist auch klar: Ich habe keines meiner guten Lieder geschrieben, nachdem ich ein Glas getrunken hatte. Alkohol haucht mir keine Kreativität ein. Vielleicht lässt er einen glauben, dass er das tut. Doch das ist Bullshit.

In Ihrem Lied "Pain is" singen Sie "Schmerz ist einfach ein Teil von mir". Ihre Lieder handeln häufig von emotionalen Verletzungen. Haben Sie in Ihrem Leben bislang mehr schlechte Gefühle kennengelernt als gute?

Oh ja. Es gab für mich keine guten Gefühle, bis ich den Vertrag von Warner bekommen habe. Ich habe einfach sehr viel Mist im Leben erlebt. Es gibt gute Gründe dafür, dass das Album eher negativ ist. Ich hatte eine sehr schwierige Kindheit und habe viele Familienmitglieder verloren. Das Album ist für mich eine Art Tagebuch und es war meine Therapie. Aber nicht alle Lieder handeln von der Schlechtigkeit: "Miss Misery", "Bad Girl", "Get heavy", "Love to love you" und "Reckless" sind alle nicht negativ, sondern handeln vom ganzen Spektrum der Gefühle.

Wollen Sie darüber reden, was Ihr Leben konkret so schwierig gemacht hat?

Im Grunde will ich das nicht. Nicht, weil ich mich für irgend etwas schämen würde. Ich bin eine sehr stolze Frau. Ich will nur kein Mitleid. Aber lassen Sie es mich so ausdrücken: Ich habe wesentlich gravierendere Verluste erlebt, als dass mir ein Mann das Herz gebrochen hat. Deswegen geht es in "Together alone" in erster Linie auch nicht um Liebe, so wie das immer erwartet wird. Dass eine Sängerin ihren Schmerz hinausschmettert: 'Oh, Du hast mir das Herz gebrochen.' Stattdessen bin ich in meinen Liedern sehr ehrlich, und es ist nicht einfach, damit jeden Tag auf der Bühne zu stehen. Aber was soll ich machen? Ich kann nicht über Dinge singen, die ich nicht selbst erlebt habe.

Ein anderes großes Thema in Ihren Liedern ist die jugendliche Rebellion gegen die Erwachsenenwelt.

Ich weiß. Ich war furchtbar. Die schwierige Situation in meiner Familie machte mich zur Rebellin. Ich reagierte wie ein Kind, das lauter Tragödien um sich herum miterlebt und dabei ohnmächtig zuschauen muss. In mir war viel Wut über die Welt. Im Ergebnis ging ich dann nicht mehr zur Schule, ich fühlte mich da einfach nicht mehr wohl.

Ihre Lieder wirken dadurch authentisch. Damit widersetzen Sie sich der Coolness, die in der Popmusik seit Jahren herrscht. Glauben Sie, dass die Gefühle insgesamt in die Musik zurückkehren?

Ich hoffe es. Denn das ist es doch, was die Musik im Kern ist. Bei den Liedern, die momentan in den Charts oben stehen, werden Emotionen in oberflächlicher Weise sexuell aufgeladen. Wo sind die echten Gefühle? Das letzte, was ich in der Hinsicht gehört habe, war von Adele. Der konnte ich das abnehmen. Da habe ich fühlen können, wovon sie spricht. Aber ansonsten? Ich habe echt genug von falscher Gefühligkeit.

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