Münchner Hip-Hop-Szene:Die Nachfolger von Blumentopf stehen bereit

MÜNCHEN: Sound of Munich / Feierwerk

Von Mexiko nach München: Taiga Trece hat sich durch ihre feurige, mehrsprachige Rap-Kunst einen Namen in der Szene gemacht.

(Foto: Johannes Simon)
  • Am Samstag geben die Rapper von Blumentopf ihr zweites von zwei Abschiedskonzerten. Die Band hinterlässt eine Lücke in der Münchner Hip-Hop-Szene.
  • Künstler und Formationen wie Fiva, Moop Mama oder Dicht & Ergreifend stehen bereit, um das Erbe anzutreten.

Von Dirk Wagner

Vor neun Jahren zog Grasime zum Studieren von Rheinland-Pfalz nach Bayern. "München erschien mir damals als eine besonders offene Großstadt", sagt der Rapper, Produzent und DJ, der schon vor seiner Übersiedelung Münchner Rap-Künstler wie Blumentopf, Main Concept oder Feinkost Paranoia schätzte. Mittlerweile ist er selbst Mitgestalter einer sehr lebendigen Hip-Hop-Szene in der Landeshauptstadt. Einer Szene, die nach diesem Wochenende um eine feste Größe ärmer sein wird. Die Band Blumentopf zieht sich zurück, nach dem zweiten von zwei Abschiedskonzerten am Samstag im Zenith.

Einer, der dazu beitragen könnte, die Lücke zu schließen, ist Grasime. Der Münchner Szene näherte sich der Zugereiste zunächst über Partys wie den "Ghettoblaster Classikz" im Zerwirk, später im Rausch und Töchter und mittlerweile in der Milla. "Hier erlebt man sowohl DJs als auch Livemusik", sagt Grasime, der die dortige Musikausrichtung als klassisch bezeichnet, weil er den Begriff "oldschool" nicht mag: "Ich denke, oldschool war in den Neunzigern was anderes als in den Nullerjahren. Klassisch sind für mich jene ersten Merkmale, die das Soundbild Hip-Hop in den Siebzigern und Achtzigern gefestigt haben."

Ansonsten waren ihm die Freestyle- und Open-Mic-Sessions in der Glockenbachwerkstatt wichtige Anlaufstellen, wo er andere Hip-Hop-Fans in München kennenlernte. Mittlerweile betreibt er mit Freunden das Label "Bumm Clack". So heißt auch eine Veranstaltungsreihe, die lokale, nationale und internationale Acts in die Milla, aber auch ins Jennerwein oder ins Awi holt. In München sei mehr los, als man denkt, sagt Grasime: "spannendes qualitativ hochwertiges Zeug, das wir mit neuen Impulsen aus dem instrumentalen Hip-Hop bereichern mögen."

Grasimes eigene Hip-Hop-Formation heißt Weltuntergäng. Ralf Binder vom Muffatwerk hält sie für die potenziellen Nachfolger der scheidenden Rap-Helden von Blumentopf. Binder ist ein langjähriger Beobachter der Szene, der die ersten Hip-Hop-Events der Stadt mitveranstaltet hat. Was den wirtschaftlichen Erfolg anbelangt, dürften jedoch wohl eher Acts wie Moop Mama oder Dicht & Ergreifend an Blumentopf heranreichen.

Ein Riesentalent ist auch Edgar Wasser. Der Rapper, der mit seiner frechen Art begeistert, ist der Favorit von Nils Schwarz. Der Veranstalter der Partyreihe "Hip-Hop Diaries" sagt: "Der rappt auf so eine kluge Art und Weise, dass sich die Bedeutung seiner Texte oft erst beim zweiten Nachdenken darüber erschließt." Aufmerksamkeit erregt auch der ehemalige Creme Fresh-Rapper Fatoni, der einige Zeit der Brassband Moop Mama seines früheren Creme-Fresh-Kollegen Keno angehörte. Fatoni hat die Schauspielschule absolviert und moderiert seit 2015 auf Radio Puls seine eigene Sendung, "Die Fatoni Show". "Mittlerweile ist Fatoni dank seiner derben Beats und seines Charakters, den er seit 15 Jahren geprägt hat, meines Erachtens der Exportschlager Münchens", sagt Schwarz.

Auch Rapperinnen drängen auf die großen Bühnen. Neben Fiva, die sich derzeit von einer Big Band begleiten lässt, ist da vor allem Taiga Trece zu nennen, die gerade an einem neuen Album arbeitet. Weil sie ihre Jugend in Mexiko verbracht hat, ist die Münchnerin auch mit der mexikanischen Szene eng verbunden. Umso feuriger gelingt ihr multilingualer Hip-Hop. Ferner sollte auch Ebow erwähnt werden, in deren Chor wiederum Taiga Trece mitgewirkt hat. Derzeit rappt die türkisch-stämmige Ebow in Istanbul. Weil aber auch sie in der Münchner Szene aufgewachsen ist, zählt Schwarz sie immer noch zu den heimischen Hip-Hoppern.

Münchner Hip-Hop-Szene: Platzhirsch, Oida! Monaco F, bekannt von der Gruppe "Doppel D", ist ein Pionier des bairischen Rap.

Platzhirsch, Oida! Monaco F, bekannt von der Gruppe "Doppel D", ist ein Pionier des bairischen Rap.

(Foto: oh)

Womit die Frage aufkommt: Was ist eigentlich ein Münchner Musiker? Derjenige, der in München wirkt, oder derjenige, der aus München stammt? Keno von Moop Mama zum Beispiel, der aktuell in Hamburg lebt, dessen Band aber noch als Münchner Formation gilt, obgleich die Musiker längst über ganz Deutschland verstreut sind. "Wir selbst haben uns ja nie als Münchner Band begriffen. In der Tradition von Blumentopf sehen wir uns dennoch. Mit denen machte ich meine erste Tournee, als sie 2007 meine frühere Band Creme Fresh mitnahmen. Und auf dem letzten Mama-Album ist wahrscheinlich der weltweit letzte Feature mit Blumentopf, die mit uns ein gemeinsames Stück aufgenommen haben", sagt Keno.

Wie verwirrend eine lokale Verortung von Popmusik sein kann, erfahren derzeit Dicht & Ergreifend. Deren Mitglieder haben bayerische Wurzeln. Gegründet hat sich die Band aber vor zwei Jahren in Berlin, wo ihr aus Niederbayern stammender Rapper George Urquell bereits seit acht Jahren lebt. In der Presse werden sie als bayerische Band gefeiert, der man sogar einen sogenannten Bazi-Rap zuschreibt. "Ich finde den Ausdruck diffamierend", schimpft Urquell. Weil ihr Konzert am 28. Oktober im Circus Krone ausverkauft ist - ohne dass Dicht & Ergreifend es groß beworben hätten -, glauben viele gar an ein Heimspiel der Band. Unterstützt werden sie im Krone von einem Pionier des bairischen Rap, Monaco F (Doppel D), sowie von Bbou, den Urquell den "eigentlichen bayerischen Rap-König" nennt.

Eine der spannendsten Hip-Hop-Errungenschaften aus Regensburg und München lässt sich indes noch nicht einmal musikalisch verorten: die Tribes of Jizu nämlich, die als Instrumentalband sowohl Rapper wie Fatoni, Keno oder Megaloh begleiten als auch den Münchner Soulsänger Adriano Prestel. "Die Jungs können jeden erdenklichen Hip-Hop-Beat vorwärts und rückwärts spielen und zwischendurch noch in Richtung Future-Jazz oder Rare-Funk abdriften", lobte sie Florian Kreier (Puls) bereits vor zwei Jahre. Ob mit ihnen ein Blumentopf zu gewinnen ist? Mindestens einer. Wahrscheinlich sogar mehrere.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: