Facebook-Managerin Sheryl Sandberg:Frauen, heult doch!

Sandberg, chief operating officer of Facebook, is photographed during an interview in New York

Steht selbstbewusst zu euren Tränen!, dafür plädiert Facebook-COO Sheryl Sandberg.

(Foto: REUTERS)

Wenn Frauen vor Kollegen oder gar dem Chef weinen, ist das beruflicher Selbstmord. Oder nicht? Facebook-Managerin Sheryl Sandberg hält Tränen im Büro sogar für karriereförderlich.

Von Johanna Bruckner

Weinen, so lernen wir früh, ist das ultimative Zeichen von Schwäche. "Jetzt sei keine Heulsuse!", heißt es deshalb - halb tröstend, halb drohend -, wenn kleine Mädchen sich das Knie aufschürfen. Ist man erst mal erwachsen, wird der soziale Druck noch größer. Weinen geht gar nicht!

Klar, in Frauen- und auch Männerzeitschriften war eine zeitlang zu lesen, Gefühle in Tränenform zu zeigen, sei wünschenswert, spreche gar für Charakterstärke. Doch häufig wird, wer im Privaten nah am Wasser gebaut ist, als übertrieben emotional abgestempelt. Und im Beruf sind feuchte Augen immer negativ belegt. Wer vor Kollegen oder gar dem Chef weint, beraubt sich selbst aller Karrierechancen. Weil keiner eine Heulsuse ernst nimmt, geschweige denn befördert. So der allgemeine Glaube, der durch die Ratgeberliteratur bestärkt wird.

"If You Have to Cry, Go Outside" heißt beispielsweise ein Buch der US-Autorin Kelly Cutrone. Darin propagiert sie einen verqueren Feminismus, der Frauen nicht im eigenen Geschlecht stärkt, sondern ihnen die vermeintlichen Defizite des Frauseins austreiben will. Sheryl Sandberg, Facebook-Managerin und bekennendes "cry-baby", wendet sich jetzt gegen diese Job-Prämisse. Und fordert, selbstbewusst zu Tränen am Arbeitsplatz zu stehen.

"Es ist mir schon passiert"

In einem Interview mit dem US-Blog Jezebel sagte die 43-Jährige: "Es ist mir schon passiert. Es ist mir schon mehr als einmal passiert. Es wird mir wieder passieren. Es passiert anderen Frauen. Anstatt uns die ganze Zeit dafür selbst zu geißeln, sollten wir uns selbst akzeptieren." Frauen bekämen viel zu schnell Selbstzweifel, die sie gegenüber männlichen Kollegen benachteiligen, so die Facebook-Managerin. Aber: "Wir können nicht immer jedem gefallen - und wir können uns auch selbst nicht zu jeder Zeit zufriedenstellen." Auch sie habe erst lernen müssen, sich selbst zu vergeben.

Soll heißen: Das Berufsleben geht auch nach ein paar Tränen weiter. Und nicht nur das - Sandberg ist überzeugt, dass Weinen sogar Karriere-Vorteile haben kann.

In ihrem jüngst veröffentlichten Buch "Lean In" - halb Autobiographie, halb feministisches Manifest - argumentiert sie: "Emotionen zu teilen, baut tiefere Beziehungen auf." Tränen zuzulassen, stehe zudem für das Streben nach Authentizität. "Vielleicht machen das Mitgefühl und die Sensibilität, die manche Frauen in der Vergangenheit zurückgehalten haben, aus ihnen in Zukunft natürlichere Führungspersönlichkeiten", so die Hoffnung der Facebook-Managerin.

Wer daraus jetzt den Aufruf macht, so oft wie möglich auf die Tränendrüse zu drücken, liegt aber falsch. Wobei sich Sandberg bewusst ist, dass diese Interpretation kommen wird, weshalb sie Kritikern und Zynikern vorab den Wind aus den (auf-) geblähten Segeln nimmt: "Ich behaupte nicht, dass man ein Eckbüro bekommt, indem man so oft wie möglich weint." Nein, die 43-Jährige plädiert schlicht für die gesunde und längst überfällige Einstellung: Tränen sind menschlich - nicht nur weiblich! - und hinter ihnen steckt oft viel weniger, als ihr Ruf vermuten lässt.

Während der eine Zorn über den sprichwörtlichen Dampf, der aus den Ohren kommt, ablässt, tropft es beim anderen aus den Augen. Mancher tritt bei Enttäuschung gegen den Papierkorb, ein anderer schneuzt ins Taschentuch. Und dann gibt es schließlich noch die, die einfach nichts dafür können. Das ist wie beim Zahnarzt-Besuch: Eine nicht mal so schmerzhafte Spritze in den Gaumen treibt einem die Tränen in die Augen, ob man will oder nicht.

Sandbergs Plädoyer ist also vielmehr die Aufforderung, sich mit der eigenen Tränendrüse zu versöhnen. Heul doch!

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