Brückenteilzeit:Die Vollzeit-zurück-Garantie

Weniger arbeiten und eine Weile in Teilzeit gehen - noch ist das mit großem Risiko verbunden.

Wer einmal die Stundenzahl zurückdreht, kommt nie mehr auf die volle Arbeitszeit - die Angst vor der Teilzeitfalle ist nicht unbegründet. Das Brückenteilzeitgesetz soll gegensteuern.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Wer eine Weile in Teilzeit arbeiten will, kann derzeit nur hoffen, dass der Arbeitgeber ihn anschließend wieder mehr arbeiten lässt. Das soll sich jetzt ändern - und die Firmen sind entsetzt.

Von Martin Scheele

Fast jeder Personalchef weiß von sehr speziellen Arbeitszeitwünschen in seiner Belegschaft zu berichten. Jörg Scharnow, Personalleiter beim unterfränkischen Gipsproduzenten Knauf, erhielt gerade erst eine solche Anfrage. Der Angestellte wollte montags ganz normal ins Büro kommen, dienstags einen freien Tag nehmen, am Mittwochnachmittag zwei Stunden arbeiten, donnerstags im Homeoffice tätig sein und freitags ebenfalls frei haben.

"Wir versuchen, möglichst jeden Wunsch nach Teilzeit zu erfüllen, weil wir keine gut ausgebildeten Mitarbeiter verlieren wollen", sagt Scharnow. "Außerdem glauben wir, dass ein großzügiges Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen heute für jeden modernen Arbeitgeber selbstverständlich sein sollte und für die Mitarbeiterbindung und -gewinnung unerlässlich ist." Manchmal, sagt Scharnow, müssten aber Grenzen gezogen werden. "Die Anfrage dieses Mitarbeiters ließ sich nicht mit den betrieblichen Abläufen vereinbaren."

Teilzeit erfreut sich in Deutschland zunehmender Beliebtheit. Die Zahl der Beschäftigten in Teilzeit stieg innerhalb von 20 Jahren von gut acht Millionen auf mehr als 15 Millionen im vergangenen Jahr. Die Verteilung zwischen den Geschlechtern ist dabei auffallend: Laut Statistischem Bundesamt arbeitet jede zweite Frau in Deutschland in Teilzeit, bei den Männern sind es nur zwölf Prozent. Bei den Eltern ist die Verteilung noch deutlicher: 70 Prozent der Mütter mit Kindern unter 18 Jahren arbeiten Teilzeit, aber nur fünf Prozent der Väter. Der Trend zu mehr Teilzeit dürfte sich weiter verstärken. Laut Mikrozensus 2016 gab etwa eine Million Menschen an, weniger arbeiten zu wollen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD

"Es gibt viele Gründe, warum Menschen manchmal Vollzeit, dann Teilzeit oder vielleicht wieder Vollzeit arbeiten wollen - und sei es, um einfach mal durchzuschnaufen."

Nach dem derzeitigen Gesetzesstand haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Teilzeit, sie können ihre Stundenzahl nach Belieben verringern. Voraussetzung: Das Arbeitsverhältnis muss länger als sechs Monate bestehen, die Firma muss mehr als 15 Beschäftigte haben, es dürfen keine betrieblichen Gründe dagegen sprechen.

Die Angst vor der Teilzeitfalle

Die Krux aus Sicht der Arbeitnehmer: Es gibt keinen Anspruch auf Rückkehr in Vollzeit. Das ist bei der Elternzeit oder der Pflegezeit anders. Hier erhalten Arbeitnehmer die Garantie, dass sie anschließend ihre Stundenzahl wieder aufstocken können. Aus Furcht, in der sogenannten Teilzeitfalle stecken zu bleiben, schrecken viele Beschäftigte vor dem Schritt zurück.

Das soll sich ändern. Im April hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einen Gesetzentwurf zur Einführung der Brückenteilzeit vorgelegt. Demnach sollen Beschäftigte vom 1. Januar 2019 ein Recht darauf haben, befristet Teilzeit zu arbeiten und danach wieder auf die alte Stundenzahl zurückzukehren. Mindestens ein Jahr und maximal fünf Jahre sollen sie ihre vertraglich festgelegte Arbeitszeit reduzieren dürfen - ohne Angst, nie mehr im Job auf hundert Prozent zu kommen. "Es gibt viele Gründe, warum Menschen manchmal Vollzeit, dann Teilzeit oder vielleicht wieder Vollzeit arbeiten wollen - und sei es, um einfach mal durchzuschnaufen, in einem sozialen Projekt zu arbeiten oder sich zu qualifizieren", sagt Heil.

Keine Stelle vorhanden? Das muss die Firma künftig beweisen

Der Vorschlag war schon in der vergangenen Legislaturperiode ein Zankapfel. Andrea Nahles (SPD), damals Arbeitsministerin, wollte das Rückkehrrecht für Unternehmen ab 15 Beschäftigten einführen, Union und Arbeitgeber forderten eine Schwelle bei 200 Beschäftigten. Heils Entwurf ist nun ein Kompromiss: Die Regelung soll für Firmen mit mehr als 45 Mitarbeitern gelten. Außerdem müssen Antragsteller schon länger als sechs Monate dort beschäftigt sein und die Dauer der Teilzeit vorher genau festlegen. Die Stundenzahl darf während der vereinbarten Phase nicht erhöht oder heruntergesetzt werden. Für Firmen mit 45 bis 200 Arbeitnehmern soll es eine Zumutbarkeitsgrenze geben.

Und noch eine Neuerung sieht der Gesetzentwurf vor: Wenn ein Unternehmen die Rückkehr auf einen Vollzeitjob ablehnt, soll es künftig nachweisen müssen, warum keine geeignete Stelle vorhanden ist. Diese Beweislastumkehr ist neu. "Wenn ein Mitarbeiter, der sich in unbefristeter Teilzeit befindet, gegenüber dem Arbeitgeber anzeigt, dass er seine Arbeitszeit wieder verlängern möchte, soll es schwerer werden, ihn bei der Besetzung freier Stellen außen vor zu lassen", sagt die Arbeitsrechtsexpertin Nina Hartmann von der Kanzlei CMS Hasche Sigle in München. "Denn anders als bislang soll der Arbeitgeber darlegen und beweisen müssen, warum er eine freie Stelle nicht mit diesem Mitarbeiter besetzen kann."

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg hadert mit Teilen des Gesetzentwurfs. Es verweist auf eine Befragung von 7500 Beschäftigten. Etwa sechs Prozent wollten gerne ihre Arbeitszeit für eine befristete Zeit verkürzen - Frauen deutlich häufiger als Männer. Von ihnen wiederum strebte ein Drittel eine Teilzeitphase von weniger als einem Jahr an. Sie würden von der neuen Brückenteilzeit also nicht profitieren. Genau wie jene fünf Prozent, die gerne länger als fünf Jahre kürzertreten wollten.

Auch viele Personalverantwortliche lassen kein gutes Haar an dem Gesetzentwurf. Knauf-Personalchef Scharnow sagt: "Wenn die Teilzeitbeschäftigten einen Rechtsanspruch auf Rückkehr zur Vollzeit erhalten, wird dies dazu führen, dass die Arbeitgeber nicht mehr so vielen Mitarbeitern eine Teilzeitbeschäftigung anbieten werden. Denn die Arbeitgeber müssen den Wegfall von Arbeitszeit bei einem Teilzeitbeschäftigten in der Regel durch die zusätzliche Einstellung von Mitarbeitern auffangen." Gab es bei Knauf im Jahr 2010 noch weniger als 100 Teilzeitkräfte, so sind es heute 156. Das bedeute mehr Aufwand und weniger Planungssicherheit.

Arbeitgeber protestieren lautstark

Michael Hyllan, Personalchef von Claas Landmaschinen

"Der Gesetzentwurf geht an der Realität vorbei. Es mindert unsere Wettbewerbsfähigkeit, etwa wenn ein Mitarbeiter mit Spezial-Know-how unvermittelt in Teilzeit geht."

Der Autozulieferer Brose drückt sich vorsichtig und doch klar in der Sache aus. Personalchef Michael Reis sagt: "Wir erwarten durch die gesetzliche Regelung des Rückkehrrechts von Teilzeit in Vollzeit eine größere Nachfrage aus unserer Belegschaft nach dem Arbeitszeitmodell. Dies führt allerdings nach Befristungsende einer Teilzeit mit anschließender Erhöhung der Arbeitszeit auf Vollzeit zu größeren Aufwänden für die Personal- und Budgetplanung." Reis verweist in diesem Zusammenhang auf die "hochdynamische" Automobilindustrie. Es sei gegenwärtig unklar, wie über einen Zeitraum von maximal fünf Jahren ein genauer Bedarf an Arbeitszeitvolumen und benötigter Kapazität vorausgeplant werden kann.

Michael Hyllan, Personalchef des Landmaschinenherstellers Claas, wird deutlicher: "Der Gesetzentwurf ist ein systemfremder Eingriff in die Vertragsautonomie der Tarifparteien und geht an der Realität vorbei. Es mindert unsere Wettbewerbsfähigkeit, etwa wenn ein Mitarbeiter mit Spezial-Know-how unvermittelt in Teilzeit geht." Wenn das Gesetz in dieser Form komme, sei Personalentwicklung "planerisch nicht mehr abzubilden". Bevor die Brückenteilzeit verabschiedet wird, gibt es also noch viel Gesprächsbedarf.

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