Infektionskrankheit:Ebola erreicht Millionenstadt im Kongo

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Ein Behandlungszentrum in Bikoro, wo die ersten Fälle bestätigt wurden. Die Gegend ist nur schwer zu erreichen. (Foto: dpa)
  • In der Hafenstadt Mbandaka im Nordwesten der Demokratischen Republik Kongo ist ein weiterer Ebola-Fall bestätigt worden.
  • Das macht die Eindämmung des Ausbruchs sehr viel schwieriger, erklärt die WHO.
  • Ein Expertenkomitee der Behörde soll nun entscheiden, ob der internationale Gesundheitsnotfall ausgerufen wird.

Von Bernd Dörries, Kalemie, und Berit Uhlmann

Mbandaka war immer eine Stadt mit großen Plänen und dann einer eher bescheidenen Wirklichkeit. Der Entdecker Henry Morton Stanley kam hier 1883 vorbei und machte aus dem Nest am Kongo Équateurville, das sich zu einer Attraktion entwickeln sollte, der einzigen Großstadt auf dem Äquator, mit Eisenbahn, Palästen und einer Brücke über den Fluss. Von den Plänen blieben nur ein paar Brückenpfeiler, die Stadt verschwand wieder im Nebel der Geschichte. Um nun wieder aufzutauchen, es zu ungewollter Bekanntheit zu bringen. Jetzt wurde in Mbandaka ein Ebola-Fall festgestellt, der wohl nicht der einzige bleiben wird in der Millionenstadt.

Als die Nachricht von dem Fall eintraf, war für den kongolesischen Gesundheitsminister Oly Ilunga sofort klar: "Wir haben eine neue Phase der Ebola-Epidemie erreicht." In der Stadt im Nordwesten der Demokratischen Republik leben 1,2 Millionen Menschen. Dass der Erreger in ein so dicht besiedeltes Gebiet vorgedrungen ist, ändere die Lage deutlich, warnt Peter Salama, der bei der Weltgesundheitsorganisation WHO für den Seuchenschutz zuständig ist. Die Kontrolle des Ausbruchs werde nun "viel, viel schwerer". An diesem Freitag trifft sich das Notfall-Komitee der WHO, um zu entscheiden, ob der Ausbruch einen internationalen Gesundheitsnotfall darstellt.

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Alle neun Nachbarländer wurden vorsorglich in Alarmbereitschaft versetzt

Es ist der dritte bestätigte Ebola-Fall in Kongo. Die ersten beiden Fälle waren etwa 150 Kilometer von Mbandaka entfernt in einer abgelegenen Region aufgetreten. Nun aber hat es eine geschäftige Hafenstadt am Fluss Kongo getroffen. Die Republik ist ein Land ohne Straßen, der Fluss so etwas wie der Highway des Landes. Von Mbandaka fahren Barkassen mit landwirtschaftlichen Produkten auf dem Strom, es droht eine schnelle Ausbreitung des Virus.

Die WHO fürchtet insbesondere, dass der Erreger in die angrenzenden Staaten, die Republik Kongo und die Zentralafrikanische Republik, eingeschleppt wird. Vorsorglich wurden alle neun Nachbarländer in Alarmbereitschaft versetzt.

Insgesamt wurden bislang 44 Verdachtsfälle in Kongo gezählt. Die Betroffenen litten an den typischen Symptomen - hohes Fieber, Schmerzen - und manche auch an jenen Blutungen, die die Krankheit so besonders schrecklich erscheinen lassen. 23 Menschen starben. Drei der potenziell Erkrankten arbeiteten in medizinischen Einrichtungen. Auch dies ist ein Alarmsignal. Ebola wird durch Körperflüssigkeiten übertragen; Kliniken, in denen Menschen in engen Kontakt kommen, sind regelrechte Katalysatoren für die Verbreitung des Erregers.

Noch brisanter wird die Lage dadurch, dass Kongo ein Land ist, das seit Jahrzehnten im Krieg mit sich selbst ist, keine funktionierenden Strukturen besitzt und dessen Regierung es vor Kurzem abgelehnt hat, an einer Geberkonferenz teilzunehmen, die Spenden für die zahlreichen Krisen des Landes sammeln sollte. Nun hat die Regierung aber offenbar bemerkt, dass die Lage bedenklich ist, die Armee ist im Einsatz, um Hilfsorganisationen zu unterstützen. "Die Situation ist ernst, wir haben aber viele Vorkehrungen getroffen, damit sich die Lage nicht verschlechtert. In den betroffenen Gebieten wurde die Hygiene verbessert, die Leichen werden schnell entsorgt", sagte die Chefin des Internationalen Roten Kreuzes in Kongo, Christine Cipolla.

Auch die WHO hat in einem nie dagewesenen Tempo reagiert. Bereits wenige Tage nach Bekanntwerden des Ausbruchs wurden Impfstoffe nach Kongo transportiert. Das Vakzin der Firma Merck gilt als hocheffektiv, ist aber noch nicht zugelassen. Dennoch hat die Weltgemeinschaft 300 000 Dosen eingelagert, um sie im Notfall verabreichen zu können. In Kongo ist allerdings auch dies eine Herausforderung. Der Impfstoff muss bei minus 60 bis minus 80 Grad Celsius aufbewahrt werden. Salama nennt den Einsatz "eine hochkomplizierte, anspruchsvolle Operation in einem der schwierigsten Terrains der Welt".

Vor allem die Infrastruktur in der Region, in der die ersten Fälle bestätigt wurden, stellt die Helfer vor Schwierigkeiten. Rund um die Ortschaft Bikoro fehlt es weitgehend an befestigten Straßen, Elektrizität, sauberem Wasser und sanitären Anlagen. Zur Versorgung der betroffenen Gebiete musste daher eine Luftbrücke eingerichtet werden. Die WHO stellte 2,6 Millionen US-Dollar Soforthilfe bereit. Eine ganze Reihe Institutionen hat weitere Unterstützung zugesagt.

Es ist bereits der neunte Ebola-Ausbruch in Kongo. Hier wurde das Virus, das zwischen 20 und 90 Prozent der Infizierten tötet, 1976 entdeckt. Zuletzt grassierte es vor einem Jahr und kostete vier Menschen das Leben. Beim siebten Ausbruch starben fast 50 Menschen. Er ereignete sich 2014 - parallel zu der Epidemie in Westafrika und von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.

Dass die WHO nun mit hohem Druck und zugleich sehr öffentlichkeitswirksam agiert, mag auch politische Gründe haben. Der Ausbruch ist die erste Bewährungsprobe für den neuen WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Er reiste unmittelbar nach Bekanntwerden der ersten Infektionen in die Region und ist offenbar entschlossen, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. 2014 hatte die WHO nicht schnell genug auf den Ausbruch in Westafrika reagiert. Die Folge war eine beispiellose Epidemie, die am Ende mehr als 11 000 Menschen das Leben kostete und die WHO in eine Vertrauenskrise stürzte. Seither hat die Behörde den Seuchenschutz ausgebaut.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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