Ministerin Aigner:"Falschberatung ist ein Massenproblem"

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Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner drängt auf verständlichere Anlageprodukte - und droht mit einem Gesetz.

M. Völklein u. H. Wilhelm

Die Verbraucher haben kein Vertrauen mehr in die Banker - viele Kunden haben in der Krise Geld verloren. Sie fühlen sich falsch beraten und allein gelassen. Eine Studie deckte kürzlich auf, dass die Beratung der Banken miserabel ist, auch heute noch. Das ärgert Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU).

Immerhin: Ihrem Bankberater vertraut Ministerin Ilse Aigner noch. (Foto: Foto: Catherina Hess)

SZ: Frau Aigner, vertrauen Sie noch Ihrem Banker?

Ilse Aigner: Ja, das tue ich. Er freut sich immer, wenn ich das in einem Interview sage (lacht).

SZ: Aber eigentlich haben die Deutschen wenig Grund, ihren Bankern zu vertrauen ...

Aigner: Das Ergebnis der Untersuchung der Zeitschrift Finanztest hat gezeigt, dass noch immer viele Verbraucher falsch beraten werden. In der Tat: Falschberatung ist ein Massenproblem und diese Missstände müssen beendet werden.

SZ: Was läuft falsch?

Aigner: Ein Problem sind die Anreizsysteme, die verhindern, dass wirklich im Sinne des Kunden beraten wird. Die Banken stellen konkrete Zielvorgaben an die einzelnen Berater. Er muss oft bestimmte Produkte verkaufen, egal, ob sie für den Kunden geeignet sind oder nicht. Das Problem liegt in den Chefetagen. Sehen Sie: Wenn Sie als Kundin einen Rock kaufen wollen, aber der Verkäufer ist dazu verpflichtet, drei Jacketts und drei Hosen zu verkaufen, dann kann das nicht gut gehen.

SZ: Was kann der Gesetzgeber da tun?

Aigner: Das ist eine bankeninterne Sache, da kann der Gesetzgeber nur schwer eingreifen. Ich setze darauf, dass die Banken sich da in Zukunft selbst besser kontrollieren. Was gegenwärtig abläuft, kann nicht im Sinn der Branche sein. Es steht viel Vertrauen auf dem Spiel.

SZ: Freiwilligkeit funktioniert doch nicht. Wir haben seit zwei Jahren eine Finanzkrise, die Banker haben das Vertrauen verspielt - und die Banken machen immer noch genauso Druck auf ihre Mitarbeiter, Produkte an den Mann zu bringen.

Aigner: Deshalb muss gehandelt werden! Wir werden genau hinsehen. Es wird immer wieder Tests wie den von Finanztest geben, die den Finger in die Wunde legen. Übrigens: Wir werden das Vermögen für die Stiftung Warentest, zu der Finanztest gehört, um 50 Millionen Euro erhöhen, damit diese anerkannte Institution noch unabhängiger ist. Und: Vom 1. Januar an muss nach jeder Anlageberatung ein ausführliches Protokoll ausgefüllt werden, in dem steht, was sich der Kunde wünscht und was daraufhin empfohlen wurde. Wenn der Bankkunde sagt, ihm ist hundertprozentige Sicherheit wichtig und es wird ihm ein Aktienfonds verkauft, dann ist aus dem Protokoll klar ersichtlich, dass ein Beratungsfehler vorliegt.

SZ: Die Banker müssen doch bereits seit dem Jahr 2006 Beratungsprotokolle ausfüllen und das hat doch auch nichts verbessert.

Aigner: Es muss nun sehr viel genauer protokolliert werden. Ich will außerdem, dass alle Banken einen Beipackzettel für ihre Finanzprodukte anbieten. Darin soll stehen, was das Produkt genau kostet und welche Risiken es hat, durch die der Kunde Geld verlieren könnte.

SZ: Aber diese Beipackzettel sind wieder nur auf freiwilliger Basis. Sie sind viel zu zahm zu den Banken.

Aigner: Die ING DiBa und die Deutsche Bank bieten nun einen solchen Beipackzettel an. Aber ich gebe zu: Ich bin von den Banken enttäuscht. Ich hätte erwartet, dass mehr mitziehen. Ich werde nicht nur abwarten, sondern eine gesetzliche Regelung anstoßen. Falls in den nächsten Monaten freiwillig nichts passiert, dann können wir schnell handeln.

SZ: Sie drohen den Banken?

Aigner: Sagen wir es so: Meine Geduld ist endlich. Die Banken müssen die internen Missstände schnellstmöglich abstellen - in ihrem eigenen Interesse. Der Wunsch des Kunden muss Vorrang haben vor kurzatmigem Profitstreben. Ich möchte, dass alle Banken einen einheitlichen Beipackzettel anbieten, der Kunden den Vergleich verschiedener Produkte erleichtert.

SZ: Eine einheitliche Lösung erreichen Sie doch nicht mit Freiwilligkeit. Wenn überhaupt, wird jede Bank ihr eigenes Papier entwickeln - und die Verbraucher können die Produkte wieder nicht miteinander vergleichen.

Aigner: Wenn die Banken die nötigen Informationen verweigern, brauchen wir ein Gesetz.

SZ: Was möchten Sie außerdem noch ändern?

Aigner: Wir haben bereits die Verjährung von Falschberatung von drei auf zehn Jahre verlängert. Das bedeutet: Wenn der Kunde von seiner Bank etwas anderes verkauft bekam, als er wollte, kann er sich noch zehn Jahre danach bei Gericht Geld zurückholen. Diese Frist von zehn Jahren soll meiner Meinung nach auch für Fehler in Wertpapierprospekten gelten.

SZ: Warum verbieten Sie nicht einfach bestimmte für den Privatanleger ungeeignete Produkte? Weder in den USA noch in Spanien dürfen die hochkomplexen Zertifikate verkauft werden, mit denen die Deutschen viel Geld verloren haben.

Aigner: Ich will die Verbraucher nicht bevormunden, was sie kaufen dürfen und was nicht. Wenn es um Eingriffe in die freie Marktwirtschaft geht, bin ich immer sehr zurückhaltend. Mir ist wichtig, dass dem Verbraucher alle Informationen zur Verfügung gestellt werden.

SZ: Es wäre doch gut, wenn die Banken Konkurrenz bekommen - zum Beispiel durch fähige unabhängige Berater, die gegen Honorar beraten.

Aigner: Ja, aber wir müssen bei diesen Beratern auf die Qualität achten. Das Problem ist: Derzeit kann sich jeder Finanzberater nennen. Ich möchte gesetzlich festschreiben, dass die Leute künftig eine Qualifikation nachweisen und sich registrieren müssen. Außerdem sollen sie eine Haftpflichtversicherung abschließen - damit sie Schäden ersetzen können, die sie Kunden verursachen. Für den unabhängigen Honorarberater sollte ein gesetzliches Berufsbild geschaffen werden, so wie für Anwälte oder Steuerberater.

© SZ vom 23.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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